# taz.de -- Medizingeräte bei Schlafapnoe: Bei Beatmung Tod | |
> Die Geräte sollen Menschen mit Atemstillständen während des Schlafs | |
> helfen. Sie erhöhen bei manchen PatientInnen das Sterberisiko. | |
Bild: Die Leiterin des Schlaflabors im Klinikum Nürnberg demonstriert die Anbr… | |
BERLIN taz | Die Geräte sollten helfen, plötzliche Atemstillstände während | |
des Schlafs zu verhindern und auf diese Weise Leben retten: sogenannte | |
adaptive Servoventilatoren (ASV) der australischen Medizinproduktefirma | |
ResMed, die auch in Deutschland eingesetzt werden. Die Medizinprodukte | |
sehen aus wie Gesichtsmasken mit Schnorchel und können für jeden Atemzug | |
ihres Benutzers Einatmungs- und Ausatmungsdruck präzise bestimmen. Gerät | |
die Atmung aus dem Gleichgewicht, verändern sie automatisch ihre | |
Druckunterstützung und wenden so die Gefahr einer Sauerstoffunterversorgung | |
ab. Ein Segen – glaubte man über ein Jahrzehnt. | |
Doch nun haben klinische Studien des Herstellers ResMed ergeben: | |
Ausgerechnet von den Geräten, die das Sterberisiko senken sollen, geht | |
tödliche Gefahr aus: Es bestehe ein „schwerwiegendes Sicherheitsrisiko“, | |
warnte Mitte Mai das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte | |
(BfArM) in Bonn. Patienten empfahl die Aufsichtsbehörde dringend, sich an | |
ihre Ärzte zu wenden. | |
Bei solchen Patienten nämlich, die nicht nur an zentraler Schlafapnoe | |
leiden, sondern außerdem noch an einem schwachen Herzen (Insuffizienz), ist | |
das Risiko, zu sterben, um 33,5 Prozent höher, wenn sie das Atemgerät | |
benutzen, als wenn sie komplett darauf verzichten, warnte das BfArM. | |
Vorausgegangen war eine siebenjährige klinische Studie des Herstellers an | |
1.325 Patienten. „Uns hat dieses Studienergebnis sehr bestürzt – zu sehen, | |
dass unsere Therapie das Risiko der Sterblichkeit nicht nur nicht löst, | |
sondern es sogar noch erhöht“, sagte Holger Woehrle, Medical Director | |
Europe von ResMed, der taz. | |
## Lieferungen gestoppt | |
Lieferungen seien bis auf Weiteres gestoppt; für Patienten könne es – nach | |
Rücksprache mit ihrem Arzt – geboten sein, auf die Beatmungsmasken ganz zu | |
verzichten. Das Beunruhigende: Derzeit, so Woehrle, „gibt es keinen Hinweis | |
auf einen technischen Defekt am Gerät.“ | |
Vielmehr vermutet der Hersteller „einen medizinischen Effekt“. | |
Möglicherweise beeinflusse der Eingriff in die Atmung die | |
Stress-Hormon-Balance bei dieser einen Patientengruppe so ungünstig, dass | |
manche Patienten versterben. Der Hersteller Philips will seine Geräte nun | |
auch überprüfen. | |
Bis Ergebnisse vorlägen, solle bei Patienten der Risikogruppe die | |
Beatmungstherapie abgebrochen beziehungsweise erst gar nicht begonnen | |
werden, riet Philips. Wie viele Beatmungsgeräte verkauft werden, legen die | |
verschiedenen Hersteller mit Verweis auf Wettbewerbsdruck nicht offen. | |
## Betrifft nur Patienten mit Herzinsuffizienz | |
Die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin, die | |
Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und die Deutsche Gesellschaft für | |
Kardiologie betonten unterdessen, dass sich die Sicherheitshinweise | |
ausschließlich auf Patienten mit zentraler Schlafapnoe in Kombination mit | |
Herzinsuffizienz bezögen. Deutschlandweit, schätzen Schlafmediziner, sind | |
das etwa 3.000 bis 5.000 Menschen. Therapiealternativen sind nach Auskunft | |
der medizinischen Fachgesellschaften für diese Gruppe allerdings „nur | |
eingeschränkt verfügbar“. | |
So weit, so unbefriedigend. Warum aber wurde das Risiko erst jetzt erkannt? | |
Seit 2001 werden die ResMed-Geräte in Europa eingesetzt – das sind 14 | |
Jahre. 14 Jahre, in denen möglicherweise Menschen gestorben sind, ohne auch | |
nur zu ahnen, dass das Gerät, dem sie vertrauten, ihnen mehr schadete als | |
nutzte. „In den vergangenen 15 Jahren hat die Schlafmedizin eine rasante | |
Entwicklung genommen“, hält Holger Woehrle dagegen. | |
Erst seit Kurzem werde die Schlafapnoe überhaupt in Verbindung mit anderen | |
Krankheiten untersucht. Das heißt: Als das Gerät auf den Markt kam, waren | |
lediglich seine Fähigkeiten zur Regulierung nächtlicher Atemaussetzer | |
untersucht – nicht aber eventuelle Risiken im Fall, dass weitere | |
Erkrankungen bestehen. | |
4 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Heike Haarhoff | |
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