# taz.de -- Beim Cashflow-Club in Wittenberg: Raus aus dem Hamsterrad | |
> "Arme arbeiten für ihr Geld, Reiche lassen ihr Geld für sich arbeiten." | |
> Sagt Robert Kiyosaki, Erfinder des Brettspiels Cashflow. Ein Besuch des | |
> Cashflow-Club in Wittenberg . | |
Bild: Ziel ist es, aus dem Hamsterrad raus zukommen - auf die Überholspur. | |
Der Cashflow-Club in Wittenberg ist einer unter zahlreichen anderen | |
gleichartigen Spielclubs, die sich in den letzten Jahren in Deutschland, | |
Österreich und der Schweiz gegründet haben. Ihr Zweck liegt in der Werbung | |
für die Ideen und Produkte der Firma Cashflow Technologies, Inc. von Robert | |
Kiyosaki. Der US amerikanische Selfmade-Multimillionär (1967 auf Hawaii | |
geboren) hat während des Börsenbooms mit Immobilienspekulationen eine Menge | |
Geld verdient und wurde reich durch seinen Bestseller "Rich Dad, Poor Dad", | |
der im Jahr 2000 in den USA erschien und dort sechs Jahre auf der | |
Bestsellerliste der New York Times stand. Mit diesem und ähnlichen | |
Handbüchern zum Thema Wege zu Erfolg und Reichtum wurde er zum Geldguru für | |
die unablässig vom Absturz bedrohte amerikanische Mittelschicht. | |
Seine Empfehlung lautet, der Normalbürger soll zum Unternehmer werden, zum | |
Investor und sich durch Einkünfte aus Immobilien, Aktien und Obligationen | |
von den Zwängen seiner beängstigend abhängigen Existenz befreien. Er | |
entwickelte das Brettspiel "Cashflow 101" in Anlehnung an das | |
Monopoly-Spiel, das 1930 während der Großen Depression in den USA entstand | |
und bis heute eines der weltweit meistverkauften Brettspiele ist. "Cashflow | |
101" soll zeigen, so die Botschaft auf der Schachtel: "Wie du deinen | |
finanziellen IQ schnell und einfach steigerst" und "Wie jedermann reich und | |
finanziell frei werden kann sogar mit kleinem Einkommen." | |
In Deutschland gibt es das Spiel zum Preis von 197 Euro zu kaufen. Das | |
Nachfolgespiel, "Cashflow 202", kostet 118 Euro und wird angesichts der | |
Umstände mit dem Satz beworben: "Wie profitiert man, wenn die Märkte | |
zusammenbrechen?" Es gibt ein Cashflow-Team, das die Produkte von Kiyosaki | |
in Deutschland, Österreich und der Schweiz vertreibt und interessierte | |
Leute dazu einlädt, Clubs zu gründen und als Spielleiter zu fungieren. Die | |
Spielleiter werden bei Weiterverkauf der Spiele und Bücher durch Prämien | |
beteiligt. Es gibt Meisterschaften zwischen den Spielerteams der | |
verschiedenen Clubs, und es gibt Spielleiter-Schulungen und -Seminare, | |
sogar in Arizona. | |
Einer der Clubgründer in den neuen Bundesländern ist Mathias Zdzieblowski. | |
Er war umstandslos bereit, sich mit uns zu treffen. An einem sonnigen Tag | |
im Mai fahren wir nach Wittenberg, durch sonntäglich leere Dörfer, vorbei | |
am kalten Gelb des blühenden Rapses und an nicht enden wollenden | |
Spargelfeldern, auf denen sich die Erntehelfer aus Rumänien und die | |
zwangsverpflichteten deutschen Hartz-IV-Empfänger für miserable Bezahlung | |
nach den teuren Trieben bücken. | |
Die Lutherstadt ist schön restauriert im Zentrum. Touristen flanieren, das | |
Softeis schmilzt, die Glocken läuten. Unweit von Marktplatz und | |
