# taz.de -- Bundestag hebt Urteile auf: Rehabilitation für "Kriegsverräter" | |
> Der Deutsche Bundestag hat am Dienstag sämtliche "Kriegsverräter" aus der | |
> NS-Zeit rehabilitieren. Das Ringen um diesen Antrag ging über Jahre. | |
Bild: Der einstige Wehrmachtsdeserteur Ludwig Baumann wartet auf Rehabilitation. | |
BERLIN taz | 64 Jahre nach dem Ende des NS-Regimes hat der Bundestag am | |
Dienstag beschlossen, die im Zweiten Weltkrieg gegen Angehörige der | |
Wehrmacht wegen "Kriegsverrats" ergangenen Urteile sämtlich aufzuheben. | |
Bereits 2002 hatte die rot-grüne Bundesregierung alle Urteile gegen | |
Deserteure und Wehrdienstverweigerer nach langen und erbitterten | |
Auseinandersetzungen mit dem konservativen Lager pauschal aufgehoben. | |
"Kriegsverrat", also "im Felde" begangener Landesverrat war jedoch von | |
dieser Aufhebung ausdrücklich ausgeschlossen. Die Begründung: Es müsse | |
durch Einzelfallprüfung geklärt werden, ob die "Verräter" nicht den Tod von | |
"Kameraden" in Kauf genommen hätten. | |
Schon zu diesem Zeitpunkt war offensichtlich, dass die Gründe für die | |
Beibehaltung der Einzelfallprüfung haltlos waren. Der Militärhistoriker | |
Wolfram Wette kam in seiner Analyse der Kriegsverratsprozesse zu dem | |
Schluss, dass "Kriegsverrat" als universales Terrorinstrument von der | |
Nazi-Justiz eingesetzt wurde. Er fand keinen Fall, wo durch "Kriegsverrat" | |
das Leben von "Kameraden" gefährdet worden wäre. | |
2006 stellte die Bundestagsfraktion der Linken den Antrag, die Urteile | |
wegen "Kriegsverrats" summarisch aufzuheben. Hiergegen erhob sich | |
Widerspruch von konservativer Seite, obwohl es auch in der Union Stimmen | |
für die Pauschalaufhebung gab. | |
Keinesfalls wollte man sich aber einem Antrag seitens der Linkspartei | |
anschließen. Dies war auch das Motiv von SPD, FDP und Grünen, den Antrag | |
der Linken immer wieder von der Tagesordnung abzusetzen. | |
Für einen Sinneswandel innerhalb der Koalition sorgte ein Rechtsgutachten | |
des anerkannten Verfassungsjuristen und ehemaligen | |
Bundesverfassungsrichters Hans H. Klein, selbst ein Christdemokrat. Klein | |
argumentierte, der Paragraf 57 des Nazi-Militärstrafgesetzbuches, die | |
Rechtsgrundlage für die Urteile wegen "Kriegsverrats", sei mit | |
rechtsstaatlichen Prinzipien schlechterdings unvereinbar. | |
Sowohl die allein vorgesehene Todesstrafe als auch die völlige | |
Unbestimmtheit der Rechtsnorm seien hierfür der Beleg. Die Nazi-Justiz | |
wollte keine Straftat im Strafprozess ahnden, sondern Verräter an der | |
Volksgemeinschaft ausschalten. | |
Schließlich entschloss sich Schwarz-Rot zu einem eigenen Antrag. Dessen | |
Text war mit dem der Linkspartei nahezu identisch. Sie hat erklärt, dennoch | |
zuzustimmen. Ihr ginge es nicht ums Erstgeburtsrecht, sondern ums Ergebnis. | |
8 Sep 2009 | |
## AUTOREN | |
Christian Semler | |
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NS-Widerstand | |
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