# taz.de -- Religion in Berlin: Acht Stunden lang christliche Scharia | |
> Auch Berlin bekommt 2017 einen Feiertag. Aber das Tanzverbot an | |
> Karfreitag bleibt. | |
Bild: So soll er ausgesehen haben: Martin Luther, dem die Berlinern nun einen F… | |
Nein, das ist kein Aprilscherz. Und es soll auch keiner sein, weswegen der | |
Senat schon am Dienstag, den 31. März, die Vorlage von Innensenator Frank | |
Henkel (CDU) abgenickt hat. Die dazugehörige Pressemitteilung der | |
Senatskanzlei lautet kurz und bündig: „Das Reformationsjubiläum 2017 soll | |
in Berlin mit einem einmaligen gesetzlichen Feiertag begangen werden, um so | |
der Bedeutung der Reformation als herausragendem welt- und | |
kulturgeschichtlichen Ereignis Rechnung zu tragen. Der 31. Oktober 2017 – | |
der 500. Jahrestag des Thesenanschlags durch Martin Luther – soll daher im | |
Berliner Sonn- und Feiertagsgesetz zum gesetzlichen Feiertag bestimmt | |
werden.“ | |
Das mit dem Gesetz geht übrigens auf die Piraten zurück. Ursprünglich | |
wollte der Senat das einfach per Verordnung regeln. So hoppla hopp halt, | |
wie auch die Bürgerbefragung für den Fall einer Berliner Olympiabewerbung. | |
Doch weil die Piraten eher an Gesetze glauben als an einen Gott, haben sie | |
den Innensenator darauf hingewiesen, dass sowohl das Sonn- und | |
Feiertagsgesetz geändert werden als auch das Abgeordnetenhaus zustimmen | |
muss. Das weitgehend agnostische Berlin muss nun also auch Luther huldigen | |
für einen einzigen Bummeltag. Denn vor und nach 2017 bleibt es dabei: | |
Reformationstage als Feiertag gibt es nur in den fünf neuen Bundesländern. | |
Alle anderen sind entweder katholisch oder fleißig. | |
Das wirft natürlich Fragen auf. Bislang ist es immer so, dass am 31. | |
Oktober Remmidemmi im KaDeWe und in den Galeries Lafayette herrscht. Dann | |
kommen sie nämlich, die Wiedergänger Luthers aus Potsdam, Prenzlau, Dessau | |
und Dresden, und jagen dem schnöden Mammon hinterher. Beziehungsweise: Sie | |
wollen ihr Geld loswerden. Das ist schlecht fürs Spirituelle, aber gut für | |
die Registrierkasse. Dass nun ausgerechnet ein CDU-Senator 2017 der armen | |
Hauptstadt das Geschäft vermiesen will, ist ein starkes Stück. | |
Doch dabei bleibt es nicht. 8,4 Millionen Euro will der Senat für die | |
Finanzierung des Evangelischen Kirchentags 2017 in Berlin bereitstellen. | |
Und wofür? Damit Zehntausende singend durch die Straßen pilgern und | |
Ringelreihen tanzend 500 Jahre zurückblicken? Ist das mit dem | |
Kulturstaatssekretär abgesprochen? Oder produziert sein ehemaliges Label | |
Universal ohnehin eine Kirchentags-CD mit dem Titel „Luther rockt Berlin“? | |
Amen allenthalben. Der Senat hat den eintägigen Ausnahmezustand | |
beschlossen, es aber verpasst, den alltäglichen religiösen Wahnsinn in die | |
Geschichtsbücher zu jagen. Denn noch immer gilt in Berlin das Tanzverbot zu | |
Ostern. Nicht ganz so schlimm zwar wie in Baden-Württemberg, wo das | |
Tanzbein von Gründonnerstag bis Ostermontag angebunden werden muss. Aber | |
auch in der Hauptstadt ist zumindest Karfreitag von 4 bis 21 Uhr Schluss | |
mit lustig. Wer dann in einem der Touri-Clubs auflegt, wird bestraft. | |
Zumindest acht Stunden lang herrscht in Berlin die christliche Scharia. | |
Wehe aber dem, der da seine eigenen Schlüsse draus zieht. Als die | |
Bildungsverwaltung im Januar verkündete, dass sich Schüler am 21. Juni auch | |
zum Welthumanistentag befreien lassen könnte, hob die CDU drohend das | |
Kreuz. Die CDU-Innenpolitikerin Cornelia Seibeld schimpfte: „Was kommt als | |
Nächstes?“ | |
Die Antwort ist klar: die Reform des Sonn- und Feiertagsgesetzes wieder | |
abschaffen. Damit nicht nur die Frühaufsteher aus Sachsen-Anhalt am 31. | |
Oktober 2017 in Berlin ihr Geld lassen können, sondern auch die | |
Kirchentagsbesucher. Berlin braucht schließlich keinen Feiertag, sondern | |
Umsatz. UWE RADA | |
3 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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