Marienkirche, im komfortablen Versicherungsbüro einer Bekannten, empfängt | |
uns Herr Zdziedblowski im Businessanzug sehr gastlich, höflich und ernst. | |
Er ist ein durchtrainierter, kräftiger junger Mann. Ein bisschen irritiert | |
mich jedoch seine perfekt rasierte Glatze. Aber es gibt ja heute alle Arten | |
von Glatzensignalen. Meine Frage, ob seine Frisur einen politischen | |
Hintergrund hat, verneint er entschieden und lacht, zu meiner | |
Erleichterung. Er erklärt, es sei so lediglich praktischer beim Sport. "Ich | |
mache Kraftsport, mache Kampfsport, mache alles, was es so an actionreichen | |
Sportarten gibt. Nur Snowboard gefällt mir nicht." | |
Dann erzählt er uns seine Geschichte. "Ich bin hier in der Lutherstadt 1984 | |
geboren, bin also 25 Jahre alt, die DDR habe ich nur noch so grau im | |
Hinterkopf. Dass da immer mal Fahnen draußen hingen, und auch an das | |
Alu-Geld, daran erinnere ich mich noch. Ich habe einen älteren Bruder, | |
meine Mutter ist Verwaltungsfachangestellte und mein Vater ist gelernter | |
Schlosser, Metallbaufacharbeiter. Ich bin noch Junggeselle, wohne momentan | |
auch noch zu Hause, bin aber gerade dabei, in eine eigene Wohnung zu | |
übersiedeln. | |
Nach dem Abitur bin ich zur Bundeswehr gegangen und habe dort eine | |
Ausbildung zum Bürokaufmann absolviert. Ich hatte viel Zeit, weil ich auf | |
einem Wirtschaftsgymnasium war und von daher schon eine Menge | |
Vorkenntnisse, viele Basics, besaß. Ich konnte nebenher meine erste | |
Unternehmung im ,Franchise' gründen und habe einen | |
,Empfehlungs-Marketing-Betrieb' mit unterschrieben. Also das ist eine | |
Unterkategorie des ,Network Marketing', sagt Ihnen das ein bisschen mehr? | |
Das ist eine Sonderform, bei der kein direkter Vertrieb stattfindet, wo die | |
Produkte an den Mann kommen rein nur auf Empfehlung. | |
Im Anschluss daran habe ich mich selbstständig gemacht mit diesem Konzept, | |
hier in Wittenberg, und habe dann mehrere Sachen ausprobiert. Habe sehr | |
viel persönliche Weiterbildung gemacht, habe Volkshochschulkurse besucht, | |
an Seminaren teilgenommen. Ich habe sämtliche Jobs gemacht, die ich | |
irgendwie greifen konnte. Nicht so sehr zum Geldverdienen, mehr auch, um zu | |
lernen. Ich war an Haustüren Klinken putzen, wie man das so schön sagt, ich | |
war auf dem Bau, habe Telefon-Marketing gemacht und auch Montagearbeit. Ich | |
habe in zahlreiche Branchen mal reingeschnuppert. Es war immer relativ | |
einfach, denn man hat viele Kontakte hier in Wittenberg. | |
Dann ist mir eines Tages dieses Buch in die Hände geraten von Bodo Schäfer | |
,Der Weg zur finanziellen Freiheit - In sieben Jahren die erste Million'. | |
So bin ich auf diesen Sektor aufmerksam geworden. Das nächste Buch war dann | |
schon ,Rich Dad, Poor Dad' von Robert Kiyosaki. Ich habe danach dieses | |
Spiel gesucht - in der deutschen Fassung gibt es das erst seit etwa 2007 - | |
und habe mich mit zwei Kameraden zusammengeschlossen. Ich war einer der | |
ersten Besteller. Gut, das war viel Geld. Keine Frage. Aber es war eine | |
erste Investition. Wir haben es gespielt und waren begeistert von dem | |
