# taz.de -- Finanzkrise in Griechenland: Keine Heilung auf Rezept | |
> Griechenlands Gesundheitswesen steht vor dem Zusammenbruch. Apotheken und | |
> Kassen sind überschuldet, Medizin und Behandlungen gibt es nur noch gegen | |
> Bargeld. | |
Bild: Aus Protest für 24 Stunden geschlossen: Apotheke in Athen. | |
ATHEN taz | Die Finanzkrise in Griechenland bedroht immer stärker das | |
Gesundheitswesen. Seit Tagen beliefern die Großhändler von Medikamenten und | |
medizinischem Material Krankenhäuser nur noch gegen Barzahlung. Auch in | |
Apotheken werden Medikamente nur noch per Vorkasse ausgegeben. Besonders | |
für finanziell Schwache – wie die Rentner – in Griechenland, wird die | |
Situation immer bedrohlicher. | |
Yoannis Markopoulos aus Athen etwa ist 93 Jahre alt und schwer krank, jeden | |
Monat braucht er Medikamente für 250 Euro. Er kann nicht mehr selbstständig | |
aufstehen und muss gepflegt werden. Bis vor Kurzem hat seine 88-jährige | |
Frau Maria dies übernommen. | |
„Wir hätten die Pflegekraft selbst bezahlen müssen, dieses Geld wollte ich | |
sparen.“ Doch beim Heben ihres Mannes klemmte sich die zierliche alte Dame | |
einen Nerv ein. Fast 900 Euro im Monat müssen sie nun für die täglichen | |
Besuche der Pflegekraft aufbringen, hinzu kommen etwa 50 Euro für | |
regelmäßige Besuche des Arztes. | |
Finanziell überfordert das die beiden Rentner, denen zusammen nur 1.300 | |
Euro im Monat zur Verfügung stehen. Jetzt sind sind auf die Unterstützung | |
ihres | |
60-jährigen Sohns Kostis angewiesen, der in einer Computerfirma arbeitet. | |
Doch dessen Arbeitsplatz ist nicht sicher. „Sein Gehalt wurde bereits | |
zweimal gekürzt, von 1.500 auf mittlerweile 750 Euro“, sagt Maria | |
Markopoulou. „Ich weiß auf lange Sicht nicht, wie wir das alles bezahlen | |
sollen. Ich habe Angst.“ | |
Hunderttausende Versicherte der Eoppy, der größten gesetzlichen | |
Krankenkasse Griechenlands, müssen ihre Medikamente in der Apotheke bar | |
bezahlen. Erst anschließend können sie sich mit der Quittung an ihre | |
Krankenkasse wenden. | |
## Verzweifelte Mütter und Söhne | |
„Das ist vor allem am Monatsende immer eine sehr traurige Angelegenheit. | |
Jedes Mal sehe ich verzweifelte Mütter, Söhne, Alte an der Kasse mit den | |
Apothekern verhandeln“, sagt Markopoulou. | |
Die Eopyy ging 2011 aus dem Zusammenschluss kleinerer gesetzlicher Kassen | |
hervor, die allesamt verschuldet waren. Auf 2 Milliarden Euro summieren | |
sich die Außenstände der Eoppy, 270 Millionen schuldet sie Apothekern im | |
ganzen Land, 800 Millionen Privatkliniken, Ärzten und Krankenhäusern. | |
Medizinische Ausgaben kann sie nicht mehr vorstrecken. Das monatliche | |
Budget, das die Eopyy für ihre Versicherten ausgeben kann, wurde drastisch | |
gekürzt. | |
Dennoch will der Staat weitere verschuldete gesetzlicher Krankenkassen mit | |
der Eopyy verschmelzen. Die Verwaltung soll so verschlankt werden, die | |
Finanzproblem werden sich verschärfen. Apotheker weigern sich mittlerweile, | |
Medikamente und Untersuchungen auf Rezept zu gewähren. | |
## Apotheker gehen pleite | |
Das Risiko, dass die Eopyy ihre Rechnung nicht bezahlt, ist zu hoch. „Ich | |
verstehe das. Die Apotheker müssen ihre Familie ja auch ernähren,“ sagt die | |
Rentnerin Markopoulou. Tatsächlich gingen viele Apotheken bereits pleite. | |
Denn auch sie und die Krankenhäuser beziehen die Medikamente per Vorkasse | |
von den Pharmaunternehmen. | |
Auch viele ÄrztInnen untersuchen ihre PatientInnen nur noch gegen Bares. | |
„Ich hoffe, dass wir nicht noch mal ins Krankenhaus müssen“, sorgt sich | |
Markopoulou: „Das würde unser Budget sprengen.“ Denn auch im Krankenhaus | |
müssen Pflegekräfte bezahlt werden, wenn man nicht selbst Hand anlegen | |
kann. | |
„Das alles sind unwürdige Zustände“, sagt Markopoulou. Sie hatten sich ihr | |
Leben im Alter anders vorgestellt. Ein Altern in Würde, ohne ständiges Hin- | |
und Herrechnen, ohne auf die Unterstützung des Kinds angewiesen zu sein. | |
„Es ist mir jedes Mal unangenehm, dass ich von meinem Sohn Geld annehmen | |
muss“, sagt Maria leise. | |
5 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Theodora Mavropoulos | |
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