# taz.de -- Prozess gegen "militante gruppe": Urteile wie verlangt | |
> Mit dreieinhalb Jahren Haft endet der Prozess gegen die letzte militante | |
> linksradikale Gruppe. Dabei bewies die Bundesanwaltschaft vor allem | |
> eines: ihre Ahnungslosigkeit über die "mg". | |
Bild: Vor dem Urteil: Die Angeklagten Oliver R. (r) und Florian L. (l) mit Rech… | |
BERLIN taz | Nichts war normal an diesem Prozess. Auch am Freitag, dem | |
letzten der 63 Verhandlungstage, stehen Polizeiwagen vor dem Berliner | |
Kammergericht, werden Besucher durch penible Einlasskontrollen gezwängt, | |
sitzen im Zuschauerraum bewaffnete Polizisten neben Linksautonomen. | |
Angeklagt sind drei mutmaßliche Mitglieder der heute einzigen | |
links-militanten Untergrundorganisation, der "militanten gruppe" (mg). | |
Als Richter Josef Hoch sein Urteil spricht, sitzen die drei Angeklagten | |
betont gelassen zwischen ihren sechs Anwälten im holzgetäfelten | |
Gerichtssaal. Axel H., 48-jähriger Sozialpädagoge, gräbt sich in seinen | |
schwarzen Kapuzenpullover. Der 37-jährigen Florian L., Altenpfleger, und | |
Oliver R., 37-jähriger Antiquariatsangestellter, stützen den Kopf in die | |
Hände. "Es gibt keinen Zweifel, dass die Angeklagten Mitglieder der | |
militanten gruppe sind", sagt Hoch. | |
Noch unbestrittener sei deren versuchte Brandstiftung an drei | |
Bundeswehrfahrzeuge in Brandenburg/Havel. Macht drei Jahre und sechs Monate | |
Haft für Axel H. und Oliver R. Sechs Monate weniger sind es für den | |
psychisch erkrankten Florian L. Nichts anderes hatte die Bundesanwaltschaft | |
für deren Mitgliedschaft in einer kriminellen Gruppe nach Paragraf 129 und | |
der versuchter schweren Brandstiftung gefordert. Durch die Fenster dringen | |
die Bässe der Solidaritätskundgebung vor dem Gerichtsgebäude. Im Saal fällt | |
nach dem Urteilsspruch kein Mucks. | |
Seit September 2008 saßen die drei, alle nicht vorbestraft, vor dem | |
Kammergericht. Nur am ersten Prozesstag verlas Axel H. eine Erklärung: | |
"Hier sitzen die falschen Leute auf der Anklagebank. Auf die Anklagebank | |
gehören Kriegstreiber, Kriegsbefürworter und Rüstungskonzerne. Sie sind die | |
kriminellen Vereinigungen. Sie sind anzuklagen." Dann schwiegen sie. | |
Bei dem versuchten Brandanschlag vom Juli 2007 in Brandenburg/Havel gab es | |
nichts zu deuteln. Ermittler, die hatten die Angeklagten nicht seit | |
Monaten, sondern auch am Tatort beobachtet. An den Brandsätzen fanden sich | |
DNA-Spuren der Angeklagten, an deren Rucksäcken Benzinspuren. Die | |
Verteidigung setzte denn auch auf die politische Aufladung der Tat - als | |
legitimer Widerstandsakt gegen die "völkerrechtswidrigen Kriegseinsätze" | |
der Bundesrepublik in Kosovo, Irak und Afghanistan. | |
Richter Hoch wischte das beiseite. Als Mitglieder der mg seien die | |
Angeklagten keine Antimilitaristen, sondern Gewaltbefürworter. Seit 2005 | |
und 2006 sollen Florian L., Oliver R. und Axel H. bei der Gruppe mitgewirkt | |
haben, so Hoch. Dafür sprächen eine Reihe von Beweisen: die Brandsätze im | |
mg-Stil (Marke "Nobelkarossentod") in Brandenburg/Havel, beschlagnahmte | |
Fotos von früheren mg-Anschlagszielen, ein bei Florian L. gefundenes, von | |
der mg verfasstes "Minihandbuch für Militante", ein Kalender, in dem | |
Einträge mit dem Stichwort "Auto" mit Anschlägen der mg zusammenfallen. | |
Zudem habe sich die mg seit der Verhaftung der drei Angeklagten in | |
"Schockstarre" befunden. Die Auflösung der Gruppe im Juli habe dagegen den | |
"durchsichtigen Zweck" der Entlastung der Angeklagten gehabt. | |
Alles nur Indizien und kaum nachprüfbare Informationen des | |
Verfassungsschutzes, monierten die Verteidiger. Die Verurteilung hätte von | |
Beginn an festgestanden. "Zu groß war der Druck, Erfolge in Sachen mg | |
vorweisen zu können", so Anwältin Undine Weyers. Akten seien der | |
Verteidigung nicht zugestellt worden, andere manipuliert gewesen, Zeugen | |
hätten gelogen. Am Ende kapitulierten die Anwälte und verzichteten auf ihr | |
Schlussplädoyer. | |
Tatsächlich offenbarte die Bundesanwaltschaft eines: Dass sie herzlich | |
wenig über die mg weiß. Ein V-Mann des Bundesverfassungsschutzes, der die | |
Angeklagten als Mitglieder der mg belastet hatte, musste einräumen, dies | |
nur vom "Hörensagen" zu wissen. BKA-Leute sagten mit Perücken und | |
angeklebten Bärten aus. Zwei Ermittler gestanden, selbst Texte im linken | |
Infoblatt Interim veröffentlicht zu haben, um die mg zu einer Reaktion zu | |
provozieren. "Mit einem rechtstaatlichen und fairen Verfahren hatte das | |
nichts zu tun", kritisiert Anwältin Weyers. Man werde in Revision gehen. | |
17 Oct 2009 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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Bundeswehr | |
Schwerpunkt Überwachung | |
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