ganzen Sinn, der dahintersteckt. | |
## Der Bevölkerung nahebringen | |
Es besteht ja diese Initiative seitens der Firma, in ganz Deutschland | |
Cashflow-Clubs zu eröffnen, nicht nur um die Produkte zu verkaufen, auch um | |
das halt der Bevölkerung ein bisschen besser darzubieten und nahezubringen. | |
Es gab damals schon 20 bis 30 Clubs, die spielten aber mit der englischen | |
Version. So habe ich mich dann entschlossen, mit meinen Freunden zusammen, | |
hier den Cashflow-Club Wittenberg ins Leben zu rufen. Im Februar 2008 haben | |
wir das erste offizielle Spiel gemacht. Im Brauhaus vorn am Markt, eine | |
sehr gute Adresse. Wir mussten ja eine Location haben, eine schöne | |
Atmosphäre, wo Platz und Ruhe ist und wir uns auch verpflegen lassen | |
können. Ich habe damals dem Betreiber erst mal gesagt, dass wir einen | |
offiziellen Spielabend machen wollen, mehrere Leute, und der fragte | |
natürlich zurück: Spiele? Und ich habe erklärt, wir spielen kein Skat, wir | |
spielen ein Brettspiel, das auf Monopoly basiert und nur mit Spielgeld | |
gespielt wird. Und die haben gesagt, ja gut, okay. Also wir mussten keinen | |
Raum mieten, jeder zahlt nur das, was er konsumiert. Das Ganze soll ja auch | |
kostenlos sein für die Leute, die zum Spielen kommen, Ich habe alle | |
Vorbereitungen aus meiner eigenen Tasche finanziert, Flyerdrucken, | |
Rumfahren, Auslegen in den Tankstellen. | |
Es kamen dann aber gar nicht so viele Leute, wie ich befürchtet hatte, denn | |
ich habe nur zwei Spiele. Eines habe ich gekauft, und ein Clubspiel habe | |
ich dazubekommen. Es können rein theoretisch 12 Personen an zwei Brettern | |
spielen. An dem Abend waren nur Männer da. Es ist gut angekommen, hat den | |
Leuten Spaß gemacht und der Lerneffekt war gut. Inzwischen haben wir auch | |
ein paar Frauen. Durchs Internet und die Flyer, kommen immer wieder neue | |
Leute dazu. Ich spiele in unregelmäßigen Abständen und nicht immer mit | |
demselben Team. Die Fluktuation ist groß, der eine ist auf Urlaub, der | |
andere hat Schicht. Aber es ist natürlich immer interessant. | |
Einmal, da haben wir zu viert gespielt, da hatte ich einen von einer | |
hiesigen Bank dabei, der war natürlich gut. Insgesamt ist es ein | |
ausschließlich junges Publikum, so in meinem Alter, bisher jedenfalls. Wenn | |
Sie beispielsweise nach Berlin gehen, da haben sie im Cashflow-Club auch | |
40- und 50-jährige Spieler dabei, also vorwiegend ältere. Aber auch junges | |
Publikum natürlich. Na ja, die Nebenerwartung, auch Spiele zu verkaufen, | |
die hat sich bisher nicht so erfüllt. Aber ich sage es mal so, ich mache | |
das als mein Wohltätigkeitsprojekt, ich spende meine Zeit und mein Wissen | |
dafür, die Idee anderen nahezubringen. | |
## Spielen und spenden | |
Eine kleine Zwischenbemerkung möchte ich machen. Spenden spielt eine | |
wichtige Rolle im Spiel, und ich persönlich halte diese Seite auch für sehr | |
wichtig, damit man nicht nur das Geld vermehrt. Also es kann sogar ein | |
Antrieb sein im Spiel. Und auch im Leben, damit man seiner | |
Lieblingsorganisation mehr Geld zukommen lassen kann." Wir fragen ein wenig | |
