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# taz.de -- Politische Bildung im Fernsehen: Reality-TV als Aufklärung
> Die Bundeszentrale für politische Bildung will zur politischen Teilhabe
> ermuntern. Sie investiert ins Unterhaltungsfernsehen.
Bild: RTL II-Moderatorin Sandra Schneiders (li.) im Einsatz bei den Helden
„‘Warum läuft die so rum, wir sind hier in Deutschland. Kann die sich nicht
anpassen?‘ So was habe ich auch schon oft ins Gesicht gesagt bekommen. Nur
finde ich, dass anpassen nichts mit der Kleidung zu tun hat. Es gibt so
viele Hippies in der Stadt, die auch nicht dem ‚Standard‘ entsprechen. Sind
die etwa auch nicht angepasst? Nein bei denen ist das ‚Freiheit‘! Ich bin
auch frei mit meinem Kopftuch.“
Das schrieb letzten November eine junge Muslima auf der [1][Facebook-Seite
von „50667 Köln“]. Zuvor hatte in der Serie eine Darstellerin das
Experiment unternommen, sich eine Zeitlang stets mit Kopftuch in der
Öffentlichkeit zu zeigen. Der Post, in dem es um die Folge ging, wurde
550.000 Mal aufgerufen – ein Rekordwert für das Social-Media-Angebot der
Soap.
Das verdanken die Macher der Reihe einer Behörde: Die [2][Bundeszentrale
für politische Bildung] (bpb) beauftragt zuweilen Fernsehproduktionsfirmen,
Formate zu entwickeln oder bestimmte Inhalte in bestehende Formate zu
integrieren.
Damit will das Amt seit 2009 „im außerschulischen Bereich Gruppierungen
erreichen, die sich mit den traditionellen Mitteln der Bildung nicht
erreichen lassen und die wir zu politischer Teilhabe in der Gesellschaft
ermuntern möchten“. So formuliert es der Präsident Thomas Krüger. Zuvor war
über Studien nachgewiesen worden, dass TV das Leitmedium bildungsferner
Schichten ist.
## „Was sollen wir da? Was sind das für Leute?“
Als deutsche Unterhaltungsproduzenten vor Jahren dann eine Einladung der
Bundeszentrale erhielten, haben sie sich schon einigermaßen gewundert: „Was
sollen wir da? Was sind das für Leute? Und – wissen die, was wir tun?“ Sie
wussten es. Denn, so Felix Wesseler von der Firma Filmpool, der als
Produzent für „50667 Köln“ verantwortlich ist: „weil sie nicht mit dem
erhobenen Zeigefinger vorgehen und den Produzenten auch alle Freiheiten
lassen, weil sie erkannt haben, dass wir unsere Zielgruppe gut kennen“. Und
sie waren auch bereit, mitzufinanzieren. Rund 400.000 Euro pro Jahr
investiert die Bundeszentrale mittlerweile in „zielgruppenspezifische“ TV-
und Web-Formate.
Filmpool bekam die Förderung für „50667 Köln“. „Wir haben das Unterneh…
unterstützt, einen Themenstrang zu Alltagsrassismus zu entwickeln“, erklärt
der Referent im Fachbereich Zielgruppenspezifische Angebote Clemens
Stolzenberg. „Wir informierten dabei die Redaktion und die Autoren zum
Thema und bereiteten für sie aktuelle Studienergebnisse auf.“
Ergebnis war dann die Folge mit dem Kopftuchexperiment, deren Wirkung
direkt in den sozialen Medien ablesbar war. Besonders interessant für die
Initiatoren der bpb: Es kamen auch Gruppen zu Wort, die im
„gesellschaftlichen Diskurs“ sonst kaum auftauchen.
Ein regelrechtes Product-Placement, so Wesseler, führte die bpb bei „Berlin
Tag & Nacht“ durch, wo der Wahl-O-Mat in die Handlung eingebaut wurde. In
Echtzeit schnellten die Nutzerzahlen des Informationstools während der
Episode in sechsstellige Bereiche. Das Thema Wahl war kurz vor der
vorletzten Bundestagswahl mit „Sido geht wählen“ auch so etwas wie die
Initialzündung für das Engagement im Unterhaltungs-TV.
Hinzu kommen Aktivitäten im Netz: Bei den regelmäßigen bpb-Treffen sind
auch YouTuber gern gesehene Gäste. Aus dieser Verbindung entstanden
Kampagne wie [3][“YouTuber gegen Nazis“] oder [4][“25 Jahre Mauerfall“].
Aktuell startet am 14. Juni die zweite Staffel eines Formats, das die
Behörde nach einer Ausschreibung selbst in Auftrag gegeben hatte: [5][“Zeit
für Helden“ auf RTL II]. Hier werden Passanten mit von Schauspielern
gestellten Situationen konfrontiert, in denen etwa lesbische Paare
beschimpft oder Behinderte verunglimpft werden. „Es geht um Zivilcourage
und Bürgermut, zu denen wir die jungen Menschen anregen möchten“,
beschreibt Stolzenberg. Für die Macher der Reality-Sendung von SEO
Entertainment kam der Erfolg des Formats eher überraschend. Jetzt sind sie
froh, denn, so Geschäftsführer Uwe von Grafenstein: „Wir haben etwas
produziert, das relevant ist und wirklich Sinn macht.“
4 Jun 2015
## LINKS
[1] http://de-de.facebook.com/pages/Koeln-50667/498982640143940
[2] http://www.bpb.de/
[3] http://www.bpb.de/veranstaltungen/format/aktion/174479/youtuber-gegen-nazis
[4] http://www.bpb.de/presse/190128/25-jahre-mauerfall
[5] http://www.rtl2.de/sendung/zeit-fuer-helden-und-was-machst-du
## AUTOREN
Wilfried Urbe
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Homophobie
Unterhaltungsfernsehen
Bundeszentrale für politische Bildung
Wahl-O-Mat
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Islam
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Schule
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