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# taz.de -- Blutiger Anschlag im Tschad: Der Frontstaat muss büßen
> Ein als Frau verkleideter Attentäter sprengt sich am Markt von Ndjamena
> in die Luft. Die Bilanz: 18 Tote, fast 80 Verletzte.
Bild: Polizeisperre in der Nähe des Anschlagsortes am Markt von Ndjamena am Sa…
Berlin taz | Ein neuer verheerender Selbstmordanschlag mitten in der
Hauptstadt setzt Tschads Regierung unter Druck. 18 Tote und knapp 80
Verletzte forderte die Explosion eines Selbstmordattentäters am frühen
Samstag auf dem belebten zentralen Markt der Hauptstadt N’Djamena.
Der Attentäter trug tschadischen Berichten zufolge eine Burka, um sich als
Frau zu verkleiden, und versuchte durch einen Fraueneingang in das
Marktgelände zu gelangen; als die Polizei ihn kontrollieren wollte, habe er
sich in der Menschenmenge in die Luft gesprengt. Tschadische Webseiten
zeigen den blutigen Kopf des Attentäters auf dem Boden.
Zu dem Anschlag bekannte sich am Sonntag der „Islamische Staat, Provinz
Westafrika“ – mit diesem Namen bezeichnet sich mittlerweile Nigerias
Islamistenarmee Boko Haram. Auch zu einem Anschlag in Nordostnigerias
größter Stadt Maiduguri am Samstag mit mehreren Toten bekannte sich die
Gruppe.
In Tschads Hauptstadt hatte Boko Haram bereits am 15. Juni einen
verheerenden Anschlag verübt. Damals war das Ziel das Hauptquartier der
Polizei und es starben 38 Menschen.
## Fünf Jahre nach den WM-Anschlägen von Kampala
Der neue Anschlag ereignete sich auf den Tag genau fünf Jahre nach den
blutigen Selbstmordattentaten in Ugandas Hauptstadt Kampala auf
Public-Viewing-Zuschauer des Fußball-WM-Endspiels am 11. Juli 2010.
Diese Anschlagsserie mit 74 Toten hatte die somalische Islamistengruppe
al-Shabaab verübt, in Vergeltung für den Einsatz der ugandischen Armee
gegen Shabaab in Somalia im Rahmen einer afrikanischen Eingreiftruppe.
Jetzt rächt sich Boko Haram offenbar dafür, dass die tschadische Armee mit
an vorderster Front im Kampf gegen bewaffnete Islamisten in Westafrika
steht – vor zwei Jahren in Mali an der Seite Frankreichs, dieses Jahr in
Nigeria als Ersatz für die ineffizienten nigerianischen Streitkräfte.
Tschads Armee gilt als eine der schlagkräftigsten der Region, seit
Präsident Idriss Déby von den geschätzt 10 Milliarden US-Dollar, die sein
Land aus der Ölförderung seit 2006 verdient hat, rund 40 Prozent ins
Militär gesteckt hat. Während er damit zunächst im eigenen Land Rebellen
besiegte, geriert sich Tschads Präsident Déby inzwischen als regionaler
Machtpolitiker, ähnlich wie in Ostafrika Ugandas Präsident Yoweri Museveni.
Und ähnlich wie Museveni sein Land zur Basis für US-Militäraktivitäten
gegen Islamisten gemacht hat, tut dies Déby mit Tschad für Frankreich. In
beiden Ländern führen zudem Präsidentensöhne Spezialkräfte des Militärs.
## Repressive Innenpolitik
Tschads zunehmenden militärischen Aktivitäten im Ausland gehen mit
repressiven Sicherheitsmaßnahmen im Inland einher. Schon 2013, während des
Mali-Einsatzes, verbot Tschads Regierung in N’Djamena Motorradtaxis –
damals in Nigeria das beliebteste Fahrzeug von Selbstmordattentätern. Als
Reaktion auf den Anschlag vom Juni 2015 verbot sie das Tragen von Burkas –
in Nigeria mittlerweile die beliebteste Verkleidung von
Selbstmordattentätern. Geholfen hat das wenig. Die Polizei sagte am
Sonntag, ab jetzt werde man Burkaträgerinnen sofort festnehmen.
Zugleich verschleiert die angespannte Sicherheitslage politische Probleme
im Tschad. Von dem Versprechen, Öleinnahmen bevorzugt zur sozialen
Entwicklung zu nutzen, ist angesichts der Aufrüstung wenig übriggeblieben.
Am 7. Juli wurde der politische Aktivist Djéralar Miankeol zu zwei Jahren
Haft verurteilt, weil er im Radio Landraub in den Ölgebieten kritisiert
hatte.
Weder die für 2014 geplanten Kommunal- noch die für April 2015 geplanten
Parlamentswahlen haben stattgefunden. Wie es mit der Präsidentschaftswahl
2016 aussieht und ob die mehr sein wird als ein Plebiszit zum Verbleib
Débys nach 26 Jahren im Amt, ist offen.
12 Jul 2015
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Tschad
Idriss Déby
Boko Haram
Uganda
Nigeria
Zentralafrikanische Republik
Bangui
„Islamischer Staat“ (IS)
Plünderungen
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