# taz.de -- Die Geschichte der mg: Militant dahingewurschtelt | |
> Acht Jahre hielt die "militante gruppe" die Strafbehörden mit | |
> Brandanschlägen in Atem. Die linke Szene reagierte verhalten – | |
> Solidarität gab es nur bei "Repression". | |
Bild: Mit Brandanschlägen gegen "das System": Zerstörte Polizeiautos 2007 in … | |
BERLIN taz | Sie ist ein Phantom, die letzte militante Organisation der | |
linken Szene und eine Schmach für die deutschen Sicherheitsbehörden: die | |
"militante gruppe" (mg). Erstmals auf den Plan trat sie im Juni 2001. In | |
einem Drohbrief verschickte sie als "Diskussionsanregung" scharfe | |
Kleinkaliberpatronen an den Regierungsbeauftragten für die Entschädigung | |
von NS-Zwangsarbeitern, den FDP-Politiker Otto Graf Lambsdorff und zwei | |
Repräsentanten der Stiftung der deutschen Wirtschaft. "Auch Kugeln | |
markieren einen Schlussstrich" stand neben der Forderung, 180 Milliarden | |
D-Mark als Entschädigung zu zahlen. | |
Seither hat sich die mg zu 25 Anschlägen, zumeist in und um Berlin, bekannt | |
- ein gutes Dutzend weitere werden ihr angelastet. Nie griff sie Personen | |
direkt an, wohl aber flogen Brandsätze auf Polizei- und | |
Bundeswehrfahrzeuge, Sozialämter und Privatfirmen. Sachschäden von rund | |
840.000 Euro sollen dabei entstanden sein. In seitenlangen | |
Bekennerschreiben geißelte die Gruppe Kriegseinsätze, Strafprozesse gegen | |
Linke oder die Diskriminierung von Flüchtlingen. | |
Ermittelt wurde gegen die mg von ganz oben, vom BKA und Generalbundesanwalt | |
Kay Nehm und später seiner Nachfolgerin Monika Harms. Jahrelang suchten die | |
Behörden nach den Mitgliedern. Vor dem G-8-Gipfel in Heiligendamm 2007 | |
erhöhte die Bundesanwaltschaft noch einmal mit Durchsuchungen und | |
Festnahmen in der linken Szene den Fahndungsdruck. | |
Zwölf Personen verdächtigten die Behörden der Mitgliedschaft in der mg. Sie | |
alle wurden über Jahre mit umfassenden Überwachungsmaßnahmen überzogen: | |
abgehörte Telefone, Peilsender unter Autos, Videokameras vor | |
Privatwohnungen. Am Ende blieben nur Florian L., Oliver R., Axel H. - und | |
Andrej Holm. Gegen ihn laufen die Ermittlungen weiter, die übrigen | |
Verfahren wurden eingestellt. | |
Dass die drei jetzt Verurteilten den Ermittlern im Juli 2007 auf frischer | |
Tat ins Netz gingen, wurde als Durchbruch gefeiert. Im November 2007 | |
dampfte der Bundesgerichtshof die Anklage jedoch ein: Die Brandanschläge | |
der mg seien nicht geeignet, die Bundesrepublik erheblich zu gefährden, die | |
Organisation sei nicht als terroristische, sondern als kriminelle | |
Vereinigung anzusehen. Die drei Beschuldigten kamen auf Kaution aus der | |
Untersuchungshaft frei, die Bundesanwaltschaft blieb aber für das Verfahren | |
zuständig. | |
Die Brandanschläge auf Autos in Berlin hatten auch nach der Verhaftung der | |
drei keineswegs nachgelassen. Der Richter im mg-Prozess, Josef Hoch, | |
attestierte der mg, als Vorbild für die "fast alltäglichen" Brandstiftungen | |
gewirkt zu haben. Seit Jahresbeginn sind bereits 240 Fahrzeuge durch | |
Brandstiftungen beschädigt worden. Anders als bei der mg folgen jedoch nur | |
auf die wenigsten Anschläge Bekennerschreiben. Hinter Attacken auf | |
Luxusautos wird zumeist Protest gegen die Gentrifizierung Berlins vermutet. | |
Allerdings geht die Polizei davon aus, dass rund ein Drittel aller | |
Brandanschläge auf das Konto unpolitischer Nachahmer geht. | |
Das letzte Lebenszeichen der mg erfolgte im Juli dieses Jahres. In der | |
Untergrundzeitschrift radikal erklärte die Gruppe ihre Auflösung. | |
Bedauerlicherweise sei man aus einem "quasi autistischen Dahinwurschteln" | |
nie herausgekommen. Nun sei es an der Zeit, das Projekt in eine | |
"erweiterte, strukturelle Form überzuführen". Zugleich bekannten sich die | |
Autoren zu drei Anfang 2009 erfolgten Anschlägen. Die Gruppe habe sich nur | |
umbenannt, mit weiteren Aktionen müsse jederzeit gerechnet werden, glaubt | |
hingegen die Bundesanwaltschaft. | |
Die linke Szene reagierte auf die Aktionen der mg und ihre | |
schwülstig-autoritären Texte verhalten. Erst nach den Razzien 2007 gab es | |
breitere Solidarisierungseffekte. "Militante Gruppe, Salz in der Suppe" | |
wurde auf Demonstrationen skandiert. | |
Die Urteile gegen die Florian L., Oliver R. und Axel H. könnten die | |
Solidarität wieder befeuern. Selbst die Linkspartei-Abgeordnete Inge Höger | |
forderte unlängst einen Freispruch. Deren Aktion habe sich "lediglich gegen | |
den Kriegsprofiteur MAN" gerichtet, so Höger. "Gegen die aggressive | |
deutsche Kriegspolitik sind viele Initiativen nötig." Für Freitagabend | |
waren in Berlin, Stuttgart und Hamburg Protestkundgebungen angekündigt. | |
17 Oct 2009 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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