| # taz.de -- Nachruf auf Charles Pasqua: Ein Gaullist bis auf die Knochen | |
| > Charles Pasqua, Frankreichs früherer Innenminister und der letzte große | |
| > Pate der Afrika-Netzwerke, ist im Alter von 88 Jahren gestorben. | |
| Bild: Charles Pasqua im Jahre 2010. | |
| Berlin taz | Als er Frankreichs Innenminister war, 1986–88 und wieder | |
| 1993–95, galt Charles Pasqua als der schärfste Hardliner des französischen | |
| Establishments. Er deckte Todesschützen in der Polizei, kämpfte für die | |
| Wiedereinführung der Todesstrafe und fuhr einen unbarmherzigen Kurs | |
| gegenüber illegalen Einwanderern. | |
| Aber Pasquas politisches Selbstverständnis war vielschichtiger. Es entstand | |
| mit der Waffe, im Zweiten Weltkrieg an der Seite der französischen | |
| Résistance. „Mein politisches Leben begann unter General de Gaulle und ich | |
| vergesse nicht, dass sich die Republik des freien Frankreichs in Afrika | |
| befand“, sagte er vor wenigen Jahren in einem Interview. | |
| Sein Leben lang verkörperte Pasqua das gaullistische Staatsverständnis in | |
| Frankreich. Danach steht zwar der Staat über allem, und notfalls muss man | |
| ihn außerhalb der Legalität gegen den inneren Feind verteidigen. Auf die | |
| ehemaligen französischen Kolonien in Afrika nach der Unabhängigkeit | |
| übertragen, sollte dieses Staatsverständnis verheerende Auswirkungen haben. | |
| Zunächst fand es seinen Ausdruck in Frankreich, bei der von Pasqua | |
| mitverantworteten Gründung der gaullistischen Miliz „Service d’Action | |
| Publique“ (SAC). Die trieb ab 1959 als nicht rechenschaftspflichtige | |
| parallele Polizeitruppe in der Schlussphase des Algerienkrieges ihr Unwesen | |
| und half 1968, die 68er-Bewegung zu zerschlagen. Später hievte sich Pasqua | |
| an die Spitze der außerhalb öffentlicher Kontrolle agierenden | |
| Afrika-Netzwerke der französischen Politik, die als „Francafrique“ berühmt | |
| wurden. | |
| ## Afrikanische Staaten als rechtsfreier Raum | |
| Das Francafrique-Prinzip, bei dem Gaullisten wie Sozialisten mitspielten, | |
| hieß: afrikanische Staaten als rechtsfreien Raum nutzen. Zusammen mit | |
| befreundeten afrikanischen Präsidenten, insbesondere im atlantischen | |
| Ölgürtel von Kamerun über Gabun nach Kongo-Brazzaville, wurden Gelder hin- | |
| und hergeschoben, auf obskure Deals fette Provisionen abgeschöpft und damit | |
| Kontakte gepflegt, Waffen gekauft, Sicherheitsapparate unterhalten und | |
| Politiker und Parteien finanziert – in Afrika und auch in Frankreich. | |
| Als langjähriger Präsident des Départements Hauts-de-Seine bei Paris sorgte | |
| Pasqua jahrelang dafür, dass 1 Prozent des Département-Haushalts als | |
| „dezentrale Entwicklungshilfe“ über die von ihm gegründete Firma | |
| „Coopération 92“ nach Afrika floss. Lieblingsempfänger waren Regierungen | |
| wie die von Gabuns Altpräsident Omar Bongo, die eigentlich genug Geld | |
| hatten und die mit Pasquas Überweisungen gemeinsame Freunde beglückten. | |
| „Coopération 92“ wurde 2008 nach Pasquas Rückzug aus der Politik | |
| abgewickelt. Auch ein anderes von Pasqua gern genutztes Mittel funktioniert | |
| heute, in Zeiten des globalen Drucks für mehr Transparenz in der | |
| Finanzwelt, nicht mehr so gut: der Aufbau von Wettbüros und Kasinos in | |
| Afrika, über die große Mengen Gelder gewaschen werden konnten. | |
| Solche Einrichtungen betrieben auch Angehörige der korsischen Mafia. Der | |
| neueste afrikanische Präsident, dem eine verdächtig enge Freundschaft zu | |
| einem solchen Korsen nachgesagt wurde, ist der 2013 in Mali gewählte | |
| Ibrahim Boubacar Keita – sein Land ist der derzeitige Haupteinsatzort des | |
| französischen Militärs in Afrika. | |
| Francafrique als Geschäftsmodell gilt heute als tot. Dafür sorgte unter | |
| anderem die Privatisierung des staatlichen französischen Ölkonzerns Elf ab | |
| 1994 und die darauffolgenden spektakulären Afrika-Korruptionsprozesse in | |
| Frankreich. Ab dann führte Pasqua nur noch Rückzugsgefechte, vor allem vor | |
| Gericht. | |
| Die Ära der „Paten“ in der französischen Politik, zu denen Pasqua | |
| zweifellos zählte, ist ohnehin vorbei. Bei jeder Neugründung gaullistischer | |
| Parteien in Frankreich war Pasqua beteiligt. Noch Ende Mai saß Pasqua in | |
| der ersten Reihe, als Nicolas Sarkozy, Pasquas politischer Ziehsohn erst in | |
| Hauts-de-Seine und dann in Frankreich insgesamt, die Republikaner als | |
| neueste Version des französischen Gaullismus aus der Taufe hob. Es sollte | |
| sein letzter Auftritt werden. Am Montagabend ist Charles Pasqua im Alter | |
| von 88 Jahren gestorben. | |
| 30 Jun 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Dominic Johnson | |
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