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# taz.de -- Forschung an der Kölner Uniklinik: Im Auftrag der Pharmaindustrie
> Die Kölner Uniklinik forscht im Auftrag der Bayer AG. Im Vertrag ist die
> Entwicklung und Testung von neuen Medikamenten vereinbart. Viel mehr
> verrät die Uniklinik nicht.
Bild: Bayer kooperiert verschwiegen mit der Kölner Hochschule.
Für Wissenschaftspolitik zeichnet in der Regierung Nordrhein-Westfalens
Andreas Pinkwart verantwortlich. Der FDP-Politiker, der früher als
Professor an der Uni Siegen Betriebswirtschaft lehrte, nennt sich seit
dreieinhalb Jahren "Innovationsminister". Noch ziemlich neu ist das seit
2008 in NRW gelten- de Hochschulmedizingesetz. Es bezweckt, den Unikliniken
mehr wirtschaftliche Spielräume zu eröffnen und die Zusammenarbeit mit
privaten Unternehmen anzuregen und zu erleichtern.
Beispielhaft bestätigt sieht Minister Pinkwart seine Politik durch ein
"Preferred Partnership Agreement", das die Universität Köln und der
Pharmakonzern Bayer vereinbart haben. "Hinsichtlich der Entwicklung und
klinischen Testung neuer Substanzen" werde der Bayer-Teilkonzern HealthCare
künftig "jeweils prüfen, ob sich Studien in enger Zusammenarbeit mit der
Uniklinik Köln realisieren lassen", gaben die sich gegenseitig
bevorzugenden Partner im März 2008 bekannt.
Die Kooperation, die mittelfristig zu neuen Präparaten gegen Krebs,
neurologische Leiden und Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen soll, wolle
sich Bayer pro Jahr einen "soliden sechsstelligen Betrag" kosten lassen.
Außerdem fördert der Konzern ein Partnerschaftsprojekt, das laut
Bayer-Vorstandsmitglied Wolfgang Plischke "einzigartig in ganz Deutschland"
ist: das "Graduiertenkolleg Pharmakologie und Therapieforschung", in dem
junge Wissenschaftler an der Kölner Uni promovieren können. In diesem Jahr
sollen die ersten Doktoranden starten - und Forschungsgebiete vorantreiben,
die Bayer sehr interessieren, nach Meinung Plischkes aber "hierzulande
unterrepräsentiert" sind: "Toxikologie, Tiermodell-Entwicklung und
Identifikation von Biomarkern".
Substanzielle Früchte wird die "bevorzugte Partnerschaft" wohl frühestens
in einigen Jahren tragen können, aber Kritiker haben sich bereits zu Wort
gemeldet. Die pharmakologische Forschung an der Kölner Uniklinik könnte nun
"nach rein wirtschaftlichen Kriterien" ausgerichtet werden, befürchten zehn
Verbände und studentische Interessenvertretungen, darunter der Verein
demokratischer Ärztinnen und Ärzte, die Buko-Pharma-Kampagne, medico
international und die Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG).
Zwecks Klärung haben sie die Kölner Hochschulleitung mit einem offenen
Brief aufgefordert, den Kooperationsvertrag mit der Bayer AG "vollständig
offen zu legen" und einen Fragenkatalog zu beantworten.
Die Verbände unter Federführung der CBG wollen zum Beispiel erfahren, wer
die Patente an den angestrebten Arzneientwicklungen erhalten wird und ob
die Kölner Hochschule sich womöglich verpflichtet hat, Verwertungsrechte im
Voraus an die Bayer AG abzutreten. Für potenzielle Studienteilnehmer
bedeutsam ist die Frage, ob die Uniklinik auch "fehlgeschlagene
Experimente" publik machen wird - oder ob unliebsame Ergebnisse nicht
veröffentlicht werden.
Derartige Zugeständnisse wären keine Überraschung für die
Buko-Pharma-Kampagne; sie verweist auf Beispiele aus den USA, die etwa der
Physiker und Philosoph Sheldon Krimsky bereits 2003 in seinem Buch "Science
in the Privat Interest" anschaulich beschrieben hat.
Die Fragen und Spekulationen zur Bayer-Connection stehen seit Mitte
November unbeantwortet im öffentlichen Raum - und die Kölner Uni ist
offenbar entschlossen, zu Details der Kooperation weiter zu schweigen.
Warum, erklärt Uni-Pressesprecher Patrick Honecker auf Nachfragen der taz
so: Sein Arbeitgeber stehe im Wettbewerb der Hochschulen um Drittmittel.
Würde der Wortlaut der Vereinbarung mit Bayer bekannt, könnten der Kölner
Uni möglicherweise wirtschaftliche Nachteile bei künftigen Verhandlungen
entstehen, weil ein veröffentlichter Vertrag möglichen anderen Partnern
zeigen würde, "auf welche Art und Weise mit uns kooperierbar ist". Die
Rechtsabteilung der Kölner Uni hält Vertragsinhalte laut Honecker für
Betriebsgeheimnisse; folglich hätten Unbeteiligte auch nach dem in NRW
geltenden Informationsfreiheitsgesetz (IFG) keinen Anspruch auf
Offenlegung.
Das IFG schließe aber keineswegs kategorisch aus, dass Bürger in Verträge
von Universitäten mit privaten Firmen schauen dürfen, sagt Bettina Gayk,
Pressesprecherin der Landesbeauftragten für Datenschutz und
Informationsfreiheit in NRW.
Ob die Kölner Hochschuljuristen ihr Agreement mit der Bayer AG zu Recht
unter Verschluss halten, könnten die Datenschützer allerdings erst dann
prüfen und beurteilen, wenn die Uni einen entsprechenden Informationsantrag
interessierter Personen erhalten und ablehnen würde. Bisher ist Gayk kein
derartiger Fall im Bundesgebiet bekannt geworden.
Gleichwohl liegen solche Pakte offensichtlich im Trend, zwei neue wurden
den Wissenschaftsredaktionen im November 2008 mitgeteilt: Erst
unterzeichneten das Hamburger Uniklinikum und die Wyeth Pharma GmbH einen
Vertrag für gemeinsame, "frühe klinische Studien". Dann meldeten das
öffentlich finanzierte Deutsche Krebsforschungszentrum und die Bayer
Schering Pharma AG ihre neue "strategische Allianz".
8 Jan 2009
## AUTOREN
Klaus-Peter Görlitzer
## TAGS
Schwerpunkt Bayer AG
Universität
Uni Köln
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