# taz.de -- Kommentar Hamburger Sportverein: Alles endet, nur das HSV-Elend nic… | |
> Zu viele Enttäuschungen und überhaupt keine Freude. Für HSV-Fans ist | |
> bereits das Leben die Hölle – darum meiden sie den klubeigenen Friedhof. | |
Bild: Eine ästhetische Beleidigung: das HSV-Maskottchen | |
Unter großem Marketingradau wurde 2008 auf dem Hauptfriedhof Hamburg-Altona | |
eine Begräbnisstätte eigens für HSV-Fans hergerichtet. Der Totenacker ist | |
der legendären Westkurve nachgebildet und liegt nahe dem Volksparkstadion, | |
das heute Imtech Arena heißt und leider keine Westkurve mehr hat. | |
Wenn man dieser Tage ein Symbol für den Niedergang des Hamburger | |
Sport-Vereins sucht, hier kann’s gefunden werden: In sieben langen Jahren | |
wurden keine sieben Gräber in das fußballfeldgroße Areal gebuddelt. | |
Andernorts möchte man vielleicht über den Tod hinaus seinem Verein die | |
Treue halten. Für Anhänger des HSV ist dies jedoch schon im Leben die | |
Hölle. | |
Sie haben einfach zu viel Peinlichkeit erfahren müssen, zu viel Groteskes | |
gesehen, zu viele Enttäuschungen und überhaupt keine Freude erlebt. | |
Bescheiden geworden, erwarten sie von ihrem Team schon lange keinen Titel, | |
sie erwarten überhaupt nichts mehr. Sie können sich nicht mal vorstellen, | |
dass es je ein Ende haben wird mit dem Dilettantismus im Vorstand, dem | |
Spreizsenkplattfußball der Truppe, mit den Durchhalteparolen und faulen | |
Ausreden. Alle Ungläubigen sollten hierher, zum „HSV-Grabfeld“, kommen, um | |
zu erkennen, dass es für alles auf Erden ein Ende gibt. | |
Durch das Maigrün der Linden ist eine Tribüne des Stadions zu sehen und | |
zwischen deren Stahlträgern eine blau-weiß-schwarze Raute. Die war einmal | |
das Markenzeichen des Klubs, bevor blinder Aktionismus sein heutiges wurde. | |
Kennt irgendwer die Namen aller Übungsleiter, die in den vergangenen fünf | |
Spielzeiten verschlissen wurden? Als Bruno Labbadia im April Joe Zinnbauers | |
Posten übernahm, tweetete ein Spaßvogel, der HSV habe in dieser Saison mehr | |
Trainer als Punkte gesammelt. Spott und Hohn, dafür ist dieser Verein noch | |
gut. Aber sonst? | |
## Vier Jahrzehnte ewiger Treue | |
Es ist recht still auf dem HSV-Friedhof, kaum eine Amsel verirrt sich | |
hierher. Am Samstag dürfte es allerdings noch einmal laut herüberwehen aus | |
dem Stadion, das Fluchgebrüll und Wehgeschrei der Fans. Denn dann wird sich | |
gegen Schalke 04 entscheiden, ob der Hamburger Sport-Verein absteigen muss | |
oder – sofern Paderborn nachhilft – die Chance auf Relegationsspiele | |
erhält. Das wäre purer Dusel, doch kein Glück. | |
Jedenfalls nicht für mich. | |
Es ist bald vier Jahrzehnte her, dass ich dem HSV ewige Treue schwor. | |
Damals kam Kevin Keegan, die mächtige Maus, an die Elbe und leitete eine | |
Dekade des Glanzes, des Glücks und der Glorie ein. Der HSV – | |
beziehungsweise, wie der maulfaule Hansestädter lispelt, „Haffau“ – | |
sammelte alle Titel ein, die zu haben waren, und spielte unter der genialen | |
Regie Ernst Happels Fußball wie von einem anderen Stern. | |
Mit „Aschyls“ Abschied 1987 begann der zähe Untergang des Haffau, eine | |
Schmierseifenoper mit Dutzenden überbezahlten, unterbelichteten | |
Darstellern. Hin und wieder, unter Frank Pagelsdorf und Thomas Doll, mit | |
dem jungen Rafael van der Vaart oder dem reifen Rodolfo Cardoso, schien es, | |
als könne der Klub zu alter Größe zurückfinden. Aber bereits in der | |
nächsten Spielzeit dominierte wieder nur die Großkotzigkeit eines Jürgen | |
Hunke, Bernd Hoffmann oder Pierre-Michel Lasogga. | |
## Fetter Plüschdino vor dem Aus | |
Ich bin diese Figuren so leid, dass ich mit dem Haffau nicht mal mehr | |
leiden kann. Und ich freue mich sehr darauf, die dämlichste aller Figuren | |
bald nie mehr sehen zu müssen: Hermann, das Knuddelmaskottchen. Dieser | |
fette Plüschdino – eine ästhetische Zumutung für jeden Dreijährigen und | |
eine Unverschämtheit gegen den verewigten Masseur der Profiabteilung | |
Hermann Rieger – soll das einzige Plus des Vereins verkörpern, nämlich die | |
Zugehörigkeit zur Bundesliga seit ihrer Gründung. Wer um Himmels willen | |
kommt bloß auf die Idee, sich ein ausgestorbenes Tier als Glücksbringer zu | |
wählen? Nur der HSV. | |
Auf dem Heimweg vom Friedhof kehre ich im Stadion-Eck ein, um ein Bier zu | |
trinken. An den Wänden hängen Fan-Schals und Fotos aus besseren Zeiten. | |
Niemand hat Lust, über den Schicksalstag zu reden. Eine Frau, die genauso | |
viele Jahre auf der Welt sein dürfte, wie der HSV in der Bundesliga ist, | |
erzählt mir stattdessen, sie habe soeben an einer Beisetzung teilgenommen. | |
„Der Tod“, sagt sie mit tapferem Lächeln, „hat auch was Positives.“ We… | |
das kein passendes Schlusswort ist. | |
23 May 2015 | |
## AUTOREN | |
Kay Sokolowsky | |
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