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# taz.de -- Gewalt in Ägypten: Heftige Kämpfe im Nordsinai
> Angriffe des IS fordern Dutzende von Opfern. Es sind die heftigsten
> Auseinandersetzungen zwischen der Armee und Dschihadisten.
Bild: Ägyptischer Soldat im Nordsinai.
Kairo taz | Es ist der erste Versuch des Islamischen Staates (IS), einen
Ort in Ägypten zu erobern. Die koordinierten Angriffe auf mehrere
Militär-Kontrollpunkte, Stützpunkte und Polizeistationen begannen am
Mittwochvormittag im Nordsinai. Es waren die intensivsten militärischen
Auseinandersetzungen seit Beginn des Kleinkrieges im Nordsinai zwischen
militanten Islamisten und der Regierung in Kairo.
Dabei wurden nach ägyptischen Behördenangaben mehr als 70 Soldaten getötet.
Unter den Opfern seien mindesten 36 Soldaten und Zivilisten sowie 38
Angreifer, wie Vertreter von Sicherheits- und Gesundheitsbehörden
mitteilten.
Am Nachmittag sollen Dschihadisten der Gruppe „Provinz Sinai“, die vor
mehreren Monaten dem Kalifen al-Baghdadi und dem IS die Treue geschworen
hatten, Teile des Ortes Scheich Suwaid in unmittelbarer Nachbarschaft zu
Rafah an der Grenze zum Gazastreifen unter ihre Kontrolle gebracht haben.
Die lokale Polizeistation wurde belagert.
Laut Angaben des IS in den sozialen Medien sollten 11 der 15 Angriffe in
und um Scheich Suwaid stattgefunden haben. Drei der Angriffe waren
Selbstmordattentate.
## Die Armee setzt Kampfjets ein
Bei ihren Attacken sollen die Dschihadisten alle Soldaten an zwei
Kontrollpunkten bei Scheich Suwaid getötet und dabei auch zwei gepanzerte
Fahrzeuge erobert haben. Militär-Kontrollpunkte werden im Nordsinai in der
Regel mit mindestens 50 Soldaten bemannt.
Laut Berichten sollen die IS-Kämpfer zum Teil Zufahrtswege vermint haben,
um zu verhindern, dass die Armee Verstärkung schickt. „Wir werden das
Militär im Sinai auslöschen“, war auf IS-nahen Tweets angekündigt worden.
Der ägyptische Militärsprecher General Mohamed Samir gab am Nachmittag zu,
dass die Auseinandersetzungen andauern. Die ägyptische Armee setzte
Kampfjets ein. Eines der von den IS-Kämpfern eroberten gepanzerten
Fahrzeuge soll von einem Kampfhubschrauber zerstört worden sein.
Da der Einsatz von Kampfjets im Sinai seit dem Camp-David-Friedensabkommen
zwischen Ägypten und Israel untersagt ist, kann dieser Schritt nur in
Koordination und Übereinstimmung mit Israel stattgefunden haben.
## Ein Zermürbungskrieg
Die Gruppe „Provinz Sinai“ war zuvor unter dem Namen Beit al-Makdis
bekannt, bevor sie im November erklärt hatte, nun im Namen des IS zu
kämpfen. Bei Auseinandersetzungen im Nordsinai wurden bisher Hunderte von
Soldaten getötet. Die Armee und die Dschihadisten führen dort einen
Zermürbungskrieg. Bisher haben sich diese nach Angriffen schnell wieder
zurückgezogen.
Die neue Qualität liegt nun darin, dass sie versuchen, erstmals Territorium
zu kontrollieren und zu halten. Ägyptens Premier Ibrahim Mahlab erklärte in
einer ersten Reaktion der Regierung, dass sich sein Land nun offiziell „in
einem Kriegszustand befindet“.
Es ist schwer, im Nordsinai unabhängige Informationen zu bekommen.
Journalisten erhalten keine Genehmigung, dorthin zu reisen und werden an
den Militärkontrollpunkten abgewiesen.
In einem Appartment in Kairo wurden nach Angaben von Sicherheitskräften am
Mittwoch nachmittag neun Bewaffnete erschossen. Die Behörden hätten
Informationen erhalten, dass die Gruppe einen Anschlag plane, hieß es.
## Neues Terrorgesetz
Da der zweite Jahrestag der Machtübernahme des Militärs und des Sturzes von
Präsident Mohammed Mursi dieses Jahr mit dem Ramadan einhergeht und der IS
im Fastenmonat verstärkte Aktivitäten angekündigt hat, war eine Eskalation
der Gewalt in Ägypten erwartet worden.
Am Montag war Generalstaatsanwalt Hisham Bakarat bei einem Bombenanschlag
in Kairo getötet worden. Er ist das bisher höchstrangigste Opfer, seit das
Militär den Muslimbruder Mursi absetzte und der ehemalige Militärchef Abdel
Fatah El-Sisi die Macht in Kairo übernahm.
Sisi kündigte bei der Beerdigung schärfere Maßnahmen innerhalb weniger Tage
an, darunter auch beschleunigte Verfahren und eine schnellere Ausführung
der Todesstrafe. Am Mittwoch soll dem Kabinett nach unbestätigten Berichten
der Entwurf eines neuen Terrorgesetzes vorgelegt worden sein. Die
Menschenrechtsorganisation Amnesty International spricht von einem
„gefährlichen Moment für die Rechtsstaatlichkeit“ und einer neuen
Eskalation der Gewalt gegen die Regierung.
1 Jul 2015
## AUTOREN
Karim El-Gawhary
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Sinai
Sisi
„Islamischer Staat“ (IS)
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