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# taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Tür an Tür mit Katrin
> Was will uns das Groupietum der Grünen Fraktionsvorsitzenden Katrin
> Göring-Eckardt eigentlich sagen?
Bild: Katrin Göring-Eckardt, grüne Fraktionsvorsitzende und Carpendale-Groupie
Pelzig wollte ihr gerade ein neues Glas hinstellen, als Katrin
Göring-Eckardt (Die Grünen) intervenierte: „Kann ich das von Howard
Carpendale haben?“
Der Moderator der Plaudersendung „Pelzig hält sich“ (ZDF) war im Begriff
abzulehnen. Doch da schnurrte die Spitzenpolitikerin: „Och, bitteeeee!“
Der Grünen Wille ist ihr Himmelreich, dachte sich Pelzig und schob ihr das
Glas rüber, das soeben noch Popstar Carpendale, 69, abgeschlabbert hatte.
Vermutlich glaubte Pelzig da noch, das habe etwas mit Ökoeffizienz oder
einer neuen grünen Moralenzyklika zu tun. Weit gefehlt. Göring-Eckardt, 49,
erfüllte sich ganz offenbar einen kinky Groupietraum.
Es war so: In der Thüringer Tanzschule von Katrins Eltern lief zu
DDR-Zeiten Carpendales [1][70er-Jahre-Superhit „Tür an Tür mit Alice“] in
heavy rotation. Sie habe das früher „dreitausendmal“ gehört. „Das ist
sooooo drin in mir“, seufzte sie, „und wenn ich jetzt noch sein Glas …“
Na, und dann trank die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Deutschen
Bundestag Pelzigs grüne Bowle aus Howies Glas, und die Sonne ging auf in
ihrem Gesicht. Und man weiß gar nicht, ob es daran lag, dass sie ihre
Performance für extrem gelungen hielt oder weil es sie wirklich total
kickte. Ich denke mal, Letzteres. Berechnung wird ihr ja oft genug
unterstellt. So einen extraordinären Abgrund hingegen hätte auch der
Abgebrühteste nicht von ihr erwartet.
## Avantgardistisch oder windkraftfeindlich?
Aber weil parteiintern alles auf geheime Strategien abgetastet wird, lautet
die große grüne Frage: Ist Göring-Eckardts Aktion korrekt, unkonventionell,
sozial, liberal, progressiv, bewahrend und emanzipatorisch oder womöglich
sogar avantgardistisch und zukunftsweisend?
Sowohl die Realo-Grünen als auch der linke Flügel dürften sich schwer damit
tun, das in ihre jeweilige Programmatik einzuordnen. Die Grüne Jugend hat
es offenbar noch nicht mitgekriegt, sonst hätte Theresa Kalmer längst ein
Howard-Carpendale-Trinkglas-Verbot zur Abwendung des grünen Neoliberalismus
gefordert.
In der Tat stellen sich Fragen. Zum einen könnten abgehobene grüne
Mittelschichtseltern gesundheitliche Bedenken haben und das Trinken aus
benutzten Gläsern als problematisches Leitbild für ihre Blagen einschätzen.
Zum anderen könnte es Diskussionen geben, ob Howie in seinen Songs
angemessene Leitbilder widerspiegelt.
„Das schöne Mädchen von Seite eins / das will ich haben und weiter keins.“
Ist das womöglich zu hetero- und oberflächenfixiert? „Du fängst den Wind
niemals ein.“ Ist das windkraftfeindlich? In „Hello Again“ heißt es: „…
Jahr lang war ich ohne dich / ich brauchte diese Zeit für mich.“ Geht man
in grünen Partnerschaften so miteinander um, oder ist das Zeitpolitik des
21. Jahrhunderts? In „Wie frei willst du sein“ säuselt Carpendale: „Doch
wie frei willst du sein, ohohoho?“ Eine zentrale Frage der grünen
Gegenwart.
Und dann ist da noch etwas: Auch Gregor Gysi (Die Linke) hat 2012 beim
Göttinger Parteitag aus einem benutzten Glas getrunken. Allerdings nicht
aus dem von Howie. Dennoch eine Gemeinsamkeit, auf die man Rot-Grün-Rot
aufbauen kann?
Das alles schreit förmlich nach einem Schlagerkongress und einer
Grundsatzrede von Göring-Eckardt.
Oder man nimmt ernst, was Carpendale in „Tür an Tür mit Alice“ postuliert:
„Sie hat wohl ihre Gründe / und es geht misch auch nichts an.“
19 Jun 2015
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=_cZjDO2Gnm4
## AUTOREN
Peter Unfried
## TAGS
Katrin Göring-Eckardt
Bündnis 90/Die Grünen
Schlager
Satire
Grüne
DFB-Pokal
Fußball
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