# taz.de -- Suizid in Abschiebehaft: Der Tod des David M. | |
> Ein Georgier sucht in Hamburg Asyl und kommt dafür in Abschiebehaft. Dort | |
> begeht David M. Selbstmord. Der Innensenator sieht keinerlei | |
> Fehlverhalten seiner Behörden. | |
Bild: Demonstranten gegen Abschiebung: Auch nach der Selbsttötung in Hamburg f… | |
Am Sonntag hat sich in einem Hamburger Gefängniskrankenhaus der georgische | |
Flüchtling David M. erhängt, und der schwarz-grüne Senat ist in | |
Erklärungsnot. Wie konnte das geschehen? Die grün geführte Hamburger | |
Justizbehörde, für die der Tod von David M. auch ein Image-GAU ist, hat | |
bisher keine Erklärung geliefert. David M. habe mit Psychologen, | |
Anstaltsärzten, Krankenpflegern gesprochen, mit einer Ausländerberaterin | |
sogar auf Russisch. Die Gefängnismitarbeiter hätten den Hungerstreik so | |
interpretiert, dass David M. "mit seiner Festnahme nicht einverstanden" | |
gewesen sei. Einen Tag vor seinem Tod soll er wieder angefangen haben zu | |
essen, flüssige Nahrung habe er sowieso nie verweigert. Eine Suizidabsicht | |
sei nicht zu erkennen gewesen. David M. hatte sein Alter mit 17 angegeben. | |
Nach Auskunft der georgischen Botschaft in Berlin sei der junge Mann | |
allerdings tatsächlich am 17. November 1984 geboren worden. "Er hat sein | |
wahres Alter verschwiegen", so ein Mitarbeiter der Botschaft. Die Identität | |
von David M. sei zweifelsfrei festgestellt worden. Er stamme aus der | |
georgischen Hauptstadt Tiflis. Mittlerweile seien auch seine Angehörigen in | |
Georgien über seinen Selbstmord informiert worden. Weswegen er aus Georgien | |
geflohen sei, darüber gebe es keine Informationen. | |
Am 7. Februar hatte die Polizei den Flüchtling in Hamburg aufgegriffen, | |
"wegen des Verdachts auf illegalen Aufenthalt". Die Ausländerbehörde | |
stellte Nachforschungen an und fand heraus, dass David M., bevor er nach | |
Hamburg kam, schon Asyl in Polen und in der Schweiz beantragt und dabei | |
sein Alter mit 25 angegeben hatte. Das Amtsgericht ordnete daraufhin | |
Abschiebhaft an - wegen "falscher Identitätsangabe". David M. hätte nach | |
Polen "zurückgeführt" werden sollen, heißt es. | |
Der Fall von David M. wirft ein Licht auf die Abschiebepraxis der Hamburger | |
schwarz-grünen Koalition, die sich nach außen gern weltoffen gibt. Obwohl | |
David M. offiziell als 17-Jähriger gehandelt wurde, wurde er nicht wie | |
vorgesehen in die Obhut des Jugendamts übergeben, sondern direkt an die | |
Ausländerbehörde überstellt, die beim Amtsgericht die Abschiebehaft | |
beantragte. | |
Möglich wird dieses Vorgehen durch den Vorbehalt, den die deutsche | |
Regierung gegenüber der UN-Kinderschutzkonvention angemeldet hat. In | |
Asylsachen würden schon 16-Jährige "voll geschäftsfähig", sagt Niels | |
Espenhorst vom bundesweit tätigen Verein "Unbegleitete Minderjährige | |
Flüchtlinge" in München. Das Sozialgesetzbuch werde so ausgehebelt - eine | |
Praxis, die sein Verein für "rechtswidrig" hält. | |
Nach Einschätzung des Münchener Flüchtlingsvereins macht kein anderes | |
Bundesland von der Möglichkeit, jugendliche Flüchtlinge wie Erwachsene zu | |