hohntriefend, ob er denn auch im wirklichen Leben Geld spendet. Ernst, aber | |
ohne Pathos erzählt er: "Ja. Ich persönlich spende regelmäßig, zum Beispiel | |
für die Freiwillige Feuerwehr, schon seit meinem 13. Lebensjahr, so lange | |
bin ich schon dabei. Heute bin ich Gruppenführer und Einsatzleiter, habe | |
die Jugend ausgebildet und außer Geld auch sehr, sehr viel Freizeit dafür | |
gespendet. Dann spende ich noch für die Kontaktgruppe ,Behinderte und | |
Nichtbehinderte Regensburg', wo ich eine Weile auf Ausbildung war. | |
Und ich spende auch für die Kriegsgräberfürsorge, und zwar deshalb, weil | |
ich über diese Organisation meinen im Krieg vermissten Urgroßvater gefunden | |
habe. Mein Großvater, der mit bei uns zu Hause wohnt, ist aus dem | |
ehemaligen Königsberg und hat 60 Jahre lang nicht gewusst, wo sein Vater | |
geblieben ist oder wo er begraben wurde. Der hat sich dann mit 73 Jahren, | |
mit einem Rucksack auf dem Rücken, auf die Reise gemacht, dort hoch, zum | |
Grab seines Vaters auf einem Soldatenfriedhof. Er ist am 15. September 1943 | |
gefallen und wir haben vom 13. September seinen letzten Brief, wo er halt | |
schreibt, wir haben demnächst was Großes vor … Das hat mich tief | |
beeindruckt. Gern wäre ich mitgefahren, aber ich konnte damals nicht. Das | |
sind also derzeit meine Spenden, und jetzt komme ich wieder zum Spiel. | |
Das sagte ich ja schon, dass jeder kommen und mitspielen kann, der Lust | |
dazu hat. Ja, manchmal kommen auch Arbeitslose, selbstverständlich können | |
die mitspielen. Wenn sie wollen. Aber es beschäftigt sich ja nicht jeder so | |
gerne mit Geld. Zwar klagt jeder, dass so wenig davon da ist, aber sich | |
darüber unterhalten, woran das liegt, das fällt manchem schwer. Deshalb | |
gebe ich am Anfang immer eine kleine Einführung zum Thema Entstehung des | |
Brettspiels, was der Sinn des Ganzen ist. Ich erzähle von den zwei Vätern | |
Kiyosakis, ,Rich Dad, Poor Dad', dem Sozialisten und dem Kapitalisten, und | |
wie er sich entschieden hat für den reichen Vater, dass aber auch die | |
anderen Aspekte mit reinspielen, ganz klar! Und wie dann das Spiel auch auf | |
der Basis seiner eigenen Erfahrungen entstanden ist. | |
Also kein Spiel, jedenfalls keines. das ich kenne, ist so nah an der | |
Realität aufgebaut. Man kann arbeitslos werde, man kann Kinder bekommen. | |
Und dann erkläre ich halt den Spielern, dass es hauptsächlich darum geht, | |
den finanziellen IQ zu erweitern … ja, das ist so ein Begriff aus dem | |
Amerikanischen … und man kann eben spielerisch lernen, wie man das | |
erreicht. Wie man sein Blickfeld vergrößert und Initiativen ergreift. Aus | |
meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, dass sich das bei mir absolut | |
ausgewirkt hat. Seit ich das Spiel spiele, habe ich mich weiterentwickelt. | |
Ich bin tätig im Bereich Aktien. Immobilien nicht so, dafür fehlt mir noch | |
das nötige Kleingeld. Ich mache viele Geschäfte, und im Fokus steht halt | |
der Aufbau eines passiven Einkommens. Ganz klar. Aber wenn man das mal aufs | |
Spiel überträgt, so bin ich leider immer noch im inneren Kreis. | |
