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# taz.de -- Linker griechischer Anwalt Ladis: "Die Regierung steht vorm Umsturz"
> "Der Polizist hat direkt auf den Jungen geschossen", sagt Szeneanwalt
> Harry Ladis über den Tod des 15-jährigen Alexis Grigoropoulos.
Bild: Auch am Montag kam es in Griechenland zu Ausschreitungen.
taz: Herr Ladis, was ist Samstagnacht im Athener Stadtteil Exarchia
passiert?
Harry Ladis: Wir wissen von Augenzeugen, dass es zu einer verbalen
Auseinandersetzung zwischen einer Gruppe von Jugendlichen, die dort wie
üblich auf der Straße rumhingen, und zwei Polizisten eines Streifenwagens
kam. Ein absolut nichtiges Ereignis also. Die Situation habe sich beruhigt,
aber fünf Minuten später sollen die beiden Polizisten zu Fuß zurückgekommen
sein, gedeckt von einer Sondereinheit, die im Hintergrund blieb. Wieder sei
es zu einem verbalen Gefecht gekommen, und dann habe einer der Polizisten
drei Schüsse direkt auf den Jungen abgegeben. Er war auf der Stelle tot.
Dem gingen keine Gewalttätigkeiten voraus?
So wie die Augenzeugen übereinstimmend berichten - nichts.
Die Polizei sagt, sie habe Warnschüsse abgegeben und ein Querschläger habe
den Jungen getroffen.
Ja, der festgenommene Polizist behauptet, zur Abschreckung zweimal in die
Luft und einmal auf den Bürgersteig geschossen zu haben. Das ist nicht nur
völlig absurd, sondern wird weder von einem Augenzeugen bestätigt noch von
einem Amateurvideo, das von dem Abend existiert.
Was für ein Viertel ist Exarchia?
In den Achtzigern war das eine Hochburg der Anarchisten. Nachdem Teile des
Viertels in den Neunzigern yuppisiert wurden, war es zwischendurch etwas
ruhiger geworden. In den letzten Jahren wurde Exarchia wieder zu einem
Treffpunkt für Anarchisten, Linksradikale usw. Dabei kam es immer wieder zu
Auseinandersetzungen, weil Polizeiminister Vyron Polydoras die Polizei dazu
ermunterte, die Szenetreffpunkte zu räumen.
Wer ist jetzt auf der Straße?
Was jetzt passiert, ist wirklich etwas Einmaliges. Es waren zwar die
anarchistischen Gruppen, die zuerst auf der Straße waren - zwei Stunden
nach dem Mord brannte es in zehn Städten . Aber dann haben sich viele
Studenten und Schüler den Protesten und auch den Krawallen angeschlossen.
Und als Banken und Autofirmen brannten, haben normale Bürger, die von ihrem
Balkon zugesehen haben, geklatscht.
Woher kommt diese Wut?
Es gibt großen sozialen Unfrieden: wegen der Krise, der Arbeitslosigkeit
und der vielen Skandale dieser Regierung. Hinzu kommt, gerade in Athen und
Thessaloniki, der Ärger über das repressive Auftreten der Polizei.
Wer ist militanter - griechische Polizisten oder griechische Anarchisten?
Das kann man so nicht so sagen. Jedenfalls hat sich die Polizei in den
letzten Tagen zurückgehalten, weil selbst konservative Fernsehsender sich
weniger mit den Krawallen als mit dem Tod des Jungen beschäftigt haben. Das
war ein Schock für ganz Griechenland.
Wäre es jetzt nicht angebracht, dass die Anarchisten auf ihre Gewaltrituale
verzichten, um ihre Anliegen besser zu vermitteln?
Es gibt diese Rituale. Diese Krawalle aber waren etwas anderes, sie waren
spontan und originell. Und viele Bürger sagen: Das geht nicht, dass ein
15-jähriger Junge erschossen wird, weil er einen Polizisten beleidigt hat.
Wie geht es weiter?
Heute haben die Schüler gestreikt, am Dienstag ist die Beerdigung, und für
Mittwoch war schon vorher ein Generalstreik geplant. Ich glaube, wir stehen
kurz vor dem Umsturz dieser Regierung.
9 Dec 2008
## AUTOREN
Deniz Yücel
## TAGS
Griechenland
Anarchisten
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Athen
Hausbesetzer
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