# taz.de -- Die Cebit und die Politik: "Aigner drischt auf Google ein" | |
> Zum Beginn der Computer-Messe Cebit warnt Ministerin Aigner vor den | |
> Facebooks, Apples und Googles. Kritiker halten das für unsachlich und | |
> kritisieren die Netzpolitik der Bundesregierung. | |
Bild: Für jeden Fototermin zum Thema Internet zu haben: Bundesverbraucherminis… | |
BERLIN afp/dpa/taz | Vor dem Beginn der Computer-Messe Cebit am Dienstag in | |
Hannover haben sich gleich mehrere Mitglieder des Bundeskabinetts zu | |
netzpolitischen Themen geäußert - und auffällig Position für Datenschutz im | |
Internet-Zeitalter bezogen. | |
Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) warnt vor der | |
Marktmacht der IT-Branchengrößen und ihren Datenbanken. Bundeskanzlerin | |
Merkel ermutigte jene, die durch Googles Dienst "Street View" ihre | |
Privatsphäre verletzt sehen, von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch zu | |
machen. | |
Und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) kündigte an, die Idee des | |
sogenannten "Datenbriefs" zu prüfen. Der Datenbrief war ursprünglich von | |
Netzaktivisten aus dem Chaos Computer Club (CCC) und dessen Umfeld ins | |
Gespräch gebracht worden. | |
Die Bundesregierung weiß: Die Cebit ist ein guter Zeitpunkt, um in den | |
Medien mit netzpolitischen Äußerungen wahrgenommen zu werden. Sie will die | |
junge, netzaffine Wählerschaft erreichen, die der Piratenpartei bei der | |
jüngsten Bundestagswahl einen Achtungserfolg bescherte. Und sie weiß, dass | |
es immer mehr Bürger gibt, die besorgt über die Verwendung ihrer Daten im | |
Internet sind und die ernstgenommen werden wollen. Dass gerade Merkel und | |
Aigner bisher nicht gerade als profunde Kenner des World Wide Web | |
auffielen, ist für diese Strategie eher sekundär. | |
Und so warnte Aigner (CSU) vor "einer völlig neuen Dimension der globalen | |
Digitalisierung", durch die einige IT-Firmen mittlerweile über riesige | |
Datenbanken verfügten, doch niemand wisse genau, wie Namen, Adressen und | |
Bilder im Internet miteinander verknüpft werden. "Mit der Vernetzung und | |
Vermarktung privater Daten ist eine Menge Geld zu verdienen", sagte Aigner | |
der "Süddeutschen Zeitung". | |
"Branchenriesen wie Facebook, Apple, Google oder Microsoft können im | |
Internet ganze Persönlichkeitsprofile erstellen. Sie wissen, wofür wir uns | |
interessieren, was wir kaufen, wohin wir verreisen, mit wem wir befreundet | |
sind." Manche Verbraucher würden dadurch richtig interessant für die | |
Wirtschaft, andere jedoch landeten womöglich auf schwarzen Listen oder | |
bekämen Schwierigkeiten bei der Jobsuche, warnte Aigner. | |
Sie wies den Vorwurf aus der IT-Branche zurück, technikfeindlich zu sein. | |
"Als Elektrotechnikerin kann ich mich für Innovationen sehr begeistern. | |
Aber alles hat seine Grenzen", sagte die Ministerin. "Bei manchen | |
Erfindungen wie etwa der Gesichtserkennungs-Software für Foto-Handys zur | |
Identifizierung von Menschen auf der Straße läuft es mir kalt den Rücken | |
runter. Selbst George Orwell hätte sich das nicht träumen lassen." | |
Auch die Kanzlerin, die sich seit 2006 regelmäßig per Podcast zu aktuellen | |
Themen zu Wort meldet, verwendete diesen Kanal am Wochenende nun, um vor | |
den Risiken des Internets zu warnen. Die Politik müsse sich auch mit | |
Gefährdungen aus dem Internet auseinandersetzen. "Das bedeutet nicht, dass | |
wir die Freiheit des Internets unnötig einschränken wollen, aber es | |
bedeutet eben auch, dass umfassend Rechtssicherheit für die Menschen | |
gewährleistet werden muss." | |
## Merkel: "Das Internet ist kein rechtsfreier Raum" | |
Daher werde die Bundesregierung auch weiter dafür sorgen, "dass - zum | |
Beispiel im Falle der Kinderpornografie - das Löschen von solchen Seiten | |
möglich sein wird, um Menschen vor Gefahren zu schützen". Das Internet sei | |
kein rechtsfreier Raum. Sie ermahnte die Nutzer, vorsichtiger mit ihren | |
persönlichen Daten im Netz umzugehen. "Denn es ist ein Unterschied, ob die | |
Freunde im sozialen Netzwerk Zugang zu meinen persönlichen Angaben haben, | |