Herr Zdzieblowski füllt unsere Gläser nach und fragt, ob er das Spiel mal | |
aufstellen soll, zu Demonstrationszwecken. Wir sind gespannt, er klappt das | |
Brett auseinander, dessen dominierende Farben Magenta, Violett und Lila | |
sind, offensichtlich die Lieblingsfarben des Erfinders, denn auch sämtliche | |
Buchcover und Werbematerialien tragen diese Farben. Er stellt die | |
Spielfiguren auf, farbige Plastikratten in Sitzhaltung mit farblich dazu | |
passenden Käsestückchen, legt Würfel und Karten auf die Felder, das | |
Spielgeld bleibt im Karton. | |
"Das Spiel", sagt er, "wurde 1996 erfunden, im chinesischen Jahr der Ratte. | |
Deshalb die Ratten. Ich erkläre dann den neuen Spielern das Brett, also es | |
gibt diesen inneren Kreis, das ist die Tretmühle, das ,Rat Race' oder | |
Hamsterrad, wie wir sagen. Und es gibt diesen äußeren Kreis, den ,Fast | |
Track', also die Überholspur. Die Tretmühle symbolisiert den Alltag. Ich | |
stehe morgens auf, um arbeiten zu gehen, nicht weil ich Lust dazu habe, | |
sondern um meine Rechnungen zahlen zu können, um mir ein bisschen was | |
leisten zu können. Wer so denkt, bleibt für immer in diesem Hamsterrad. | |
Ziel des Spieles ist es - und das führt letztlich dann auch nur zum Gewinn | |
-, von der Tretmühle auf die Überholspur zu wechseln. Und das geht nur | |
durch den richtigen Umgang mit dem Geld. | |
## Auto und Eigenheim | |
Zu Beginn des Spieles zieht jeder Spieler eine Berufskarte, also zum | |
Beispiel Pilot, Manager, Ingenieur, Krankenpfleger oder Lehrer, mit dem | |
jeweils zugeordneten Einkommen und den Ausgaben. Das sind alles | |
Bruttobeträge, aus dem Amerikanischen übernommen, die stimmen für uns so | |
nicht, ein Auto wird natürlich vorausgesetzt, ebenso ein Eigenheim. Aber es | |
geht ja nur darum, die Relationen bewusst zu machen. Und dann gibt es hier | |
dieses vorgedruckte DIN-A4-große Spielerblatt, auf dem man dann sein | |
persönliches Einkommen, die Ersparnisse und seine Verbindlichkeiten usw. | |
einträgt. Auf diesem Blatt führe ich meine Bilanz mit Bleistift - da die | |
sich ja ständig verändert wird viel radiert -, und so habe ich einen | |
Überblick darüber, wie ich gewirtschaftet habe. | |
Dann wählt noch jeder Spieler zu Beginn des Spieles, anhand der Felder | |
hier, seinen persönlichen Lebenstraum. Da kommt dann Ihr blaues Käsestück | |
drauf, wenn Sie Blue Rat sind. Das Käsestück, dem Sie von nun an | |
hinterherjagen. Wichtig ist noch: Wir spielen nicht gegeneinander, wir | |
spielen miteinander, geben uns ausnahmsweise auch mal gegenseitig Tipps, | |
aber eher wenig. Learning by doing, das gilt auch für Fehler. Das Feld | |
,Zahltag' zum Beispiel, das liegt 3-mal auf dem Weg der Ratten in der | |
Tretmühle. Jedes Mal, wenn ich drübergehe oder draufkomme, lasse ich mir | |
von der Bank mein Einkommen auszahlen, das Geld, das ich jeden Monat | |
überhabe. Wenn ich das vergesse und der nächste Spieler würfelt, dann ist | |
es weg. | |
Als Erstes lernt der Spieler, was Geld in die Tasche bringt und was Geld | |
aus der Tasche herauszieht. Also ein Eigenheim, ein Auto, was immer so | |
schön suggeriert, es wäre die wichtigste Investition im Leben, sind in | |
