# taz.de -- Umstrittene Vorratsdatenspeicherung: Entscheidung in Karlsruhe | |
> Am Dienstag verkündet das Verfassungsgericht sein Urteil über die | |
> Vorratsdatenspeicherung. Gegen die Erfassung der Verbindungsdaten hatten | |
> Bürgerrechtler und Politiker geklagt. | |
Bild: Mit Spannung erwartet: das Urteil des Verfassungsgerichts zur Vorratsdate… | |
FREIBURG taz | Wird die Vorratsdatenspeicherung abgesegnet, eingeschränkt | |
oder sogar ganz gekippt? Das muss jetzt das Bundesverfassungsgericht | |
entscheiden. An diesem Dienstag verkündet es in Karlsruhe sein mit Spannung | |
erwartetes Urteil. Die mündliche Verhandlung fand bereits im Dezember | |
statt. | |
Seit Anfang 2008 wird sechs Monate lang gespeichert, wer mit wem wie lange | |
telefoniert hat. Auch die Standortdaten von Mobiltelefonen werden | |
festgehalten. Seit Anfang 2009 wird zudem registriert, wer sich wann ins | |
Internet eingeloggt hat und wer wem gemailt hat. Die Daten werden bei den | |
Telefon- und Internetfirmen gespeichert, die Polizei kann nur im | |
Verdachtsfall darauf zugreifen. Inhalte werden nicht gespeichert. | |
Gegen das Gesetz wurden drei Verfassungsbeschwerden erhoben. Mehr als | |
34.000 Bürger hatte der von Bürgerrechtlern getragene AK Vorrat | |
mobilisiert, es war die bisher größte Verfassungsklage Deutschlands. | |
Außerdem klagten noch 43 Abgeordnete der Grünen und 14 FDP-Politiker um | |
Gerhart Baum und Burkhard Hirsch. Die jetzige FDP-Justizministerin Sabine | |
Leutheusser-Schnarrenberger gehört auch zu den Klägern, war aber im | |
Dezember nicht nach Karlsruhe gekommen - um Rollenkonflikte zu vermeiden. | |
Burkhard Hirsch warnte bei der Verhandlung vor einem "Dammbruch". Bald | |
könnte auch der Kauf von Flug- und Bahntickets zwangsgespeichert werden, | |
die Mautdaten auf der Autobahn könnten ebenso dauerhaft aufbewahrt werden | |
wie Video-Aufnahmen in Geschäften und auf Straßen. Das Urteil muss also | |
sehr grundsätzlich klären, ob und unter welchen Bedingungen Daten der | |
Bürger anlasslos gespeichert werden können - und ob es genügt, dass die | |
Polizei die Daten später vielleicht mal brauchen könnte. | |
Die Kläger halten eine anlasslose Speicherung der Telekom-Verbindungsdaten | |
jedenfalls für unverhältnismäßig. Sie schüchtere die Bürger ein und | |
verursache bei den Telefon- und Internetfirmen enorme Kosten. Außerdem | |
könnte die Daten bei den Providern missbraucht und illegal kopiert werden, | |
wie zahlreiche Datenskandale der letzten Zeit gezeigt hätten. | |
Jörg Ziercke, der Präsident des Bundeskriminalamts warnte dagegen vor einem | |
Urteil gegen die Vorratsspeicherung. Der Polizei fehlten sonst wichtige | |
Ermittlungsansätze. Immer häufiger werde das Internet zum Tatmittel. | |
Zunächst sah es bei der Verhandlung in Karlsruhe so aus, als zweifelten die | |
Richter schon an der Zulässigkeit der Speicherpflicht. Dann hätte der Fall | |
dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg vorgelegt werden müssen, da die | |
Vorratsdatenspeicherung auf eine EU-Richtlinie zurückgeht. Später zeichnete | |
sich jedoch ab, dass wohl nur die Nutzung der zwangsgespeicherten Daten | |
beschränkt wird. Ein solche Nutzungsbeschränkung hatte Karlsruhe schon per | |
Eilbeschluss im März 2008 verfügt. Seitdem darf die Polizei nur bei | |
erheblichen Straftaten auf die Daten zugreifen. | |
Eine interessante Entwicklung deutete sich am Wochenende an. Viviane | |
Reding, die neue EU-Kommissarin für Justiz und Grundrechte, will die | |
EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung auf den Prüfstand stellen. | |
"Brauchen wir wirklich all diese Daten", fragte sie am Wochenende im | |
Spiegel. Eine Änderung oder gar Aufhebung der Richtlinie müsste allerdings | |
von einer Mehrheit der EU-Staaten beschlossen werden. | |
1 Mar 2010 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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