Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Polizeiausbildung in Afghanistan: Knüppel zwischen die Beine
> Die deutsche Regierung kaschiert das eigene Versagen mit Kritik an der
> EU. In einem inoffiziellen Schreiben greift ein Eupol-Beamter deshalb die
> Bundesrepublik scharf an.
Bild: Viele ausgebildete Polizisten sind später zu den Taliban gewechselt.
BERLIN taz | Ein Vertreter der Europäischen Polizeimission in Afghanistan
wehrt sich dagegen, für den mangelnden Erfolg beim deutschen Polizeiaufbau
haftbar gemacht zu werden. In Unterlagen, die der taz vorliegen, beklagt
ein Eupol-Zuständiger, dass die Europäische Mission seit ihrer Einrichtung
2007 von Deutschland "nur halbherzig unterstützt" werde. Das
Bundesinnenministerium sei "entweder zu doof" oder wolle Eupol gar "einen
Knüppel zwischen die Beine werfen", wenn es der EU-Mission zu wenig hohe
Beamte schicke. Nie seien weniger Beamte bei Eupol eingesetzt gewesen als
derzeit.
Das Schreiben wirft ein Schlaglicht darauf, wie sehr die Bundesrepublik
hinter Versprechen zurückbleibt, den afghanischen Staat mit einer zivilen
Ordnungsmacht auszustatten. Auf der Afghanistan-Konferenz beteuerten die
Deutschen erneut ihr Engagement.
In seinem wütenden Schreiben erläutert der Eupol-Beamte, die europäische
Mission arbeite mit dem afghanischen Innen- und dem Justizministerium auf
höchster Ebene zusammen. Ministern könne man keine Wachtmeister als
Ratgeber zur Seite stellen. Deutschland jedoch stelle bloß zwei Beamte aus
dem höheren Dienst ab. "Wir bräuchten aber mehr, und die Afghanen wollen
mehr."
Das bilaterale, deutsch-afghanische Projekt GPPT dagegen, das für die
Ausbildung der afghanischen Polizisten zuständig ist, bekomme statt
mittlerer Dienstgrade mehr hohe Beamte, als es brauche: Es sei unklar, "was
die ganzen Polizeidirektoren und -räte" dort "machen sollen/können",
beklagt der Beamte. Es sei Unsinn - wie von Entwicklungsminister Dirk
Niebel (FDP) intern behauptet -, dass mehr Beamte in dem bilateralen
Projekt arbeiten wollten als bei Eupol. Viele kämen wegen des Geldes, die
EU zahle monatlich 2.000 Euro mehr als der Bund.
Als die Bundesregierung 2007 die Verantwortung für den Polizeiaufbau an die
EU abschob, behielt sie die Federführung bei Eupol und schaffte es dann
nicht mehr, die Mission auszubauen. Um aber dem Bündnispartner USA
entgegenzukommen, wird seither das bilaterale Projekt GTTP gefördert.
Dieses soll nun nach der Londoner Konferenz von 123 auf 200 Mann
aufgestockt werden. Die Personalanhebung für Eupol wird mit 45 auf 60 Mann
angegeben. Ein Großteil dieser Leute sind aber gar keine Polizisten,
sondern etwa Juristen, die den mit Deutschland vergleichbaren Ausfall der
Italiener beim Aufbau eines Justizsystems ausgleichen sollen.
Zur Aufstockung der afghanischen Polizei sollen die zusätzlichen deutschen
Ausbilder nun dazu beitragen, dass Deutschland 5.000 weitere Afghanen pro
Jahr trainieren kann. Doch die Länderinnenminister, die zwei Drittel der
Beamten stellen sollen, bleiben reserviert. Auf ihrer letzten Tagung im
Dezember nahmen sie auf ihrer Konferenz die Vorschläge der
Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur anstehenden Verstärkung des Engagements bloß
"zur Kenntnis". Im Übrigen sei die "Gewährleistung der Sicherheit" der
Beamten "ein zentrales Anliegen".
Der Sprecher des Innenministeriums Brandenburg, Ingo Decker, sagte zur taz:
Wenn der Bund nun mehr Beamte haben wolle, "dann muss man miteinander
sprechen". Man müsse jedoch auch fragen: "Unter welchen Bedingungen macht
der Einsatz überhaupt Sinn?" Als Beispiele für möglicherweise mangelnde
Sinnhaftigkeit sagte Decker, dass die Afghanen oft gar nicht am
Ausbildungsort einträfen, weil der Weg zu gefährlich sei. Auch sei klar,
dass man oft genug "die Falschen" ausgebildet habe - die ausgebildeten
Afghanen gingen zu den Taliban.
Jörg Radek von der Gewerkschaft der Polizei erklärte der taz, was die
Länder nicht brächten, könne die Bundespolizei (der ehemalige
Bundesgrenzschutz BGS) "jedenfalls nicht kompensieren". Die Behauptung des
niedersächsischen Innenministers Uwe Schünemann (CDU), die Bundespolizei
sei nicht ausgelastet, sei "Blödsinn". Radek sagte, offiziell habe die
Bundespolizei einen Personalpool für Auslandsmissionen, der als Beitrag zum
EU-Pool von insgesamt 1.400 Polizisten für Auslandseinsätze gelte. Aber das
gelte alles nur auf dem Papier. "Bloß politische Absichtserklärungen",
sagte Radek. Die Verantwortung etwa für den polizeilichen
Afghanistaneinsatz werde bloß immer in die Runde geschoben: "Was schon
zwischen Bund und Ländern nicht funktioniert, funktioniert natürlich noch
viel weniger zwischen Bund und EU."
28 Jan 2010
## AUTOREN
Ulrike Winkelmann
## ARTIKEL ZUM THEMA
Ergebnisse der Afghanistan-Konferenz: Und wieder grüßt das Murmeltier
Schuldenerlass, ziviles und militärisches Engagement. Die meisten
Beschlüsse der Londoner Afghanistan-Konferenz wurden bereits mehrmals
gefällt.
Kommentar Afghanistan-Konferenz: Der Gipfel des Scheiterns
Die Afghanistan-Konferenz war eine Veranstaltung mit besonders fragwürdigem
Wert und ohne wirklich neue Ansätze. Selbst der mediale Rummel zum Thema
blieb aus.
Neue Afghanistan-Pläne: Abzug eventuell schon 2011
Berlin bietet mehr Truppen, aber auch mehr zivilen Aufbau – und eine kleine
Abzugsperspektive: 2011 könnte der Abzug beginnen, 2014 will man "die
Verantwortung übergeben".
Afghanistan-Konferenz: Mehr Aufgaben für Kabul
Bei der Afghanistan-Konferenz in London werden Sicherheit,
Regierungsführung und Entwicklung sowie regionale Unterstützung verhandelt.
Ein Überblick.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.