# taz.de -- Kirchen und die Ehe für alle: Traut euch endlich! | |
> In etlichen Landeskirchen ist der kirchliche Segen für homosexuelle Paare | |
> längst gängige Praxis. Doch das ist längst nicht überall so. | |
Bild: Ob sie wohl bald heiraten? Seit dem Referendum in Irland dürfen sie es | |
Wenn ich als Pfarrerin ein lesbisches oder ein schwules Paar segne, dann | |
segne ich dieses Paar mit denselben Segensworten wie bei einer | |
heterosexuellen Trauung. Viele Theologen und Theologinnen sehen das | |
mittlerweile genauso. Sie sind sich darüber einig, dass in beiden Fällen | |
theologisch und liturgisch – also im Hinblick auf den Ablauf im | |
Gottesdienst – dasselbe geschieht. Der einzige Unterschied ist tatsächlich | |
die sexuelle Orientierung des Paares. | |
Deshalb haben mittlerweile Landeskirchen wie die Evangelische Kirche in | |
Hessen und Nassau daraus Konsequenzen gezogen und die Segnungsliturgie | |
eines gleichgeschlechtlichen Paares der Trauliturgie angepasst. Andere | |
Landeskirchen sind ihnen darin gefolgt oder werden noch folgen. Davon bin | |
ich überzeugt. Die Diskussionsprozesse, die in Kirchenvorständen und den | |
Kirchenparlamenten, also den Synoden, dazu abgehalten werden, sind aber | |
langwierig. | |
Auf der einen Seite stehen Landeskirchen wie die erwähnte Evangelische | |
Kirche in Hessen und Nassau, die schon seit 2003 lesbische und schwule | |
Paare in kirchlichen Gottesdiensten segnet. Kirchliche Mitarbeitende haben | |
dort keine Nachteile aufgrund ihrer sexuellen Orientierung zu fürchten. Im | |
Gegenteil. | |
Lesbische Pfarrerinnen und schwule Pfarrer, die in anderen Landeskirchen | |
noch Schwierigkeiten haben, ihre Partnerschaft offen zu leben, werden dort | |
gerne aufgenommen. Es zählt die fachliche Qualifikation, nicht die | |
Lebensform. Die Landessynode der Evangelischen Kirche in | |
Berlin-Brandenburg, schlesische Oberlausitz plant sogar, im Jahr 2016 die | |
kirchliche Trauung für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen. | |
## Unnatürlich und schöpfungswidrig | |
Auf der anderen Seite gibt es aber auch Landeskirchen wie die | |
Evangelisch-Lutherische Kirche in Württemberg, die nach wie vor keine | |
offizielle Partnerschaftssegnung von lesbischen und schwulen Paaren | |
vorsieht. Lesbische und schwule Geistliche werden nicht gleichbehandelt, | |
auch nicht zu einem offenen Lebensstil ermutigt. | |
Bei vielen regiert wohl noch die Angst vor dem Unbekannten und dem Fremden. | |
Statt den direkten Kontakt mit denen zu suchen, um die es geht, und | |
miteinander zu reden, verschanzt man sich hinter biblischen Halbversen, die | |
Homosexualität verbieten oder für sündig halten. Bei dem Thema geht es aber | |
vor allem um das Aufrechterhalten der traditionellen Ehe und Kleinfamilie. | |
Gleichgeschlechtliche Partnerschaften werden als Angriff auf die | |
heterosexuelle Ehe angesehen. Die Vorrangstellung der Ehe wird mit der | |
Feststellung verteidigt, dass die heterosexuelle Ehe allein mit der | |
Fortpflanzungsfähigkeit ausgestattet und daher in besonderer Weise zu | |
schützen sei. Dass in lesbischen und schwulen Partnerschaften und | |
Regenbogenfamilien seit Jahren viele Kinder leben, wird hier komplett | |
ausgeblendet. | |
Und dann gibt es da noch die sogenannte Komplementaritätsthese. Mann und | |
Frau sind danach von Natur aus prinzipiell verschieden, weswegen angeblich | |
nur die Einheit von Mann und Frau in der Ehe eine schöpfungsgemäße | |
Ergänzung darstellen kann. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften werden | |
demgegenüber als defizitär, unnatürlich und schöpfungswidrig angesehen. | |
## Bereicherung durch Unterschiede | |
Allerdings ist das Signal, das die Spitze der EKD mit ihrem umstrittenen | |
Familienpapier „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“ 2013 ausgesendet | |
hat, eindeutig. Trotz aller Kritik, die es daran gegeben hat: Sie steht | |
dazu, dass Regenbogenfamilien genauso Familien sind wie heterosexuelle. | |
Sie sind schützenswert und keine Familien zweiter Klasse. Diese Aussage ist | |
wichtig. Und was ich richtig gut finde: Der ethische Diskurs, den die | |
Orientierungshilfe losgetreten hat, richtet sich letztlich an alle. Wie | |
wollen wir Partnerschaft und Familie leben? Partnerschaftlich und | |
gleichberechtigt oder nicht? Mit Respekt, Loyalität und Fürsorge | |
füreinander oder nicht? | |
Machen wir die Augen zu vor sexualisierter Gewalt in Ehe und Familie, vor | |
Missbrauch und vielfältigen Abhängigkeiten in Ehe und Familie oder nicht? | |
Diese Themen sind hochaktuell und gehen alle an. Sie lassen sich nicht auf | |
die eine oder andere sexuelle Orientierung oder Genderidentität reduzieren. | |
Es wird wohl noch lange Debatten und Auseinandersetzungen über | |
unterschiedliche Lebensformen sowie deren Gemeinsamkeiten und Unterschiede | |
geben. Ehrlich gesagt finde ich das auch gar nicht schlimm. Eine komplette | |
Vereinheitlichung wie etwa in Schweden macht die Situation alleine noch | |
nicht besser. Auch die Vorurteile sind damit noch nicht vom Tisch. Es geht | |
doch vielmehr darum, die vorhandenen Unterschiede ernst zu nehmen, sie aber | |
nicht mehr als Bedrohung, sondern als Bereicherung zu erleben und | |
anzuerkennen. | |
## Ein starkes Signal | |
Aber die evangelischen Kirchen könnten zur Abwechslung einmal mit mutigem | |
Beispiel vorangehen, statt gesellschaftlichen Veränderungen immer nur um | |
mehrere Schritte hinterherzuhinken. Wenn in allen evangelischen | |
Landeskirchen Partnerschaftssegnungen und kirchliche Trauungen identisch | |
wären und sie das auch couragiert nach außen kommunizieren würden, wäre das | |
ein starkes Signal in die Zivilgesellschaft hinein. | |
Zudem sind die evangelischen Landeskirchen wichtige Arbeitgeber. Wenn | |
eingetragene Partnerschaften von allen Landeskirchen rechtlich, finanziell | |
und steuerlich wie Eheschließungen betrachtet würden, dann hätte das | |
Auswirkungen weit über kirchliche Grenzen hinaus. | |
Es würde die juristische Diskussion über die Gleichstellung stärken und die | |
kirchliche Solidarität mit Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen | |
unterstreichen. Schließlich könnten evangelische Landeskirchen natürlich | |
auch als kritische GesprächspartnerInnen von politischen Gremien und | |
Ausschüssen in die Debatte einwirken. | |
3 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Kerstin Söderblom | |
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