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# taz.de -- Kolumne German Angst: Augen zu, Problem gelöst
> Die Griechenlandkrise erinnert viele Serben an die letzten Monate
> Jugoslawiens: Der reiche Norden lässt den armen Süden im Stich.
Bild: Das Massaker von Srebrenica kündigte sich an, doch die Weltgemeinschaft …
Es ist schon seltsam. In Deutschland tobt die Debatte um den Fortbestand
der EU und den Gehalt der europäischen Werte. In Serbien, außerhalb der EU,
herrscht dagegen Ruhe.
Viele fühlen sich hier an die letzten Monate Jugoslawiens erinnert: der
reiche Norden, der den verarmten Süden nicht mehr mittragen will.
So begannen die Kriege. Dem Nationalismus nämlich ging voraus: die
Entscheidung der privilegierten Republiken gegen eine fortgesetzte
gemeinschaftliche Wirtschaft. Heute wird von Berlin aus durchgeboxt, dass
Vermögen möglichst ungleich verteilt bleibt. In Jugoslawien hat das
Solidarprinzip Jahrzehnte des Friedens ermöglicht. 1991 war der vorbei.
Deutschland hatte Slowenien und Kroatien anerkannt. Gegen den Willen vieler
EG-Staaten.
Sicher ist Deutschland deshalb nicht schuld, dass der Krieg von Kroatien
nach Bosnien übergriff. Entspannt hat diese Erweiterung der Einflusssphäre
in den Osten die Sache aber auch nicht. 1992 begann die Belagerung
Sarajevos. 10.000 Tote. 1.425 Tage lang hätte die Internationale
Gemeinschaft intervenieren können –und tat es nicht.
## Das angekündigte Massaker
Dann Srebrenica. 8.000 Tote, vor den Augen der UN. Das Massaker hatte sich
angekündigt, doch niemand schritt ein. Genau 20 Jahre ist das her. Im
Kosovo legte sich Rot-Grün dafür doppelt ins Zeug. Besser zwei falsche
Entscheidungen, als eine, hatte man sich in Berlin wohl gedacht, dann wird
deutsche Außenpolitik daraus.
Der „Hufeisenplan“ sollte suggerieren: Der erste deutsche Kriegseinsatz
nach 1945 hat ein „zweites Auschwitz“ (Joschka Fischer) verhindert. Und mit
Auschwitz kennen die Deutschen sich aus. Mit dem ersten Tag der Belagerung
Sarajevos jedenfalls starb auch Europa. Die Staatengemeinschaft schiss auf
die Solidarität. Die EU bekam später den Friedensnobelpreis. Und die
postjugoslawischen Staaten?
Die Lebensumstände dort sind katastrophal. Bosnien und Herzegowina siecht
hinter den Toren der EU vor sich hin: verarmt, korrupt, zwangsgeteilt in
zwei nationale Entitäten, der Kriegszustand in alle Ewigkeit verlängert
–genauso wie es die Staatengemeinschaft in Dayton beschlossen hat.
Mazedonien, einst EU-Vorzeigeanwärter, ist nun eines der ärmsten Länder
Europas. Korrupt, antidemokratisch, ohne freie Wahlen, von einem Autokraten
regiert.
Mitverantwortlich dafür ist die EU. Der serbische Premier Aleksandar Vucic,
bekehrter Rechtsextremer im Orban-Format, geht derweil bei Merkel ein und
aus. Dass er regierungskritische Websites abschaltet und die Medienfreiheit
aushebelt?
Egal. Nach dem letzten Zensurskandal 2014 führte ihn der erste Staatsbesuch
–nach Berlin. Der zweite auch. Und dann Kosovo.
## Die Debatte um die „sicheren Herkunftsländer“
Zehntausende fliehen aus dem winzigen Staat. Und wie reagiert Deutschland?
Wie es das am besten kann: mit der Quasi-Abschaffung des Asylrechts. Kosovo
soll, wie Bosnien, Serbien und Mazedonien, zum „sicheren Herkunftsland“
erklärt werden.
Problem gelöst. Auch diese notorische Entmenschlichung erinnert an den
Zerfall Jugoslawiens. Die Föderation ging brutal unter, als die
wirtschaftliche Konkurrenz und der Geiz sich in rassistischen Hass
umwandelte –während Europa tatenlos zusah.
Erginge es der EU nun genauso, könnte man das wohl Ironie der Geschichte
nennen.
11 Jul 2015
## AUTOREN
Sonja Vogel
## TAGS
Serbien
Europäische Union
Ungarn
Srebrenica
Ungarn
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Ungarn
Internationaler Gerichtshof
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