# taz.de -- Die Wahrheit: Fehlerhafte Schreibversuche | |
> Mit dem Slogan „Darjeeling, das stille Wasser unter den Milchkaffees“ | |
> eine Schriftstellerexistenz zu begründen, ist gewagt. | |
Vielleicht hielt das Leben eine literarische Karriere für mich bereit? | |
Meine Eltern, die dies nicht grundsätzlich ausschlossen, aber | |
verantwortungsvollerweise meiner finanziellen Sicherheit Vorrang | |
einräumten, rieten mir eindringlich zum Verfassen von Werbetexten, weil man | |
damit angeblich sehr viel Geld verdienen konnte. Flotte Sprüche würden doch | |
immer gesucht, hieß es. | |
Mir kam das eigentlich zu profan vor, doch traute ich mir zu, es mit dem | |
branchenüblichen Schwachsinn aufzunehmen. Bei einer auf Produktwerbung | |
spezialisierten Agentur bewarb ich mich mit dem Slogan „Darjeeling, das | |
stille Wasser unter den Milchkaffees“. Als der erwartete Erfolg ausblieb, | |
fühlte ich mich in meiner Überzeugung bestärkt, zu Höherem als der | |
Werbetexterei berufen zu sein. | |
Jemand schlug vor, ich solle „witzige Sachen“ fürs Fernsehen schreiben, das | |
hätte auf ganzer Linie Zukunft. Ich hatte in der Vergangenheit schon | |
mehrfach versucht, komisch zu sein, damit aber stets nur alle gegen mich | |
aufgebracht. Witze schienen nicht meine Stärke zu sein, das Ernste lag mir | |
mehr. Ich wollte ein ernsthafter Schriftsteller sein und, wie es alle | |
ernsthaften Schriftsteller taten, einen Roman schreiben und zwar einen | |
ernsten. | |
Was mir dann nur noch fehlte, war ein Verlag, der ihn zu für mich | |
vorteilhaften Konditionen in Buchform veröffentlichte. Doch so weit war ich | |
ja noch nicht, zuerst musste das Buch voll werden. Ich brauchte ein Thema, | |
das möglichst viele Menschen in aller Welt interessierte, damit mein Buch | |
in möglichst viele Sprachen übersetzt werden konnte. | |
Entschlossen begann ich, geeignete Themen aufzulisten. Das Erste, das mir | |
einfiel, war „Gedeih und Verderb in der Schädlingsernährung“, offenbar | |
etwas für ein Sachbuch oder eine Doktorarbeit. Das war nicht übel, was mir | |
jedoch vorschwebte, war etwas entschieden Populäreres, etwas mit Herz und | |
amourösen Verwicklungen. Darüber dachte ich intensiv nach und notierte | |
endlich: „Junge liebt Kuh, alle sind dagegen, auch der Junge und die Kuh.“ | |
Ein tolles Thema, provokant und aus dem Leben, doch leider wusste ich | |
nicht, wie ich daraus etwas Massentaugliches entwickeln sollte, das 250 | |
Druckseiten füllte. Ich dachte weiter nach, und eines Tages hatte ich die | |
Erleuchtung: Ich war überhaupt kein Romancier, sondern Lyriker! Das war | |
meine Bestimmung! | |
Voller Inspiration ging ich sogleich ans Werk. Leider machte ich aber beim | |
Tippen dauernd schwere Fehler, so dass statt Lyrik jedesmal ein | |
Volksbegehren für mehr Mürbeteig entstand. Obwohl ich persönlich durchaus | |
mit einem solchen Volksbegehren sympathisierte, schwor ich dem Schreiben | |
resigniert ab. Bis zum heutigen Tage und bis zu diesen Zeilen habe ich nie | |
wieder etwas geschrieben. | |
Ich hätte mich damals ohne Weiteres umbringen können, sogar der | |
Gemeindepfarrer hätte dafür Verständnis gehabt, doch aus lauter Rücksicht | |
auf die Welt blieb ich am Leben. Und weil ich irgendetwas tun musste, | |
machte ich mir als Opfer von Realitätsstrahlen einen Namen. Wie inzwischen | |
nachgewiesen werden konnte, war das jedoch nicht ich, sondern ein ganz | |
anderer. | |
7 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Eugen Egner | |
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