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# taz.de -- Das Biobankgeheimnis: Schweigepflicht für Genforscher
> Der Deutsche Ethikrat möchte Forschern den Zugriff auf Körpergewebe und
> Daten der Probanden erleichtern. Zum Schutz der "Spender" soll ein
> Bankgeheimnis für Biobanken eingeführt werden.
Bild: Biobanken – ein wertvoller und schützenswerter Datenschatz.
Der Grundsatz gilt für jede Forschung am Menschen: Wer an einer klinischen
Studie teilnimmt, muss wissen können, worauf er sich einlässt. Zwingend ist
eine verständliche Aufklärung über Forschungszwecke, angestrebte Verwertung
der Ergebnisse, gesundheitliche Risiken. Nur so ist – zumindest in der
Theorie – erreichbar, was Juristen "informierte Einwilligung" nennen.
Der Deutsche Ethikrat (DER) empfiehlt dem Gesetzgeber nun die Einführung
eines neuen rechtlichen Instruments, das Genforschern die Arbeit
erleichtern und gleichzeitig die Interessen von Probanden schützen soll:
das "Biobankgeheimnis".
Typisch für Biobanken ist, dass Menschen Körpersubstanzen und Daten für
Forschungsprojekte zur Verfügung stellen, "die zum Zeitpunkt der Erhebung
noch nicht definiert sind", erläutert der DER in seiner ausführlichen
Stellungnahme [1]["Humanbiobanken für die Forschung".] Eine
"Vorausinformation", wie lange und für welche Zwecke Proben und Daten
genutzt werden sollen, sei "in der Regel nicht möglich", heißt es dort.
Solche "strukturellen Besonderheiten", die eine informierte Einwilligung
der Spender praktisch unmöglich machen, stellt der DER nicht in Frage. Die
Einschränkung der Information sei legitim, wenn im Gegenzug ein gesetzlich
festgeschriebenes Biobankgeheimnis gelte.
Dies sieht nach Empfehlung des DER im Kern eine "Schweigepflicht" vor, die
für alle Mitarbeiter einer Biobank und Forscher gelten soll, die auf Proben
und Daten zugreifen wollen. Sofern diese verschlüsselt oder anonymisiert
seien, müssten Maßnahmen zur Identifikation der Spender untersagt werden.
Eine Weitergabe persönlicher Spenderdaten an nichtwissenschaftliche
Einrichtungen wie Versicherungen und Arbeitgeber sei zu verbieten. Den
Zugriff interessierter Strafverfolger soll ein Beschlagnahmeverbot
ausschließen. Unter diesen Voraussetzungen soll es nach Meinung des DER für
Spender auch opportun sein, eine Art Blankoscheck auszustellen, also ihre
Proben und Daten ohne Beschränkung auf ein bestimmtes Forschungsprojekt
oder -gebiet "zeitlich unbegrenzt für wissenschaftliche Forschung" zur
Verfügung zu stellen.
Ein wichtiges Recht soll der Spender allerdings nicht aufgeben dürfen: die
Option, die Verwendung seiner Daten und Proben jederzeit widerrufen zu
können, solange diese nicht anonymisiert worden sind.
Zum "Fünf-Säulen-Konzept" des DER für die gesetzliche Regulierung von
Biobanken gehört auch die "Einbeziehung von Ethikkommissionen". Allerdings
sollen diese nur dann ein zustimmendes Votum abgeben müssen, wenn Forscher
mit personenbezogenen Daten und Proben arbeiten wollen; ist die Identität
der Spender dagegen nicht erkennbar, sei es entbehrlich, Einzelprojekte zu
begutachten – weil ja das Biobankgeheimnis gelte, meint der DER.
Ungewiss ist, wie viele Biobanken es hierzulande in Kliniken, Laboren und
Pharmafirmen überhaupt gibt. Für Überschaubarkeit könnte gemäß Empfehlung
des DER ein "öffentliches Biobankenregister" sorgen. Es soll im Internet
stehen, Verantwortliche und Rechtsform der jeweiligen Biobank nennen und
allgemeinverständlich über Aktivitäten, Sammel- und Speicherregeln
berichten. Allerdings sagt der DER nicht, ob Biobanken auch verpflichtet
werden sollen, ihre Daten via Register bekannt zu machen.
Gefördert mit 256.000 Euro vom Bundesforschungsministerium, baut der Verein
"Telematikplattform für Medizinische Forschungsnetze" (TMF) derzeit ein
"[2][Deutsches Biobanken-Register]" im Internet auf. Bisher sind dort
Angaben zu 26 Biobanken zu lesen – in englischer Sprache, denn erklärter
Anspruch des Registers ist nicht nur "Transparenz". Vor allem geht es
darum, internationale "Kooperationen zwischen Wissenschaftlern zu
vermitteln".
In einer ersten Stellungnahme schließt sich die TMF "vorbehaltlos" der
folgenden Aussage des DER an: "Wenn man Biobanken als Ressource für die
wissenschaftliche Forschung akzeptiert, sind Regelungen erforderlich, die
eine weniger restriktive Zweckbindung für die Nutzung von
Biobankmaterialien und -daten zulassen als im geltenden Datenschutzrecht
vorgesehen."
In Unikliniken lagern zig Millionen Proben von Körpersubstanzen, die
bereits gesammelt wurden, als über gesetzliche Regeln für Biobanken noch
gar nicht diskutiert wurde. Diese sogenannten Altproben, entnommen in der
Regel für diagnostische Zwecke und gelagert ohne ausdrückliche Einwilligung
der Betroffenen, will der DER offensichtlich nicht antasten.
In einer Fußnote seiner langen Stellungnahme verweist er auf
"Übergangslösungen", die der Nationale Ethikrat (NER), also das
Vorgängergremium des DER, 2004 befürwortet hatte. Darin heißt es: "Die
Sammlungen wären für die Forschung verloren, wenn man sie rückwirkend nach
heutigen Kriterien beurteilen und für ihre Nutzung eine wirksame
Einwilligung und Aufklärung fordern würde."
18 Jun 2010
## LINKS
[1] http://www.ethikrat.org/publikationen/stellungnahmen/humanbiobanken
[2] http://www.biobanken.de
## AUTOREN
Klaus-Peter Görlitzer
## TAGS
Patientendaten
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