Wahrheit nur Verbindlichkeiten, die uns Geld aus der Tasche ziehen. Für die | |
Bank eine Investition, für uns eine Verbindlichkeit! Eine Investition ist | |
etwas, was wieder Geld zurückbringt. Und das strebe ich an. Die Differenz | |
zwischen meinen monatlichen Einkünften und Ausgaben, das ist der monatliche | |
Cashflow, den ich habe. Und mit diesem Geld arbeite ich, und ich lerne, | |
dass ich es nicht für Schnickschnack ausgeben sollte, sondern lieber in | |
Immobilien und Aktien anlege. Wir haben alles dabei an Angeboten. Ich kann | |
ein Haus, eine Eigentumswohnung kaufen und dann in meiner Einkommensspalte | |
unter ,Immobilien' die Mieteinnahmen verbuchen. Ein erster Schritt in die | |
Unabhängigkeit! Ziel ist ja, raus aus dem Hamsterrad und auf die | |
Überholspur zu kommen. Das schaffe ich aber nur dadurch, dass ich mein | |
passives Einkommen permanent erhöhe. Durch Mieteinnahmen aus Immobilien, | |
die ich kaufe, durch Firmentätigkeit etc., bis meine gesamten Ausgaben | |
dadurch gedeckt sind." Wir merken an, dass Immobilienkrise und Leerstand | |
wohl nicht vorgesehen sind. | |
## Arbeitslos? Genickbruch! | |
"Nein", sagt er ernst, "das Spiel ist ja von 1996. Aber es gibt hier das | |
Feld ABEITSLOS, das gefürchtet ist, da heißt es dann: Zahle den Betrag | |
deiner gesamten Ausgaben an die Bank, setze zwei Runden aus. Es bedeutet, | |
dass ich arbeitslos werde, kein Einkommen habe, meine Ausgaben aber gleich | |
bleiben. Das ist für viele der Genickbruch. Man muss einen Kredit bei der | |
Bank aufnehmen zu horrenden Zinsen, sonst hat man einen negativen Cashflow. | |
Nicht so beliebt ist auch das Feld ,Kinder'." Er lacht etwas verlegen. "Zu | |
Beginn des Spieles hat übrigens jeder Spieler null Kinder. Aber dann kann | |
es passieren, dass man mehrmals auf das Feld kommt. Ich erkläre immer: Das | |
ist an sich kein schlimmes Feld. Gut, es erhöht die Ausgaben, ganz klar, | |
keine Frage. Aber man muss das auch als Anreiz sehen, sich sagen, pass auf, | |
jetzt hast du noch mehr Verantwortung. Jetzt musst du dich noch mehr | |
engagieren, musst noch riskanter arbeiten, es noch mehr vorantreiben, aus | |
der Tretmühle der Lohnabhängigkeit herauszukommen. Ich hebe den Ansporn | |
hervor, damit es nicht zu negativ gesehen wird. Es geht ja nur um eins: Ich | |
muss mein passives Einkommen so steigern, dass ich nicht mehr arbeiten | |
gehen MUSS. Das ist das Ziel, das ich erkämpfe. | |
Vom inneren Kreis, der Tretmühle, dem ,Rat Race', können Sie also in dem | |
Augenblick auf die Überholspur, den ,Fast Track', überwechseln, in dem Sie | |
Ihre Vermögenswerte so angehäuft haben, dass Ihr Einkommen in der | |
Einnahmenspalte höher ist als Ihre gesamten Ausgaben. Sie also nicht mehr | |
von Ihrer Arbeit abhängig sind. Und dass Sie dahin kommen, das ist nicht | |
nur Glück beim Würfeln, sondern auch, dass Sie genug Deals gemacht und eine | |
Summe von Gelegenheiten gut genutzt haben. Und wenn Sie also auf die | |
Überholspur wechseln, zum ,Big Business', und Ihr passives Einkommen | |
beträgt vielleicht 2.000 Euro beim Übergang, dann verhundertfacht sich das | |
