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# taz.de -- Neue Afghanistan-Pläne: Abzug eventuell schon 2011
> Berlin bietet mehr Truppen, aber auch mehr zivilen Aufbau – und eine
> kleine Abzugsperspektive: 2011 könnte der Abzug beginnen, 2014 will man
> "die Verantwortung übergeben".
Bild: US-Soldat in Kabul, 26.01.2010.
Einen "Strategiewechsel", ja einen "Neuanfang" in Afghanistan verkündete am
Dienstag Außenminister Guido Westerwelle (FDP). Seine Erklärung zur
Afghanistan-Konferenz am Donnerstag in London sowie die von Kanzlerin
Angela Merkel (CDU) und von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu
Guttenberg (CSU) waren begleitet von Eingeständnissen bisheriger Fehler.
Die Aufstockung des bislang auf 4.500 Soldaten beschränkten
Bundeswehrkontingents um 500 Soldaten sei zwar nötig. Die zusätzlichen 350
Soldaten "Reserve" - etwa für die Sicherung der Parlamentswahlen im Herbst
- sollten aber "keine stille Aufstockung des Kontingents wie in der
Vergangenheit" sein, sagte Westerwelle. Der Bedarf der 350 Reservesoldaten
solle immer zeitlich begrenzt werden.
Laut Guttenberg nimmt sich die Zahl 500 gering aus im Verhältnis zur
gesetzten Aufgabe: So sollen sich statt bisher 280 ganze 1.400
Bundeswehrsoldaten der Ausbildung der afghanischen Armee (ANA) widmen - und
gleichzeitig außerhalb der eigenen Lager auch den Schutz der Bevölkerung
gewährleisten. "Mehr Schutz und Ausbildung statt offensiv tätiger
Kampftruppen", fasste Guttenberg den militärischen Teil des neuen
Afghanistan-Plans zusammen. Die "Quick Reaction Force", ein bis jüngst für
unbedingt nötig erklärter Kampfverband, wird entsprechend umgewidmet. Auch
Wiederaufbau solle wieder Ziel der Bundeswehr sein.
Verstärkt wird die Bundeswehr im Norden bald von 5.000 US-Soldaten. Das von
den USA übernommene Konzept, mit der ANA aus dem Lager hinauszugehen und
sich "geschlossen und kompakt in die Fläche zu stellen" sei nicht unbedingt
riskanter, erläuterte der neue Generalinspekteur Volker Wieker.
Die Ausführungen des Kabinetts zum Thema Abzug variierten aufschlussreich.
Merkel sagte, "wir wollen 2014 eine Situation haben, in der Afghanistan
selbst für seine Sicherheit aufkommt. Wir nennen selber keinen
Abzugstermin". Sie ergänzte: "Ich kann nicht sagen, dass die Zielsetzung
von Präsident Hamid Karsai umsetzbar ist."
Westerwelle sagte eine Stunde später, im Jahr 2011 könne "der Abbau des
eigenen Kontingents beginnen". Und weiter: "2014 wollen wir eine Übergabe
der Sicherheitsverantwortung schaffen". Dies aber relativierte Guttenberg
eine weitere Stunde später: Die Lage im Norden sei so, dass hier "in
Teilbereichen Möglichkeiten zulässig" seien - vielleicht sogar vor 2011.
Sollte heißen: An den ruhigen Orten im Norden wird bald, wie längst
geplant, Personal abgebaut. Ob das einer Truppenreduktion entspricht, ist
offen.
Der zivile Teil des deutschen Konzepts sieht die Fastverdopplung der
Entwicklungshilfe von 220 Millionen auf 430 Millionen Euro jährlich vor.
Ziele sind unter anderem, bis 2014 statt des bisherigen Drittels rund drei
Viertel der Bevölkerung im Nordosten Afghanistan in Lohn und Brot zu
bringen. Statt eines Fünftels soll dann die Hälfte der Menschen Zugang zu
Strom und Trinkwasser haben.
Angela Merkel gab auch indirekt zu, dass der von Deutschen maßgeblich
verantwortete Polizeiaufbau bislang gescheitert ist: Eine von den Afghanen
verlangte "Gendarmerieausbildung kann Deutschland nicht leisten." Statt 150
sollen aber 200 deutsche Polizisten afghanische Ausbilder schulen.
Ende Februar soll ein neues Afghanistan-Mandat den Bundestag passieren.
SPD-Parteichef Sigmar Gabriel klang so, als könnte die SPD erstmals mit
Nein stimmen: Man sei gegen die Truppenaufstockung. Grünen-Fraktionschefin
Renate Künast sah "wenig Licht im Schatten."
27 Jan 2010
## AUTOREN
Ulrike Winkelmann
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