# taz.de -- Syriza nach Abstimmung über Sparpaket: Die Meuterei | |
> Ernüchterung in Athen. Premier Alexis Tsipras muss Sparauflagen | |
> durchsetzen, die er ablehnt. Schon ist die Rede von Neuwahlen im Herbst. | |
Bild: Die Syriza-Abgeordnete Zoe Konstantopoulou (links) steht nicht mehr hinte… | |
ATHEN taz | Nach dem wiederholten Abstimmungsthriller kehrt in Athen | |
Ernüchterung ein: Ministerpräsident Alexis Tsipras kann mit der eigenen | |
Partei kaum noch regieren und muss trotzdem im Wochentakt Steuererhöhungen | |
und andere Grausamkeiten durch das Parlament bringen. Allein die am | |
Mittwoch beschlossene Mehrwertsteuer-Erhöhung für Grundnahrungsmittel wie | |
Reis und Nudeln hat nach Expertenschätzungen eine Mehrbelastung von 157 | |
Euro pro Haushalt und Jahr zur Folge. | |
Weitere Sparauflagen werden folgen. Besonders umstritten sind die in | |
Aussicht gestellten Rentenkürzungen, insbesondere bei unterfinanzierten | |
Kassen. Beispiel: Rückwirkend zum 1. Juli wird die staatliche Förderung für | |
die Kasse der landwirtschaftlichen Sozialversicherung OGA erheblich | |
reduziert, wodurch Renten-Einschnitte von bis zu 50 Prozent drohen. Auch | |
bei Zusatzrenten wird deutlich gekürzt: Wer sich bisher auf eine | |
Zusatzrente in Höhe von 200 Euro gefreut hat, bekommt ab sofort nur noch | |
176 Euro – wegen eines neu eingeführten Beitrags zur Pflegeversicherung. | |
Weitere Einschnitte finden ab Januar 2015 statt, bis Ende 2019 wird auch | |
die Solidaritätszulage für Rentner gestrichen. | |
Es handelt sich um Sparauflagen, die Tsipras und seine Syriza-Partei in der | |
Opposition noch verteufelt haben. Unter dem Druck der Ereignisse und der | |
EU-Partner rückt Tsipras davon ab, genauer gesagt: Nach eigener Aussage | |
bleibt er bei der Überzeugung, die Sparauflagen seien grausam. Trotzdem | |
bringt er sie im Eilverfahren durch das Parlament. | |
Nun droht der Linkspartei die Spaltung. Will Tsipras seinen Rückzieher | |
tatsächlich vollziehen, dann kommt er wohl nicht umhin, sich von | |
langjährigen Weggefährten wie Sozialminister Dimitris Stratoulis und | |
Energieminister Panagiotis Lafazanis zu trennen. Sonst würden ausgerechnet | |
die schärfsten Kritiker der Sparauflagen mit deren Umsetzung beauftragt. | |
Eine Spaltung hätte allerdings zur Folge, dass in Griechenland neue | |
Antiausteritätsparteien aus der Taufe gehoben werden, die eine hier ohnehin | |
starke Anti-EU-Front weiter zementieren. | |
## Trotzdem hohe Popularität | |
Als potenzielle Anführerin der Meuterei gilt Parlamentspräsidentin Zoe | |
Konstantopoulou. Diese ist bisher nicht durch überparteiliche | |
Zurückhaltung, sondern im Gegenteil durch eine betont linke und zum Teil | |
auch persönliche Agenda aufgefallen. | |
Dazu gehören die Ablehnung neuer Sparauflagen, die Nichtigerklärung und | |
Umstrukturierung der griechischen Schulden sowie die an Berlin gerichtete | |
Forderung nach Kriegsentschädigungen in dreistelliger Milliardenhöhe. | |
Zum Surrealismus griechischer Politik gehört freilich auch, dass Tsipras | |
hohe Popularitätswerte genießt. Das liegt wohl nicht nur daran, dass er | |
Probleme meisterhaft hinweglächelt, sondern auch daran, dass sämtliche | |
Oppositionsparteien, die von den Wählern als Hauptschuldige für die heutige | |
Misere des Landes angesehen werden, in der Bedeutungslosigkeit versinken. | |
Laut Umfragen kommt die bis Januar regierende konservative Partei nur noch | |
auf 19 Prozent, während die einst allmächtigen Sozialisten bei einer | |
Neuwahl um ihren Einzug ins Parlament kämpften müssten. Schon wieder eine | |
Neuwahl? | |
## Mittelfristig Stabilität vorzeigen | |
Auch das ist gut möglich und sogar höchst wahrscheinlich im Politik-Labor | |
Griechenland. Für Tsipras wäre dies vermutlich eine weitere Möglichkeit, | |
die Flucht nach vorne zu ergreifen und sowohl die Opposition als auch die | |
eigenen Abweichler zu schwächen. Innenminister Nikos Voutsis spricht sogar | |
offen von Neuwahlen im September oder spätestens Oktober 2015. | |
Bis dahin muss Tsipras zumindest den Eindruck einer mittelfristigen | |
Stabilität erwecken. Erste Anzeichen gibt es: Eine Einigung der | |
Euro-Finanzminister auf Übergangsgelder in Milliardenhöhe für Griechenland | |
sowie die zaghafte Erhöhung der ELA-Notfinanzierung durch die Europäische | |
Zentralbank (EZB), die griechischen Kreditinstituten zukommt. Sollten die | |
Banken in Hellas, wie versprochen, am kommenden Montag wieder öffnen, dann | |
hätte Tsipras endlich auch als Regierungschef eine frohe Botschaft zu | |
verkünden. | |
16 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Jannis Papadimitriou | |
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