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# taz.de -- Streit um ZDF-Chefredakteur Brender: Die Drahtzieherin im Kanzleramt
> Wird Nikolaus Brender ZDF-Chef bleiben? Vermutlich nicht. Roland Koch ist
> beim Machtkampf nur die Speerspitze der Union – die Drahtzieherin sitzt
> im Kanzleramt.
Bild: Ein "Roter" ohne Demut vor der Macht: Noch-ZDF-Chef Nikolaus Brender (r.)…
Am Samstag wollte Nikolaus Brender beim Journalistentag der IG Medien in
Berlin sprechen. Über "Kompetenz, Wert und gesellschaftlichen Auftrag" des
Journalismus. Doch Mitte der Woche sagte der ZDF-Chefredakteur ab. Zu groß
die Wahrscheinlichkeit, dass der 60-Jährige selbst zum Thema geworden wäre.
Denn heute befindet der ZDF-Verwaltungsrat über die Verlängerung von
Brenders Vertrag. ZDF-Intendant Markus Schächter wird Brender den vierzehn
ZDF-VerwaltungsrätInnen als einzigen Kandidaten vorschlagen, und die
Unionsparteien werden mit ihrer Mehrheit Schächter auflaufen lassen.
Wortführer ist Roland Koch (CDU), wobei Hessens Ministerpräsident
mindestens so sehr in eigenem Interesse handelt wie im Auftrag des
Kanzleramts. Angela Merkel gilt als Drahtzieherin. Brender ist ihr zu
unbequem, weil ihm gegenüber der Macht Demut fehle. Merkels Angewohnheit,
bei Großereignissen die TV-Anstalten heranzuholen und dann Soundbites
abzusondern, quittierte Brender mit einem "Das machen wir nicht mehr, wir
sind doch nicht bei Hofe". Und bei der Elefantenrunde nach der
Bundestagswahl musste sich Merkel statt Artigkeiten Fragen über ihren
inhaltslosen Wahlkampf anhören. Beliebt ist Brender bei PolitikerInnen
nicht, auch weil er sich mit niemandem gemein macht - und nicht politisch
einzuordnen ist.
Dennoch werden von ihm parteipolitische Festlegungen und Rücksichtnahme
verlangt. Eher amüsiert erzählt der Jurist heute von seiner kurzen
Mitgliedschaft in der Jungen Union - beim ZDF gilt Brender als "Roter". Die
Farbenlehre: Der Intendant schwarz - Markus Schächter ist CDU-Mitglied -,
der Chefredakteur rot, der Programmdirektor wieder schwarz: Dass der
öffentlich-rechtliche Rundfunk in den Augen vieler Parteifürsten ihnen,
also der Politik gehöre, ist keine neue Erkenntnis. Das ZDF stehe "in der
Verantwortung der Politik" und werde "sich davon auch nicht völlig lösen
können", hatte Roland Koch schon im Februar in ehrlicher Dreistigkeit in
einem Interview gesagt.
"Parteipolitische Zuordnungen verstehe ich nicht", sagt Brender, "auch
nicht, wie man mir Nähe zur SPD oder einer anderen Partei andichten kann.
Ich habe immer Distanz zu allen Interessengruppen und Parteien gehalten".
Zu Brenders Amtsantritt im Jahr 2000 riet der damalige Intendant Dieter
Stolte dem Neuen, die ZDF-internen Zuträger der Parteien zu meiden, sich
aber gelegentlich bei den nach Parteien aufgestellten "Freundeskreisen" des
Fernsehrats blicken zu lassen. Brender ließ es bleiben, abgesehen von
Antrittsbesuchen. Von den "Häusleschleichern", die den Parteioberen Interna
zuspielen, spricht er mit Verachtung.
Wer sich aber nicht an die vom Politproporz bestimmten Regeln hält, eckt
an. Passenderweise gibt es ZDF-interne Kritik an Brender, die Koch
ausnutzt: Die Auslandsberichterstattung werdeseichter, neue Programme und
Sendungen suche man vergeblich, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Der
Workaholic gilt als streitlustig und autoritär. Einfach sei Brender nicht,
sagen viele, die gern mit ihm zusammenarbeiten. "Ich bin kein
Chefredakteur, der übers Programm erstmal abstimmen lässt", entgegnet
Brender. Es brauche einen, "der die Führung übernimmt". Natürlich mache er
Fehler, "aber über die kann man sprechen".
Kochs Kritik lässt er nicht gelten. Schließlich wache der Verwaltungsrat
darüber, ob das ZDF wirtschaftlich gut geführt wird. Für die Bewertung
seiner Arbeit sei dagegen der Chefredaktionsausschuss des ZDF-Fernsehrats
zuständig, und auch dieses Gremium sei ja nicht eben politikfern
zusammengesetzt, so Brender. "Im Chefredaktionsausschuss des ZDF sitzt der
Bundestag plus einige Landtagsabgeordnete, das ist eine reine
Parlamentsaufsicht". Dumm für Koch: Auch die Unions-Mitglieder im Ausschuss
hatten an Brender bislang nichts auszusetzen.
Doch der Konflikt setzt Brender zu. Unfreiwillig wird der einstige
Jesuitenschüler, der beim Südwestfunk begann, dann Korrespondent,
schließlich Chefredakteur und Programmdirektor beim WDR wurde, zum
Säulenheiligen. Seitdem Koch öffentlich forderte, den Chefredakteur
abzulösen, wird jeder Schritt Brenders auf Verwertbarkeit gegen ihn
abgeklopft.
Doch es geht in Wirklichkeit nicht um ihn. "So wichtig bin ich nicht, dass
die sagen, der Brender gefährdet den Fortbestand der CDU", sagt Brender.
Doch wenn Koch sich heute durchsetzen sollte, ist ein Säule der Demokratie
in Gefahr: Die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. "Sie
steht und fällt mit dem Selbstbewusstsein seiner Redakteure und der
Selbstbeschränkung seiner Gremien." Sollte Brender durchfallen, ist die
Lage völlig offen. Intendant Schächter hat deutlich gemacht, dass er keinen
zweiten Personalvorschlag aus dem Ärmel ziehen wird. Brenders alter Vertrag
läuft noch bis Ende März 2010.
27 Nov 2009
## AUTOREN
Steffen Grimberg
## TAGS
ZDF
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