# taz.de -- Korruptions-Skandal in Frankreich: Noch nicht aus der Bredouille | |
> Die Bettencourt-Affäre ist noch nicht vorbei. Arbeitsminister Eric Woerth | |
> droht jetzt eine Anklage vor Gericht, damit gerät auch Sarkozy wieder in | |
> Verlegenheit. | |
Bild: Würde derzeit vermutlich am liebsten untertauchen: Frankreichs Staatsche… | |
PARIS taz | Vielleicht hatte der französische Präsident Nicolas Sarkozy | |
gehofft, die Jagdszene der Vertreibung von Roma-Familien aus Frankreich | |
lasse wenigstens während den Sommertagen etwas Gras über die für ihn sehr | |
unangenehme Affäre Bettencourt-Woerth wachsen. Diese Rechnung geht so nicht | |
auf. | |
Gestern wurde bekannt, dass sein Arbeitsminister Eric Woerth mit einem | |
neuen gerichtliche Verfahren rechnen muss. Der Generalstaatsanwalt des | |
Kassationsgerichts, Jean-Louis Nadal, prüft auf Antrag der ehemaligen | |
Umweltministerin und Anwältin Corinne Lepage, ob Woerth wegen des Verdachts | |
auf Begünstigung und Amtsmissbrauch vor dem Sondergericht Cour de Justice | |
de la République zur Verantwortung gezogen werden soll. Die Anwältin und | |
Europaabgeordnete Lepage meint, dass auf Druck der Staatspitze der normale | |
Gang der Justiz behindert werde: "Von Beginn weg werden die üblicherweise | |
zuständigen Justizorgane umgangen." Die Verfassung ermögliche es aber dem | |
Generalstaatsanwalt des Kassationsgerichts, tätig zu werden und die | |
Prozedur der Cour de Justice in Gang zu setzen. | |
Diese außerordentliche Instanz ist seit 1993 zuständig für Vergehen oder | |
Verbrechen, die von Regierungsmitgliedern in Ausübung ihres Amtes begangen | |
worden sein könnten. Das Gericht hatte 1999 den ehemaligen Premierminister | |
Laurent Fabius und dessen Staatssekretär für Gesundheit wegen des Skandals | |
mit HIV-verseuchter Bluttransfusionen freigesprochen. Einige Jahre später | |
wurde ein Staatssekretär für die Behinderten wegen Unterschlagung | |
öffentlicher Gelder zu drei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Derzeit | |
ist vor diesem politischen Spezialgericht noch ein Verfahren gegen den | |
früheren Innenminister Charles Pasqua wegen Waffenschiebereien anhängig. | |
Über Woerths eventuelle Anklage als früherer Finanzminister muss eine aus | |
Richtern des Kassationshofs zusammengesetzte Kommission entscheiden. | |
Normalerweise dauert das lange. Es ist ja keine alltägliche Sache, einem | |
amtierenden Minister, der das Vertrauen des Präsidenten genießt, den | |
Prozess zu machen. Generalstaatsanwalt Nadal hat in Nanterre schriftlich | |
die Akten der in der Sache Bettencourt gegen Woerth geführten Ermittlungen | |
bestellt. Da der dortige Staatsanwalt, Philippe Courroye, ein persönlicher | |
Freund des Staatschefs ist, bestand die Befürchtung, dass die für Woerth | |
oder Sarkozy kompromittierenden Erkenntnisse unter den Teppich gekehrt | |
werden könnten. Mit der Einmischung des Generalstaatsanwalts ist diese Tür | |
jetzt weithin geschlossen. Woerth ist also noch längst nicht aus der | |
Bredouille. | |
Der für seine Unabhängigkeit bekannte Nadal hat auch den Bericht der | |
Pariser Finanzdirektion angefordert, die Woerth als ihrem ehemaligen | |
vorgesetzten Finanzminister bescheinigt hatte, er habe sich nicht | |
persönlich in die Steuerangelegenheiten der LOréal-Erbin Liliane | |
Bettencourt (83) eingemischt. Die Multimilliardärin hatte im Zuge der | |
Ermittlungen einräumen müssen, einen Steuerbetrug begangen zu haben. Sie | |
hatte überdies die Regierungspartei UMP und auch Woerths eigenen | |
Förderverein mit legalen Spenden bedacht. Nach Angaben einer früheren | |
Buchhalterin erhielten zahlreiche Politiker seit Jahren aber auch Bargeld | |
unter der Hand. Fragwürdig wird Woerths Rolle, weil er als Minister | |
zugleich auch Schatzmeister der UMP war und weil seine Gattin Florence | |
angeblich auf seinen Wunsch hin in Bettencourts Vermögensverwaltung | |
angestellt wurde. Deren Chef, Bettencourts Vermögensberater Patrick de | |
Maistre, bekam von Minister Woerth mit der Zustimmung Sarkozys die | |
Auszeichnung der Ehrenlegion. Auch dies ist Gegenstand von Ermittlungen. | |
Die ganze Affäre war geplatzt, weil ein Butler Gespräche zwischen Liliane | |
Bettencourt und ihren Beratern heimlich aufgezeichnet hatte. Darin ist viel | |
vom Fotografen François-Marie Banier die Rede. Ihm hatte die großzügige | |
Bettencourt insgesamt eine Milliarde Euro geschenkt. Zudem sollte er auch | |
noch ihr Universalerbe werden. Unter dem Druck des Skandals hat sie nun ihr | |
Testament geändert. Sie habe verstanden, dass sie Banier genug gegeben | |
habe, erklärte dazu der Anwalt Georges Kiejman. Bettencourts Tochter | |
Françoise Meyers führt gegen Banier einen Prozess und verlangt, dass | |
Urteilsvermögen ihrer Mutter ärztlich überprüfen zu lassen. | |
29 Aug 2010 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
## TAGS | |
Afrika | |
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