oder aber ob Suchmaschinen aller Art Zugriff auf diese Daten haben." | |
Im aktuellen Streit um Googles Dienst "Street View" wies Merkel darauf hin, | |
dass das Verbraucherschutzministerium auf seiner Internetseite einen | |
Musterbrief vorbereitet hat, mit dem Betroffene von ihrem Widerspruchsrecht | |
Gebrauch machen können. Aigner hatte Google in den vergangenen Wochen unter | |
anderem wegen "Street View" wiederholt vorgeworfen, die Privatsphäre der | |
Bürger zu verletzen. | |
## IT-Branchenverband: "Aigner drischt auf Google ein" | |
Zur Vorratsdatenspeicherung oder zu anderen Gesetzen, die die Privatsphäre | |
und die informationelle Selbstbestimmung der Bürger einschränken, äußerte | |
sich Merkel naturgemäß nicht. Jedoch der Chef des IT-Branchenverbandes | |
Bitkom, August-Wilhelm Scheer: Er kritisierte zum Cebit-Start die | |
Netzpolitik der Bundesregierung. Auf der einen Seite durchlöchre der Staat | |
mit Vorratsdatenspeicherung und Online-Durchsuchungen die Privatsphäre der | |
Bürger. "Gleichzeitig drischt die Verbraucherschutzministerin auf Google | |
ein, weil es angeblich die Privatsphäre verletzt. Das passt nicht | |
zusammen", monierte Scheer | |
Wirkliche Ankündigungen, wie denn nun die Daten der Verbraucher geschützt | |
werden sollen, machten weder Aigner noch Merkel. Anlässlich des Safer | |
Internet Day hatte Verbraucherzentralen-Vorstand Gerd Billen "eine klare | |
Strategie, wie die Daten der Verbraucher tatsächlich geschützt werden" | |
angemahnt. Hierfür brauche es "klare Rahmenbedingungen vom Staat". Als | |
zentrale Rahmenbedingung nannte Billen das generelle Verbot der Weitergabe | |
von Daten ohne ausdrückliche Einwilligung. | |
## De Maiziere will Datenbrief "prüfen" | |
Wenigstens Bundesinnenminister de Maizière kündigte an, beim Thema | |
Datenkontrolle eine Forderung von Internet-Aktivisten nach mehr Transparenz | |
im Interesse der Bürger aufgreifen zu wollen. Er wolle den Vorschlag eines | |
so genannten Datenbriefs "prüfen", schrieb de Maizière in einem Beitrag für | |
den "Tagesspiegel". Das Konzept Datenbrief sieht vor, dass Unternehmen, die | |
persönliche Daten speichern, die Betroffenen einmal pro Jahr hierüber | |
informieren. Das soll die informationelle Selbstbestimmung der Bürger | |
stärken, zudem soll die Anhäufung von personenbezogener Daten möglichst | |
unattraktiv werden. | |
De Maizière werde "Vertreter der Netz-Community, des Datenschutzes und der | |
Wirtschaft einladen", um gemeinsam ein Konzept für einen solchen Datenbrief | |
zu entwickeln und dieses in einem Pilotprojekt ergebnisoffen zu testen. | |
## FDP gegen Datenbrief: "Zu viel Bürokratie" | |
Sein Koalitionspartner FDP torpedierte den Datenbrief allerdings bereits: | |
Er bedeute für die Wirtschaft einen zu hohen bürokratischen Aufwand. Die | |
FDP-Innenpolitikerin Gisela Piltz unterstützte zwar Forderungen nach mehr | |
Transparenz, sprach sich aber gegen eine Verpflichtung der Unternehmen aus. | |
"Ein solcher bürokratischer Aufwand, der mit hohen Kosten für die | |
Unternehmen verbunden ist, ist durch nichts gerechtfertigt", sagte Piltz. | |
Unternehmen sollten möglichst kostenlos Daten zur Verfügung stellen. Diese | |
sollten aber nicht automatisch versendet werden müssen. | |
Am Montagabend wird Merkel zusammen mit dem spanischen Ministerpräsidenten | |
José Luis Rodríguez Zapatero die Cebit offiziell eröffnen. Spanien ist | |
Partnerland. Bis Samstag stellen rund 4150 Unternehmen aus 68 Ländern | |
Produkte und Neuheiten aus. Damit verlor die Cebit nach einem kräftigen | |
Einbruch im Wirtschaftskrisenjahr 2009 weitere Aussteller. Im vergangenen | |
Jahr war die Ausstellerzahl auf rund 4300 gefallen – von mehr als 5800 | |
Unternehmen im Jahr 2008. Für das Publikum öffnet die Messe am Dienstag. | |
Der Schwerpunkt der Cebit 2010 heißt "Connected Worlds" – mit Hilfe des | |
Internet vernetzte Welten. Zu weiteren großen Themen zählen das schnelle | |
mobile Internet, IT-Sicherheit, Verkehrstelematik und umweltfreundlichere | |
Informationstechnik. | |
1 Mar 2010 | |
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