automatisch auf 200.000 Euro. Es heißt ja ,Fast Track'. | |
## Die Überholspur | |
Natürlich haben wir hier auf der Überholspur kein Arbeitslosenfeld mehr. | |
Ich kann mir hier alles kaufen. Ich habe jetzt jeden Monat - immer wenn ich | |
über Cashflow gehe - meine 200.000 Euro. Das sind meine Einnahmen aus | |
Immobilien- und Aktiengeschäften. Die überweist mir die Bank, ob ich will | |
oder nicht. Und mit diesem Geld kaufe ich mir zum Beispiel einen | |
Lkw-Teile-Hersteller für 150.000 Euro und bekomme weitere 5.000 Euro im | |
Monat. Allerdings gibt es hier auch noch dieses unangenehme Feld | |
,Steuerprüfung'. | |
Und dann sind da noch diese rosa Feldchen, wo sich jeder seinen | |
persönlichen Lebenstraum gewählt hat zu Beginn des Spieles. Die einen | |
Träume sind mehr egoistisch, die anderen altruistisch. Da haben wir u. a. | |
eine Bibliothek für Kinder, ein Forschungslabor für Krebs und Aids, eine | |
Aktienbörse für Kinder oder auch einen Wald, eine Südseeinsel, eine | |
Angelhütte am Bergsee. Es gibt auch ein Abendessen mit dem | |
Bundespräsidenten, das kostet zum Beispiel 100.000 Euro." Auf die Frage, ob | |
denn jemand 100.000 Euro dafür ausgibt, nur um hinterher Insolvenz | |
anzumelden, sagt er ernst: "Das Geld habe ich doch! Sie müssen verstehen, | |
wir spielen hier in einer anderen Einkommensklasse. Also wo auch immer Sie | |
Ihren Käse auf Ihren Traum gelegt haben, Sie haben die Möglichkeit, auf | |
diesen Traum zu würfeln, und wenn Sie sich den dann leisten können, dann | |
haben Sie das Spiel gewonnen. Es gibt zwei Möglichkeiten, das Spiel zu | |
gewinnen, entweder Sie erfüllen sich Ihren Traum, oder Sie machen weiter | |
wie bisher, auf den grünen Feldern, und vermehren Ihr passives Einkommen so | |
weit, bis Sie mit 50.000 Euro drüberliegen, dann haben Sie auch gewonnen. | |
Wenn einer gewonnen hat, ist das Spiel für alle vorbei. | |
Wenn nach zwei Stunden noch keiner gewonnen hat, dann breche ich das Spiel | |
ab, auch wenn es in der heißen Phase ist. Aus dem einfachen Grund, ich will | |
die Leute animieren, sich beim nächsten Mal mehr anzustrengen. Nach dem | |
Spiel mache ich dann immer noch eine kleine Nachbesprechung. | |
Grade am Anfang kommt es oft vor, dass die Spieler es nicht schaffen, aus | |
dem inneren Kreis, der Tretmühle, rauszukommen. Es liegt natürlich einmal | |
daran, wie die Würfel fallen, aber auch am Persönlichen. Jemand, der sehr | |
vorsichtig ist, nichts riskiert im Leben, der wird auch im Spiel so | |
handeln. Und wenn einer eine klare Zielsetzungen und eine gewisse | |
Risikobereitschaft hat, dann hat er die im Spiel auch. Wenn also jemand | |
einen Deal zieht mit einer Aktie, die 10 Euro kostet, sagt der eine, ich | |
kauf mal 10 Stück. Und der andere kauft eben 2.000 Stück und hat dann | |
natürlich eine wesentlich höhere Rendite, mit der er wieder andere | |
Geschäfte machen kann. Oft sind diejenigen, die nicht rauskommen, keine | |
Deals machen, auch diejenigen, die sagen: Ich hatte einfach keine | |
Gelegenheit, ich habe schlechte Karten gezogen, wurde oft arbeitslos, habe | |
viele Kinder bekommen. Das sind aber meist auch diejenigen, die nie | |
