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# taz.de -- Streit um ZDF-Chefredakteur Brender: Mainz ärgere dich nicht
> Seit Monaten rätselt die Republik, nach welch teuflischem Plan Hessens
> Roland Koch (CDU) beim ZDF brutalstmöglich aufräumen will. Geheime
> Dokumente zeigen: Es ist alles nur ein Spiel.
Bild: Runde 7: Brender trennen immer noch viele Felder von der rettenden Chefre…
Runde 1: Roland Koch braucht als stellvertretender Vorsitzender des
ZDF-Verwaltungsrats keine "6", um anzufangen, und kann sofort losstürmen.
Er verfolgt Nikolaus Brender, der auf dem Weg in die sichere
ZDF-Chefredaktion ist. Allerdings sind zwischen ihm und Brender noch der
Mainzer Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) und ZDF-Intendant Markus
Schächter auf dem Spielfeld, die beide hinter Brender stehen.
Runde 2: Brender ist mit dem Superwahljahr beschäftigt und kann sich nicht
hundertprozentig aufs Spiel konzentrieren. Er würfelt nur eine "1", der
Abstand zu Koch verringert sich bedenklich. Doch auch Koch würfelt mau: Er
hat Ärger mit seinem Mitstreiter Ede Stoiber. Der hat eben versehentlich
ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut rausgeschmissen. Dabei läuft der doch
auf dem Ticket der Unionsparteien. Bellut war früher mal Brenders Kollege
als Chef der ZDF-Innenpolitik und will angeblich Schächter dereinst als
Intendant beerben. Eigentlich wollte Bellut bis Freitag nur mit einem
Würfel ohne "6" würfeln, um nicht zu früh in die Öffentlichkeit auf dem
Spielfeld zu geraten. Und nun das!
Runde 3: Brender kommt weiter nur im Schneckentempo voran, hat aber immer
noch Beck und Schächter hinter sich. Doch Beck verstolpert und würfelt eine
"6" und gleich danach noch eine. Damit ist er an Brender vorbei und kann
ihn nicht mehr decken. Nun will sich Beck vielleicht doch an das
Bundesverfassungsgericht wenden, um die Spielregeln auf "Staatsferne"
überprüfen zu lassen. Das erhöht Kochs Wut auf Schächter, der zwar in der
CDU ist, aber viel lieber mit Beck als mit Koch Mainzelmützchen-Fangen
gespielt hat. Doch Koch würfelt nur eine "2" und kommt weder an Schächter
noch Brender ran.
Runde 4: Schon wieder Ärger mit Ede: Stoiber würfelt zwar ständig Sechsen,
läuft auf dem Spielfeld aber in die falsche Richtung. Vielleicht liegt es
daran, dass der Ärmste nachts immer noch aufwacht und ruft: "Hurra, ich bin
Kanzler!", nur um dann zu merken, das das gar nicht stimmt. Woran er
Brender und der ZDF-Berichterstattung zur Wahl 2002 die Alleinschuld gibt.
Zur Strafe müssen alle bösen Buben eine Runde aussetzen.
Runde 5: Koch ist wieder obenauf und würfelt gut. Doch was ist das?
Schächter ist seiner eigenen Partei ja ohnehin längst viel zu unberechenbar
geworden und führt die Spielesammlung ZDF, als wäre es eine unabhängige
Anstalt. Jetzt hat er plötzlich einen Malefizstein aus der Spielesammlung
geholt und blockiert damit den Weg zwischen Koch und Brender. "Gutachten"
und "Staatsferne" steht drauf. Koch schäumt vor Wut: Jetzt braucht er erst
noch eine "1", um das vermaledeite Ding da wegzubekommen.
Runde 6: Schon wieder eine Schlappe für Koch: Peter Müller, sein
Verwaltungsrats- und Parteifreund aus dem Saarland, unterstützt Kochs Kurs
zwar nicht besonders lautstark, aber immerhin. Doch wird Müller plötzlich
von Frank Schirrmacher rausgeschmissen, der mit der FAZ seit Wochen für
Brender trommelt. Koch ist abgelenkt und würfelt eine "4". Der Malefizstein
bleibt liegen. Und Schächter schreibt auch noch "journalistische
Unabhängigkeit" drauf.
Runde 7: Brender trennen immer noch viele Felder von der rettenden
Chefredaktion. Koch nimmt Anlauf - und brüllt plötzlich: "Sakrament,
Stoiber!" Hat der Bayer da einfach Springer-Chef Mathias Döpfner
rausgekegelt. Kruzifix! Döpfner ist zwar in Sachen Brender auf einem Kurs
mit FAZ und taz und will den Einfluss der Politiker beim ZDF verringern.
Aber ihn deswegen gleich rausschmeißen - das gibt bestimmt Ärger für die
ganze Union mit Bild und so.
Runde 8: Koch hat es geschafft! Der Malefizstein ist weg, und der Weg zu
Brender frei. Doch wo kommt plötzlich Peter Hahne her, von dem Kochs Chefin
ja angeblich als neuem Obermainzelmann im ZDF-Hauptstadtstudio träumt?
Ausgerechnet Hahne steht jetzt Koch im Weg und kommt nicht weiter: Er muss
einmal aussetzen, weil er seine fromme Bild-am-Sonntag-Kolumne noch nicht
fertig hat.
Runde 9: Brender steht kurz vor dem Eingang zur Chefredaktion. Auch Hahne
ist endlich weg, klare Bahn für Koch. Er braucht eine "9" - und würfelt
prompt eine. Dann schließt mit einem wahren
Mainz-Ärgere-dich-nicht-Halbmarathon der Würfelrechtsexperte Professor
Dieter Dörr zu Koch auf. Und: Moment mal: Eine "9"? Kochs Würfel sind
gezinkt. Es sind fast nur Zahlen drauf, die auf einem echten Würfel nichts
zu suchen haben. Muss Koch disqualifiziert werden? Und wo steckt eigentlich
Beck? Der steht immer noch da, wo er schon in Runde 3 stand und überlegt,
ob er mal beim Verfassungsgericht anruft.
Runde 10: Brender hat die Aufregung genutzt, schnell die richtige Zahl zu
würfeln und zieht in die Chefredaktion ein. Plötzlich ist auch eine extrem
saure Angela Merkel auf dem Spielbrett. Der Plan der Oberdrahtzieherin in
Sachen ZDF ist geplatzt, ohne zu würfeln nimmt sie Anlauf und schmeißt
hochkant Roland Koch raus. Edmund Stoiber verabschiedet sich schnell, er
muss zum Zug nach München, und der Transrapid fährt schon wieder nicht! Am
Rand des Spielbretts steht Markus Schächter, lächelt versonnen und guckt
auf die "Ereigniskarte", die er noch zur Sicherheit als letzten Joker aus
einem anderen beliebten Gesellschaftsspiel eingesteckt hatte. "Gehe direkt
nach Karlsruhe. Gehe nicht über Los. Ziehe nicht 4.000 Mark ein" steht
drauf. Schwein gehabt!
25 Nov 2009
## AUTOREN
Steffen Grimberg
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