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# taz.de -- ESC-Kolumne Genderwahn in Wien #9: Im Kamerafuttersilo
> Ein „Anti-Buh-Programm“ soll beim ESC in Wien Unmutsbekundungen
> herausfiltern. Leider wird das wohl auch funktionieren.
Bild: Gab es Missfallensbekundungen? Die lettische Sängerin Aminata.
Dass der Eurovision Song Contest ohne seine schwulen Supporter – aus
diesjährig fünf dutzend Ländern – eine Irgendwieshow wäre und womöglich
längst den Tod aller überlebten Entertainmentformate gestorben wäre, ist
nun voriges Jahr auch dem letzten heterosexuellen Vollpfosten klargeworden.
Conchita Wurst, von der [1][in der taz.am wochenende] noch in ganz anderen
Hinsichten die Rede sein wird, konnte gewinnen, weil der ESC die einzige
queere Familienshow ist – wie der wunderbare Medienanalytiker Stefan
Kuzmany auf Spiegel-Online vor drei Monaten schrieb. Nun hätte man in
früheren Jahren gedacht: Na, wenn die Schwuppen das nun zu ihrem Ding
gemacht haben, dann sind sie bestimmt zufrieden. So'n bisschen an den
Trögen des eurovisionären Medienglamours – ist doch auch schön, nicht wahr?
Das hatten sich die Verantwortlichen der European Broadcasting Union und
seine ESC-Abteilung in Genf so ähnlich vorgestellt. Man hat nichts gegen
Regenbogenfahnen im Publikum, aber sie sollen bitte nicht politisch werden.
So wie voriges Jahr in Kopenhagen beim ESC. Als die Tolmatschewa-Zwllinge
für Russland die Bühne beim Halbfinale betraten, hörte man das deutliche
Buhen und Muhen von vielen tausend Zuschauern in der B&W-Halle im rotten
Hafengebiet der dänischen Hauptstadt.
Das waren Pfiffe nicht gegen die eher blassen Chanteusen, sondern,
selbstverständlich, als Protest gegen das Putin-Regime – und seine
antihomosexuellen Gesetze. Im Finale wiederholte sich die Prozedur: Das
Publikum machte seinen politischen Herzen Luft.
Bei der BBC-Show zum 60. ESC im Frühjahr in London musste man, weil der
russische ESC-Sieger Dima Bilan mit einigen Muhs und vor allem dröhnender
Stille unwillkommen geheißen wurde, um den Verkauf ans russische Fernsehen
nicht zu gefährden, sogar die Unmutsbekundungen aus der Aufzeichnung
herausschneiden.
## Technische Akustikkorrektoren
Hier in Wien hat man vorgesorgt: Die EBU wird alles unternehmen, damit das
Publikum in der Wiener Stadthalle nicht als protestierendes hörbar wird:
Die Verantwortlichen des ESC bei der EBU haben [2][vorsorglich ein
„Anti-Buh-Programm“ installiert.]
Das sind technische Akustikkorrektoren, die ähnlich wie Photoshop wie in
der Lichtbildnerei die Möglichkeit einräumen, missliebige Tonspuren zu
unterdrücken. Jamo Sim, Mitglied der Redaktionsgruppe von eurovision.tv,
das der EBU unterstellt ist, und deren Sprecher, sagte: „Es ist das erste
Mal, dass wir so etwas vorbereitet haben. Wir wollen vorbereitet sein
alles, aber wir haben die große Erwartung, dass nichts von dem, was
befürchtet werden kann, passieren wird.“
Jamo Sim führt noch aus, dass der ESC eine Show sei, die von friedlichem
Miteinander lebe und nicht von Kritik an einzelnen Künstlern – wie etwa
dieses Jahr die Sängerin Polina Gagarina, die mit dem Friedenslied „A
Million Voices" auf der nach oben offenen George-Orwell-Lügsprechskala neue
Höhen markiert.
Sicher scheint: Das Publikum möge Kamerafutter sein, aber keines, das mehr
dürfte als nur entgrenzt zu jubeln. Im Finale am Samstag werden wir sie
wiedersehen: Polina, die Russin im engelshaftigsten Auftritt seit langem.
Buhs und Muhs ... man wird von ihnen über Twitter und Facebook nur hören.
P.S.: Im zweiten Halbfinale kamen alle Favoriten durch – aber nicht
Tschechien mit Marta und Vacláv. Dafür: Schweden, Israel, Slowenien,
Norwegen, Aserbaidschan, Polen, Zypern, Montenegro, Lettland und Litauen.
22 May 2015
## LINKS
[1] /Ausgabe-vom-23/24-Mai-2015/!160300/
[2] http://www.dailymail.co.uk/news/article-3089648/Eurovision-song-contest-ins…
## AUTOREN
Jan Feddersen
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ESC 2015
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