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# taz.de -- Ergebnisse der Afghanistan-Konferenz: Und wieder grüßt das Murmel…
> Schuldenerlass, ziviles und militärisches Engagement. Die meisten
> Beschlüsse der Londoner Afghanistan-Konferenz wurden bereits mehrmals
> gefällt.
Bild: Trafen sich bei der Afghanistan-Konferenz in London: Die Führungsmächte.
BERLIN taz | Für den britischen Premierminister Gordon Brown ist die
Afghanistan-Konferenz in London ein willkommenes Heimspiel, um sich als
entschlossener Staatsmann zu präsentieren: "Unsere Botschaft an al-Qaida
ist klar: Wir werden euch besiegen. Und wir besiegen euch nicht nur auf dem
Schlachtfeld, sondern auch in den Herzen und Köpfen der Menschen."
Vollmundig verspricht er den Afghanen ein Leben in mehr Wohlstand, "frei
von Terrorismus".
In London haben sich die internationale Gemeinschaft und die Regierung in
Kabul darauf geeinigt, die afghanischen Sicherheitskräfte bis Oktober 2010
auf 245.000 und bis ein Jahr später auf 305.000 Soldaten und Polizisten
aufzustocken ("Surge"). Neben den von US-Präsident Barack Obama bereits
angekündigten 30.000 mehr US-Soldaten haben andere Staaten insgesamt
weitere 9.000 Militärs zugesagt.
"Die Aufstockung des Militärs wendet das Blatt", verspricht Brown. Das
werde durch eine Aufstockung ziviler Mittel begleitet. Denn neben dem
militärischen gebe es auch einen zivilen "Surge". In Gebiete, die den
Taliban abgenommen werden, gingen laut Brown sofort "Stabilisierungsteams"
und bringen Entwicklung. Genau gegen eine solche Instrumentalisierung von
Entwicklungshilfe zur Aufstandsbekämpfung wenden sich die
Hilfsorganisationen.
Begleitet werden die vergrößerten Anstrengungen von einem bei der Konferenz
beschlossenen Reintergrationsprogramm für Taliban-Kämpfer. Das soll
Mitläufern wirtschaftliche Perspektiven bieten. Die Konferenz hat dafür die
Einrichtung eines gemeinsam verwalteten Fonds beschlossen, dessen
angestrebte Höhe 500 Millionen Dollar für fünf Jahre beträgt. Bisher gibt
es erst zwei konkrete Zusagen: Deutschland gibt für die gesamte Zeitspanne
insgesamt 50 Millionen Euro und Japan allein 50 Millionen Dollar für das
erste Jahr. Der afghanische Präsident Hamid Karsai kündigte noch für dieses
Frühjahr eine baldige "Friedens-Loya Dschirga" an, eine traditionelle
Ratsversammlung. Sie soll auch einen Versöhnungsprozess mit Taliban-Führern
einleiten. Dafür bat er den saudischen König die Vermittlung. Erst nach
dieser Dschirga ist eine Fortsetzung der Londoner Konferenz in Kabul
geplant, die sich speziell an die afghanische Bevölkerung richtet.
Die verstärkten Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft sollen mit
einer Abzugsperspektive einhergehen. Brown versprach, dass bereits in
diesem Jahr damit begonnen werde, die Sicherheitsverantwortung am
Hindukusch "Distrikt für Distrikt" an afghanische Sicherheitskräfte zu
übergeben. "Wir müssen bis Mitte des nächsten Jahres das Blatt wenden", so
Brown. Noch schneller stellte dies der Chef der internationalen
Isaf-Truppe, der amerikanische Nato-General Stanley McChrystal, später
hinter verschlossenen Türen in Aussicht. Laut einem Teilnehmer kündigte
McChrystal bis September dieses Jahres eine Trendwende an.
Karsai betonte, dass Afghanen die Herren ihres Landes sein müssen. Dies
gelte nicht nur im Sicherheitsbereich, wo nächtliche Razzien nur noch von
Afghanen durchgeführt werden sollten und nicht mehr von kulturell
unsensiblen ausländischen Soldaten. Dies gelte auch für die
Entwicklungshilfe. Von der werden laut Karsai 80 Prozent von der
internationalen Gemeinschaft an der Regierung vorbei ausgegeben. "Statt
sich auf eine internationale Hilfsbürokratie zu verlassen, sollten die
Anstrengungen der Afghanen unterstützt werden." Karsai wurde in Aussicht
gestellt, dass bald 50 Prozent der Entwicklungshilfemittel über den
afghanischen Haushalt ausgegeben werden sollen.
Zur Korruptionsbekämpfung machte Karsai nur wolkige Versprechen. Doch
verpflichtete sich seine Regierung in der Abschlusserklärung zur
Einrichtung von vier Gremien, welche die Korruption bekämpfen sollen. Dies
lässt Kompetenzgerangel und Ineffizienz befürchten.
Bei der Konferenz verkündet wurde zudem noch ein Schuldenerlass für
Afghanistan in Höhe von 1,3 Milliarden Euro. Der schwedische Diplomat
Staffan de Mistura, bisher Leiter der UN im Irak, soll künftig die
UN-Mission im Irak leiten.
De facto verpflichteten sich die knapp 60 teilnehmenden Staaten mit der
Konferenz zur Unterstützung der Afghanistanpolitik der US-Regierung von
Barack Obama und seines Generals McChrystal. Letzterer nahm zwar
Anpassungen in der Militärstrategie vor, doch waren die meisten Beschlüsse
von London in den vergangenen Jahren schon in ähnlicher Form bei den
zahlreichen Afghanistan-Konferenzen gefallen. Auch diese sollten die
Menschen in den Truppenstellerstaaten bei Laune halten und den Eindruck
eines sinnvollen und koordinierten Vorgehens erwecken. Es dürfte an ein
Wunder grenzen, wenn die Vorhaben ausgerechnet diesmal gelingen sollten.
29 Jan 2010
## AUTOREN
Sven Hansen
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