gespendet haben. Und da haben Sie die Wohltätigkeit! Von meinem gesamten | |
Einkommen kann ich 10 Prozent spenden. Das bringt meist einen Schub, denn | |
ich darf 3 Runden lang statt mit einem mit 2 Würfeln spielen. Gut, man kann | |
dann gleich wieder auf dem Kinderfeld landen, wenn man Pech hat, aber der | |
Vorteil ist, ich komme häufiger über das Einkommensfeld. | |
Es gibt auch Leute, die mit dem Spiel nicht viel anfangen können, aber | |
nicht sehen, dass sie was falsch machen im Leben. Abwehr! So was gibt es | |
auch. Sie begründen es damit, dass es keinen Spaß macht, dass sie nicht | |
weiterkommen, sie sagen, das ist mir zu geldfixiert. Jemand mag vielleicht | |
Aktien nicht, findet, das ist alles Schwindel, Geldschneiderei. Aber wenn | |
ich von Grund auf die Ablehnung habe gegen Aktien, dann sehe ich im Spiel | |
zwar, ich kann Geld damit verdienen, mache es aber nicht. Und das führt | |
dann dazu, dass diese Leute nichts großartig leisten können auf dem | |
Spielplatz. Und die anderen lernen eben, ah, es funktioniert!" Er holt ein | |
Papier aus der Tasche: "Nur mal so ein Beispiel, zum Thema Aktien. Das ist | |
vom August 2009. Wenn man nur mal den DAX vergleicht, keine Einzelaktien | |
jetzt, dann ist hier wunderbar zu sehen, wie der DAX gefallen und wie er | |
hier wieder hochgekommen ist. Hätten wir für 3.800 Punkte hier gekauft, wo | |
die Krise richtig reingehauen hat, und hätten wir hier für 5.400 Punkte | |
wieder verkauft, hätte ich in 6 Monaten eine Rendite von äh … 30 % gehabt, | |
das wäre machbar gewesen. | |
## Aktienmarkt für jedermann | |
Und es ist ja nicht so, dass der Aktienmarkt jemandem verwehrt ist oder der | |
Immobilienmarkt - um nur mal einen Teilbereich herauszugreifen. Jeder | |
sieht, das kann ich auch. Also es findet eine gewisse | |
Persönlichkeitsentwicklung statt im Spiel. Natürlich, das Spiel kann und | |
soll jetzt nicht den absoluten Investor aus einem machen. Es soll einfach | |
Grundlagen und vor allem Anreize schaffen. Wenn ich dieses Spiel oft spiele | |
und mit Herzblut spiele, dann wird sich automatisch bei mir was ändern. Ich | |
werde dreimal überlegen, ob ich mir einen neuen Flachbildschirmfernseher | |
kaufe für mein hart erarbeitetes Geld oder ob ich es gewinnbringend | |
investiere. Ob ich endlich dieses Mittelschichtdenken überwinde und damit | |
anfange, zu denken wie die Reichen, wie Kiyosaki sagt: ,Arme arbeiten hart | |
für ihr Geld, Reiche lassen ihr Geld hart für sich arbeiten.' " | |
Ich nehme zerstreut eine der Karten vom Spielbrett und schaue sie an. Sie | |
trägt folgenden Text: "Die Inflation steigt auf 10 % und die Zinsen für | |
Hypotheken von Einfamilienhäusern steigen auf 20 %. Alle deine vermieteten | |
Einfamilienhäuser (EFH) sind betroffen (kein anderer Spieler) und stehen | |
nun zur Zwangsversteigerung aus, da du mit variablen Zinssätzen finanziert | |
hast. Du musst alle Einfamilienhäuser an die Bank zurückgeben und verlierst | |
den jeweiligen Cashflow aus deinen Objekten." | |
31 May 2010 | |
## AUTOREN | |
Gabriele Goettle | |
## TAGS | |
Luther | |
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