# taz.de -- Neonazi-Demo: Der rechtsextreme Netzwerker | |
> Sebastian Schmidtke organisiert die Neonazi-Demo am 1. Mai. Der | |
> NPD-Landesvize ist das Bindeglied zwischen Partei und gewaltbereiten | |
> autonomen Nationalisten. Auf einschlägigen Webseiten zieht er die | |
> Strippen. | |
Bild: Sebastian Schmidtke (mit Basecap vor dem Leittransparent) bei der von ihm… | |
Das Flugblatt hängt am Bundestag. "Unserem Volk eine Zukunft - Nationaler | |
Sozialismus jetzt" steht darauf. Am Roten Rathaus klebt direkt unter dem | |
Schild "Der Regierende Bürgermeister von Berlin" ein weiterer Zettel: | |
"Wegen Betrug vom Volk geschlossen", ist dort zu lesen. Dazu der Link auf | |
die rechtsextreme Internetseite, auf der die Fotos von den | |
Flugblattaktionen zu sehen sind. | |
Darauf erscheinen bereits seit Anfang März nach jedem Wochenende Berichte | |
über Aktionen der "freien Kräfte" des "nationalen Widerstands". Mal in | |
Spandau. Mal im Wedding. Mal in Marzahn. Die Fotos zeigen Infostände, | |
Grafitti oder auch Demotraining im Wald. Und alle werben für die | |
rechtsextreme Demonstration am 1. Mai. Zentrale Figur hinter dieser | |
Kampagne ist Sebastian Schmidtke. Schon im Oktober warb er für den | |
Aufmarsch in der Hauptstadt. Er ist Anmelder der Demo. Er wird als | |
presserechtlich Verantwortlicher auf den Flugblättern genannt. Seine | |
Handynummer ist auf allen einschlägigen Internetseiten zu finden. | |
Schmidtke stammt aus Strausberg. Dort war er beim Kameradschaftsnetzwerk | |
"Märkischer Heimatschutz" aktiv. In Berlin fiel er als Anmelder zahlreicher | |
Demonstrationen für ein "nationales Jugendzentrum" auf. Seit dem Verbot der | |
Kameradschaften im Jahr 2005 ist er bei den "freien Kräften" aktiv, die - | |
auch um weiteren Verboten zu entgehen - weder offizielle Strukturen noch | |
feste Namen haben. Doch seit Februar hat Schmidtke auch ein offizielles | |
Amt: Er ist stellvertretender Landesvorsitzender der NPD. | |
"Schmidtke ist wichtig für die Integration der Kameradschaftsstrukturen in | |
die NPD", sagt Sebastian Werhahn von der Mobilen Beratung gegen | |
Rechtsextremisums (MBR). Im März trafen sich die Kameraden in der | |
NPD-Zentrale zum Workshop. Es ging um "Antikapitalismus von rechts". Das | |
Ergebnis wurde als Broschüre zum Download ins Netz gestellt. Die | |
Verstaatlichung von Schüsselindustrien wird da gefordert. Und die | |
"Rückreise der hier ansässigen Ausländer in ihre Heimatländer". "Nationaler | |
Sozialismus ist für die nicht nur ein Label", sagt Wehrhahn. "Die nehmen | |
das ernst." | |
"Die" nennen sich heute gern "autonome Nationalisten". Deren Zahl habe sich | |
seit 2007 bundesweit von 400 auf 800 verdoppelt, warnte kürzlich der Chef | |
des Bundesamts für Verfassungsschutz, Heinz Fromm. Ihre Schwerpunkte lägen | |
im Ruhrgebiet - und in Berlin. "Wir hätten die Zahl schon vor drei Jahren | |
doppelt so hoch eingeschätzt", sagt Eike Sanders vom Antifaschistischen | |
Pressearchiv (Apabiz). Doch in einem Punkt stimmen die Beobachter überein: | |
Die autonomen Nationalisten sind weniger an langweiliger Parteipolitik als | |
an Aktionen interessiert. Auch an Gewalt. | |
"Es geht ganz klar gegen Menschen", sagt Sanders. "Das ist unheimlich." | |
Seit Ende 2009 wurden in Berlin zahlreiche Treffpunkte der linken Szene | |
angegriffen. Wer dahinter steckt, ist unklar. Einmal wurde eine | |
rechtsextreme Internetadresse an eine Wand gesprayt. Auf der Seite findet | |
man eine umfangreiche Liste "Linker Läden" und regelmäßig Schmidtkes | |
Mobilisierungstexte. "Erkenne deinen politischen Gegner", steht über einem | |
der letzten Berichte. | |
Schon äußerlich könnte Schmidtke ein Prototyp der autonomen Nationalisten | |
sein. Er tritt in schwarzen Klamotten auf, trägt Basecap und würde beim | |
ersten Blick auch inmitten einer Antifa-Gruppe kaum auffallen. In so einem | |
Outfit können sich die "Nationalen Sozialisten" unauffällig bewegen. "Sie | |
sind im Moment superdreist", sagt Apabiz-Mitarbeiterin Sanders. Am Mittwoch | |
besuchte Schmidtke sogar den Verfassungsschutzausschuss des | |
Abgeordnetenhauses. Die Parlamentarier diskutierten über den 1. Mai. | |
Ob dahinter ein bloßes Aufplustern oder tatsächlich eine neue Stärke der | |
Rechtsextremen steht, "wird sich am 1. Mai entscheiden", sagt | |
MBR-Mitarbeiter Werhahn. Zuletzt bat Schmidtke im Internet darum, "dass | |
sich Reisegruppen bitte anmelden". Das könnte auf szeneinterne | |
Mobilisierungsprobleme hindeuten. Doch auch wenn der Aufmarsch am 1. Mai | |
kein Erfolg für die Nazis werde, dürfe man sie nicht unterschätzen, sagt | |
Werhahn. "Für potenzielle Opfer ist es letztlich egal, ob sie aus einer | |
Position der Stärke oder der Schwäche bedroht werden." | |
taz.de berichtet Freitag ab 17 Uhr und Samstag den ganzen Tag im LIVETICKER | |
von den Demos in Berlin, Hamburg und Rostock. | |
30 Apr 2010 | |
## AUTOREN | |
Gereon Asmuth | |
Gereon Asmuth | |
## TAGS | |
Latin Affairs | |
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