# taz.de -- Tage der Architektur in Berlin: „Es wird gemeckert, teilweise zu … | |
> Christine Edmaier, Präsidentin der Architektenkammer, will mehr | |
> Verdichtung als Neubauten auf der grünen Wiese. Heute und morgen stehen | |
> viele Gebäude offen. | |
Bild: Erfolgreich umgenutzt: die Malzfabrik, umgesetzt von ioo Elwardt & Latter… | |
taz: Frau Edmaier, am Wochenende veranstaltet die Berliner | |
Architektenkammer den zwanzigsten Tag der Architektur in Berlin. Ist das | |
ein Grund zur Freude oder eher nicht? | |
Christine Edmaier: Das ist auf jeden Fall ein Grund zur Freude. Es hat sich | |
gezeigt, dass es ein wenig dauert, bis sich solche Formate etablieren. Aber | |
wir verzeichnen Jahr für Jahr immer mehr Zulauf. | |
In Berlin werden 91 Projekte vorgestellt. Welche sind das? | |
Das sind zum Teil Führungen durch Gebäude, aber auch offene Büros, wo man | |
den Architekten über die Schulter schauen kann. In den vergangenen Jahren | |
war es oft nicht so einfach, die Kollegen, vor allem die bekannten Büros, | |
dazu zu bewegen, da mitzumachen, schließlich gibt es hier ohnehin | |
zahlreiche Veranstaltungen zum Thema Architektur und Städtebau. Aber das | |
klappt nun auch, und vor allem für die Jüngeren ist das auch eine gute | |
Werbung. | |
Im Gegensatz zum Publikumszuspruch ist das öffentliche Interesse an | |
Architektur rückläufig. Vor zwanzig Jahren wurde erbittert über die | |
Architektur der Friedrichstadt gestritten, heute ist es eher still | |
geworden. | |
Heute wird eher gemeckert, teilweise auch zu recht. Es wird wenig | |
inhaltlich gestritten, vielleicht sogar zu wenig. Themen, über die man | |
streiten könnte, gibt es aber genug. | |
Vielleicht liegt das auch daran, dass immer die gleichen Stars bauen. | |
Soeben hat der neue Investor des Tacheles bekannt gegeben, dass er das Büro | |
Herzog & de Meuron ins Rennen schickt. Und zwar ohne einen Wettbewerb. Ist | |
das der Trend? | |
Ich sag es mal vorsichtig: Natürlich versucht man als Investor, über eine | |
gute Architektur von der Verwaltung Zugeständnisse zu bekommen. | |
Welche? | |
Dass man zum Beispiel mehr bauen darf. Das ist das, was Investoren | |
interessiert. Bislang hat man das eher über Wettbewerbe gemacht, weil man | |
solche Fragen auch im Wettbewerbsverfahren aushandeln konnte. Aber es gibt | |
natürlich auch den Weg, dass man gleich einen Star präsentiert. Eine | |
gewisse Tendenz ist das schon. | |
Was bedeutet das für die jungen Architekten? | |
(lacht) Dass sie sich beeilen müssen, möglichst schnell ein Star zu werden. | |
Das geht natürlich nicht. Oder bei Stars zu arbeiten. Es gibt die berühmten | |
Büros, die werden immer größer. Das sind inzwischen Größen, die es in | |
Deutschland früher nicht gab. Mehrere hundert Mitarbeiter. Das ist ein | |
Konzentrationsprozess, den wir gerade beobachten. | |
Das Meckern, von dem sie sprechen, betrifft ja unter anderem das Umfeld des | |
Hauptbahnhofs, wo eine Fassade der anderen gleicht. | |
Es gibt einen Mainstream, der noch aus der Zeit des ehemaligen | |
Senatsbaudirektors Hans Stimmann stammt. Also Natursteinfassaden, teilweise | |
plastisch, teilweise langweiliger. Und über all entsteht der gleiche | |
Städtebau. Das sind Bauten, die zu klein sind, um ein richtiger Blick zu | |
sein und zu groß, um ein Gebäude zu sein. Es soll immer gleich ein kleines | |
Viertel sein, das ist es aber nicht. | |
Ein großes Thema ist inzwischen der Wohnungsbau. | |
Da hat eine Wohnungsbaugesellschaft gerade in einem Wettbewerb den Nachweis | |
gefordert, schon mal ein zehnstöckiges Wohnhochhaus gebaut zu haben. Das | |
ist kurios, weil in Berlin Wohnhochhäuser bis vor Kurzem gar nicht | |
genehmigt wurden. | |
Und auf der Elisabethaue in Pankow soll die Gartenstadt des 21. | |
Jahrhunderts entstehen. Ist das noch zeitgemäß? | |
Ich hab nichts gegen Gartenstädte. Einige wollen sicher so wohnen. Aber | |
andererseits muss man sagen, dass wir von solchen Quartieren in Berlin | |
schon sehr viele haben. Ich bin mir nicht sicher, ob das das Lebensmodell | |
der Zukunft ist. Die meisten wollen inzwischen in die Innenstadt. Wenn man | |
schon am Stadtrand baut, müsste man eher in Stadtteilen wie Rudow oder | |
Waidmannslust verdichten, als neue Quartiere zu bauen. | |
Rächt es sich jetzt, dass der Senat 2013 beschlossen hat, die | |
Internationale Bauausstellung Berlin zu streichen? Die sollte sich ja genau | |
mit dem Thema der Außenstädte beschäftigen? | |
Das ist sehr bedauerlich, dass die IBA nicht gekommen ist. Teilweise wurde | |
sie aber auch von den eigenen Kollegen und vielen Beteiligten zerredet, | |
bevor überhaupt das Konzept stand. Das ist nicht untypisch für Berlin, dass | |
man sofort kritisiert, bevor es im Ansatz fertig ist. Da muss man auch | |
selbstkritisch sein. Nun geht alles nach Nullachtfünfzehn. Und nach Geld. | |
Selbst der Bausenator sagt: Architektur wäre ganz schön, können wir uns | |
aber nicht leisten. | |
In Osteuropa, aber auch in Asien werden zunehmend Wohntürme gebaut. Könnte | |
dies auch ein Trend für Berlin und Deutschland sein? | |
Was uns als Architekten interessiert, ist, ob man ein Hochhaus bauen kann, | |
das nicht so hochpreisig ist wie bisher. Da wird es in Zukunft Lösungen | |
geben müssen. Da kann die Leipziger Straße durchaus ein Vorbild sein. Das | |
ist ein spannendes Thema. | |
26 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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