# taz.de -- Machtkampf bei Windkraft-Entwickler: Bis die Polizei kommt | |
> Ein Machtkampf zwischen dem Vorstand und einem Großaktionär: Die | |
> Hauptversammlung der Firma PNE endet mit Chaos – und einer Razzia. | |
Bild: Mehr Sturm als Wind hat die PNE derzeit zu verkraften. | |
Hannover taz | Die Polizei kam um kurz nach Mitternacht in die Cuxhavener | |
Kugelbake-Halle. Gerufen von aufgebrachten Aktionären, sicherten die | |
Beamten Wahlunterlagen und elektronische Stimmgeräte der Hauptversammlung | |
des Windpark-Entwicklers PNE, der nördlich der Nordsee-Inseln Norderney und | |
Juist etwa die Offshore-Anlage „Gode Wind“ geplant hat. Doch das | |
Aktionärstreffen der früher unter dem Namen „Plambeck Neue Energien“ | |
bekannten Firma war in dieser Nacht zum vergangenen Mittwoch längst im | |
Chaos versunken. | |
In einem mehr als zwölfstündigen Sitzungsmarathon hatten sich Anhänger und | |
Gegner von PNE-Vorstandschef Martin Billhardt und Großaktionär Volker | |
Friedrichsen nichts geschenkt: Anträge, Gegenanträge, wütende Reden. Am | |
späten Abend warf der Versammlungsleiter, der frühere niedersächsische | |
SPD-Wirtschaftsminister und heutige PNE-Aufsichtsratsvize Peter Fischer, | |
einfach hin. | |
Was folgte, beschreiben Teilnehmer als „Tumult“. Völlig genervt hätten | |
„Investoren“ sogar das längst geschlossene Kugelbaken-Restaurant | |
aufgebrochen, um an Alkohol zu kommen, sagte zumindest PNE-Firmensprecher | |
Scott McCollister zur taz. | |
Schlaglichtartig beleuchtet dieser Showdown den firmeninternen Machtkampf, | |
den sich Vorstandschef und Großaktionär schon seit Monaten liefern. PNE | |
hatte 2013 die Husumer Windkraft-Firma WKN von Friedrichsen übernommen. Der | |
einstige Deutschland-Chef des Windanlagen-Herstellers Vestas wurde zum Teil | |
mit PNE-Aktien bezahlt. In Cuxhaven wurde er so zum Großaktionär, zog in | |
den Aufsichtsrat ein – und störte sich bald an großzügigen Zahlungen an die | |
Vorsitzenden von PNE-Vorstand und -Aufsichtsrat. Denn nicht nur die im | |
Geschäftsbericht 2014 genannte „Gesamtvergütung“ von Firmenchef Billhardt | |
war mit 1,38 Millionen Euro äußerst üppig. Oberkontrolleur Dieter Kuprian | |
kassierte 229.000 Euro – und bekam als Aufsichtsratschef der übernommenen | |
WKN noch einmal 112.000 Euro oben drauf. | |
## Gegenseitige Vorwürfe | |
Dabei hat PNE nicht nur 2014 Verluste von 13 Millionen Euro eingefahren. | |
Schwarze Zahlen habe die mittelständische Firma mit ihren gerade einmal 400 | |
Mitarbeitern und einem Umsatz von 210 Millionen Euro nur in vier von zwölf | |
Quartalen eingefahren, meckerte Aktionär Friedrichsen gegenüber der Welt: | |
„Angewidert“ sei er von der Kasse machenden Verwaltung des | |
Windkraftentwicklers, gab er zu Protokoll. Vorstandschef Billhardt konterte | |
mit Vorwürfen gegen Friedrichsen: Windparkprojekte von dessen WKN seien | |
überbewertet gewesen, so Billhardt – von seinem Großinvestor fordert er bis | |
heute Schadenersatz von 6,2 Millionen Euro. | |
Vor der Hauptversammlung hagelte es deshalb Rücktrittsforderungen: | |
Friedrichsen stehe wegen des Schadenersatz-Schiedsverfahrens in einem | |
„dauerhaften Interessenkonflikt“ mit PNE, so Billhardt. Zusammen mit zwei | |
Gefolgsleuten müsse er deshalb aus dem Aufsichtsrat verschwinden. | |
Friedrichsen, der vor der Hauptversammlung kontinuierlich PNE-Aktien | |
zugekauft hat, warf dagegen Aufsichtsratschef Kuprian, dessen Vize Fischer | |
und einem weiteren Kontrolleur mangelnde Distanz zur Unternehmensleitung | |
vor – und forderte die Aktionärsversammlung seinerseits zur Abberufung der | |
drei auf. Da der PNE-Aufsichtsrat nur sechs Mitglieder umfasst, wären damit | |
die Tage Billhardts als Firmenchef wohl gezählt gewesen. | |
## Instrumentalisierung der Staatsanwaltschaft? | |
Doch wie die Anteilseigner abgestimmt haben, ist bis heute nicht zu | |
erfahren. Nach dem Chaos, das Friedrichsens Seite für strategisch | |
inszeniert hält, beendete Billhardt nach Mitternacht das Aktionärstreffen, | |
ohne ein Ergebnis bekannt zu geben – schließlich waren die Investoren für | |
Dienstag und nicht für Mittwoch eingeladen. | |
Ein Termin für eine neue Hauptversammlung steht bis heute nicht fest. Kaum | |
denkbar ist allerdings, dass der firmeninterne Kleinkrieg bis dahin | |
entschärft wird, zumal die Staatsanwaltschaft Stade wegen | |
Urkundenunterdrückung und -fälschung eine Untersuchung eingeleitet hat. Die | |
dürfte nicht leicht werden, fürchten die Ermittler schon heute: „Wir müssen | |
aufpassen“, so der Stader Staatsanwalt Burkhard Vonnahme zur taz, „dass wir | |
nicht instrumentalisiert werden.“ | |
22 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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