# taz.de -- Regelungen zur Netzneutralität: Neutral – aber mit Ausnahmen | |
> Die EU nennt die neuen Regeln zur Netzneutralität „stark“. Kritiker | |
> monieren Ausnahmen für sogenannte „Spezialdienste“. | |
Bild: Wieviel Vorfahrt bekommen Spezialdienste im Netz? | |
BERLIN taz | Die Europäische Kommission versuchte am Dienstag, ihre | |
Einigung als gute Nachricht im Doppelpack zu verkaufen: In der Nacht habe | |
man sich in den Trilog-Verhandlungen zwischen Kommission, Parlament und Rat | |
auf Regelungen für einen einheitlichen Telekommunikationsmarkt verständigt. | |
Und neben einem Wegfall der Roaming-Gebühren in zwei Jahren seien auch | |
starke Regelungen zur Netzneutralität vereinbart worden. | |
Doch Kritiker fürchten: In Sachen Netzneutralität sieht es nicht so positiv | |
aus, wie die Kommission die Vereinbarung darstellt. Zwar ist der Wortlaut | |
noch nicht veröffentlicht, doch bereits die [1][Mitteilung der Kommission] | |
ist widersprüchlich. So heißt es einerseits, dass Provider Inhalte nicht | |
blocken oder verlangsamt transportieren dürfen und es auch nicht erlaubt | |
werde, bezahlten Datentransport zu bevorzugen. Andererseits sollen | |
sogenannte Spezialdienste erlaubt sein – dabei geht es etwa um | |
Internet-Fernsehen und „neue innovative Anwendungen“. | |
„Dieser Text kann fast alles bedeuten“, kritisiert Joe McNamee von der | |
Bürgerrechtsorganisation European Digital Rights. Alexander Sander vom | |
Verein Digitale Gesellschaft interpretiert ihn sogar negativ: „Damit wird | |
einem Zwei-Klassen-Netz Vorschub geleistet.“ | |
Begründet wird eine Notwendigkeit von Spezialdiensten meist mit | |
Sonderanwendungen, etwa selbst fahrenden Autos, die untereinander | |
kommunizieren müssen oder Telemedizin. Derartige Kommunikationsdaten | |
sollten nicht länger brauchen, nur weil gerade zu viele Nutzer Videostreams | |
schauen. „Dienste auszunehmen, die Leib und Leben schützen, wäre in | |
Ordnung“, sagt auch Sander. Allerdings: Zahlreiche dieser Dienste laufen | |
gar nicht über das Internet. Selbst fahrende Autos etwa würden zur | |
Kommunikation untereinander eher lokale Netze nutzen. Sander sieht in der | |
Regelung daher vor allem einen Türöffner für neue Einnahmequellen für | |
Provider – und ein schlechteres Angebot für Kunden. | |
EU-Kommissar Günther Oettinger betonte bei der Vorstellung der Pläne, | |
Spezialdienste dürften nicht auf Kosten der regulären Angebote gehen. Doch | |
das wird letztlich eine Definitionsfrage sein. Denn für Endanwender ist die | |
Anbindung jetzt schon häufig knapp – weshalb etwa Einnahmen aus der gerade | |
abgeschlossenen Versteigerung von Mobilfunkfrequenzen in den | |
Breitbandausbau fließen sollen. „Sollten die Regelungen so in Kraft treten, | |
ist davon auszugehen, dass der Breitbandausbau nicht voran geht“, sagt | |
Sander. Denn Provider könnten dann nicht nur mit knappen Kapazitäten | |
Investitionen sparen. Sondern auch mit Extradiensten zusätzlich verdienen. | |
30 Jun 2015 | |
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[1] http://europa.eu/rapid/press-release_IP-15-5265_en.htm | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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