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# taz.de -- Projekt gegen das Nichtschwimmertum: Pack die Badehose ein
> Fast die Hälfte aller Neuköllner Drittklässler kann sich trotz Unterricht
> nicht über Wasser halten. Der „Neuköllner Schwimmbär“ soll das ändern.
Bild: Schwimmen macht so viel Spaß - wenn man‘s kann.
Stolz steht Yagmur am Beckenrand des Kombibads Gropiusstadt in der
Lipschitzallee: Die Zweitklässlerin aus der Neuköllner Sonnen-Grundschule
hat sich getraut – sie ist gesprungen. Es ist Yagmurs erster
Schwimmbadbesuch, ohne die Auftriebhilfe um ihre Hüften könnte sie sich
nicht über Wasser halten. Und Yagmur ist kein Einzelfall. Rund 40 Prozent
der Neuköllner Mädchen und Jungen können am Ende der dritten Klasse nicht
schwimmen. Das sind fast doppelt so viele wie im Berliner Durchschnitt von
knapp 19 Prozent Nichtschwimmern.
Nun will der Bezirk mit dem Pilotprojekt „Neuköllner Schwimmbär“
gegensteuern: 500 Zweitklässler sollen an jeweils drei Projekttagen pro
Klasse wasserfest gemacht werden. Insgesamt sechs Projektwochen sind für
diesen Testlauf mit elf Schulen veranschlagt, den Bezirksbürgermeisterin
Franziska Giffey (SPD) am Mittwoch vorstellte. Perspektivisch soll das
Projekt, das sich aus Bezirksgeldern und einem Sondertopf für Schulen in
schwieriger Lage finanziert, ausgebaut werden.
Man wolle vor allem „ein Stück Aufholarbeit“ leisten, sagte Giffey. Gerade
in sozial schwierigen Kiezen fehle es seitens der Eltern an einem
Bewusstsein dafür, die Kinder beim Schwimmenlernen zu unterstützen. Zudem
spiele das Schwimmen „als Kulturtechnik“ in den migrantischen Communitys
oftmals keine große Rolle, so Giffey weiter. Die Leidtragenden: vor allem
muslimische Mädchen, bei denen die Eltern dem gemischten Schwimmbadbesuch
skeptisch gegenüberstehen. Wenn die Eltern nicht können oder wollen, müsse
eben der Staat „Verantwortung zeigen“, meint der zuständige Bezirksstadtrat
Jan-Christopher Rämer (SPD). „Immerhin geht es hier ja auch um eine
Überlebenstechnik.“
Denn wer bis zur dritten Klasse nie im Schwimmbad oder am See gewesen ist,
habe es schwer, in einem Schuljahr richtig schwimmen zu lernen, sagt Marco
Guhl. Der Neuköllner Schulsportleiter hat das „Schwimmbär“-Projekt
gemeinsam mit dem Schulamt des Bezirks und zwei Schwimmtrainerinnen der SG
Neukölln entwickelt.
## Nicht viel Zeit im Wasser
Beim regulären Schwimmunterricht – lediglich eine Schulstunde pro Woche ist
vorgesehen – kämen bis zu 15 SchülerInnen auf eine Lehrkraft, hinzu kommt
dann oft noch Unterrichtsausfall. „Da bleibt am Ende nicht viel Zeit im
Wasser übrig“, sagt Guhl.
Bei „Schwimmbär“ dagegen betreut eine Trainerin nur fünf Kinder. Zwar
könnten die am Ende der drei Projekttage noch lange nicht schwimmen, räumt
Trainerin Daniela von Hoerschelmann ein, doch sei das erste
Schwimmabzeichen Seepferdchen auch gar nicht das Ziel: „Wir wollen
erreichen, dass die Kinder ihre Angst vor dem Wasser verlieren.“ Ob mit
Schwimmhilfen oder ohne – je nach Können und Selbstvertrauen –, bewege man
sich mit den Kinder vor allem im tiefen Wasser. Dabei wolle man den Spaß an
der Bewegung im Wasser vermitteln und das Selbstvertrauen stärken: „Viele
haben sich am Anfang nicht mal getraut, den Kopf kurz unter Wasser zu
tauchen“, sagt von Hoerschelmann.
Davon ist jedoch am Mittwoch, zur Halbzeit der ersten Projektwoche, schon
nicht mehr viel zu sehen. Mit Anlauf springen die Kinder vom Beckenrand.
3 Jun 2015
## AUTOREN
Anna Klöpper
## TAGS
Schwimmunterricht
Neukölln
Schwimmunterricht
EGMR
Inklusion
DDR
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