behandeln, so konsequent Gebrauch wie Hamburg. Dort wird die Innenbehörde | |
derzeit von CDU-Mann Christoph Ahlhaus geführt, der von der Organisation | |
Jugendliche ohne Grenzen zum "Abschiebeminister 2008" gewählt worden ist. | |
Ahlhaus hat die Wahl als "Kompliment" bezeichnet, falls sie deutlich mache, | |
"dass die Hamburger Ausländerbehörde Recht und Gesetz konsequent | |
durchsetzt". | |
Immerhin kam Ahlhaus nicht umhin, zwei Tage nach David M.s Tod eine | |
Erklärung abzugeben, in der er sein "tiefes Bedauern über den Tod des | |
jungen Mannes" aussprach. Er werde bei minderjährigen Flüchtlingen künftig | |
auf Abschiebehaft verzichten, kündigte Ahlhaus an- "es sei denn, die | |
Jugendlichen sind straffällig geworden". | |
Möglicherweise hätte der Innensenator nicht so reagiert, wenn zu dem | |
Zeitpunkt schon bekannt gewesen wäre, dass David M. tatsächlich 25 war. | |
Doch nun ist es zu spät. Ob sich durch die Kehrtwende des Senators viel an | |
der Situation jugendlicher Flüchtlinge ändert, ist gleichwohl fraglich. | |
Eine Anfrage der Linksfraktion in der Hamburger Bürgerschaft ergab, dass | |
die Ausländerbehörde im Jahr 2009 mehr als die Hälfte der minderjährigen | |
Flüchtlinge im Alter nach oben korrigiert hat - auf 18 Jahre. Abschiebehaft | |
und "Rückführung" wären dann sowieso kein Problem. | |
11 Mar 2010 | |
## AUTOREN | |
D. Wiese | |
B. Oertel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Fall David M.: Senatoren im Visier | |
Nach der Selbsttötung eines Abschiebehäftlings stellt der Flüchtlingsrat | |
Strafanzeige gegen die Senatoren für Justiz und Inneres. Die wollen sich | |
dazu nicht äußern. | |
Tod in Hamburger Abschiebehaft: Frühe Anzeichen für Suizidgefahr | |
Es gab frühe Anzeichen, dass der Georgier David M. selbstmordgefährdet war. | |
Das räumte der schwarz-grüne Hamburger Senat auf eine Anfrage der | |
SPD-Fraktion ein. | |
Hamburger Ausländerbehörde: Verschiebung per Röntgenstrahlen | |
In Hamburg entscheidet die Ausländerbehörde, wie alt Flüchtlinge sind – sie | |
werden geröntgent. Der Deutsche Ärztetag hat das als "wissenschaftlich | |
höchst umstritten" kritisiert. | |
Politologe über jugendliche Flüchtlinge: "Jugendhilfe muss an erste Stelle" | |
Nach dem Suizid eines georgischen Flüchtlings in Hamburg: Jugendliche, die | |
ohne Verwandte nach Deutschland fliehen, brauchen Unterstützung, fordert | |
Fachmann Berthold. | |
Kommentar Suizid in Abschiebehaft: Tod eines Flüchtlings | |
Hamburgs CDU-Innensenator will keine minderjährigen Flüchtlinge mehr in | |
Abschiebehaft nehmen lassen. Immerhin. Noch besser wäre es, den deutschen | |
Umgang mit Flüchtlingen insgesamt zu überdenken. | |
Suizid in Abschiebehaft: Toter Flüchtling bewegt Ahlhaus | |
Im Fall des Georgiers David M. , der sich am Sonntag im | |
Untersuchungsgefängnis erhängt hat, zieht der Hamburger CDU-Innensenator | |
Konsequenzen und setzt die Abschiebehaft für minderjährige Flüchtlinge aus. | |
Drohende Abschiebung in Hamburg: Unter Extremismusverdacht | |
Eine tschetschenische Familie soll abgeschoben werden. Die Behörde wertet | |
die Anwesenheit des Familienvaters in einem gemeinnützigen Kulturverein als | |
Terror-Bekenntnis. |