# taz.de -- Reform der Sicherungsverwahrung: Künftig auch bei Ersttätern | |
> Die Justizministerkonferenz der Länder begrüßt die geplante Reform der | |
> Sicherungsverwahrung. Bei Altfällen soll die elektronische Fußfessel zum | |
> Einsatz kommen. | |
Bild: Von der Sicherungsverwahrung sind derzeit mehr als 500 Personen betroffen. | |
Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat eine weitere Hürde | |
genommen. Ihre bereits vom Kabinett akzeptierten Pläne zur Reform der | |
Sicherungsverwahrung wurden gestern auch von der Justizministerkonferenz | |
der Länder begrüßt. Nur Bayerns Ministerin Beate Merk (CSU) kritisierte die | |
Vorschläge als nicht weitgehend genug. | |
Sicherungsverwahrung bedeutet, dass ein Straftäter nach Verbüßung seiner | |
Haft im Gefängnis bleiben muss - so lange, bis er nicht mehr als gefährlich | |
gilt. Leutheusser-Schnarrenberger will die Sicherungsverwahrung teils | |
einschränken, teils ausweiten. Derzeit sind mehr als 500 Personen | |
betroffen. | |
Künftig sollen notorische Diebe und Betrüger nicht mehr in der | |
Sicherungsverwahrung landen. Die Ministerin will sie für Fälle schwerer | |
Gewalt- und Sexualdelikte reservieren. Diese machen aber auch jetzt schon | |
mehr als 90 Prozent aller Fälle aus. | |
Abschaffen will Leutheusser-Schnarrenberger die nachträgliche | |
Sicherungsverwahrung. Seit 2005 konnte die Verwahrung erst kurz vor | |
Haftende angeordnet werden, wenn sich die fortdauernde Gefährlichkeit erst | |
während der Haftzeit zeigte. Dies wurde von den Strafgerichten aber fast | |
immer abgelehnt. | |
Nur bei rund 20 der über 500 aktuell Betroffenen wurde die Verwahrung | |
nachträglich angeordnet. Dennoch lehnen Bayern und viele | |
CDU/CSU-Rechtspolitiker die Abschaffung der nachträglichen | |
Sicherungsverwahrung ab. | |
"Ich verstehe nicht, dass man ohne Not auf etwas verzichtet, was Sicherheit | |
bringt", sagte CSU-Ministerin Merk. Allerdings ist abzusehen, dass der | |
Straßburger Gerichtshof für Menschenrechte demnächst die nachträgliche | |
Anordnung der Verwahrung ohnehin verbieten wird. | |
Als Ersatz will Leutheusser-Schnarrenberger die "vorbehaltene | |
Sicherungsverwahrung" massiv ausbauen. Dabei wird die Verwahrung im | |
Strafurteil noch nicht angeordnet, sondern nur vorbehalten. So können auch | |
Fälle erfasst werden, bei denen zunächst noch nicht klar ist, wie sich die | |
Gefährlichkeit des Täters später entwickelt. | |
Die vorbehaltene Sicherungsverwahrung war schon 2002 eingeführt worden. Sie | |
kam bisher aber nur in rund 30 Fällen zur Anwendung. | |
Leutheusser-Schnarrenberger will deshalb die Anwendung erleichtern. Unter | |
anderem soll die vorbehaltene Sicherungsverwahrung künftig auch bei | |
Ersttätern angewandt werden können. | |
Bisher war sowohl die normale wie auch die vorbehaltene Verwahrung auf | |
Rückfalltäter beschränkt. Wenn der Vorbehalt künftig bei Gewalt- und | |
Sexualtätern quasi routinemäßig ausgesprochen wird, wären bald tausende | |
statt hunderte von Personen betroffen. | |
Ganz kurzfristig muss entschieden werden, wie mit rund 70 Straftätern | |
umgegangen wird, die aufgrund eines aktuellen Straßburger Urteils aus der | |
Haft zu entlassen sind, obwohl sie laut Gutachten noch als gefährlich | |
gelten. Der Gerichtshof für Menschenrechte hatte bei diesen Altfällen, die | |
vor 1998 verurteilt wurden, die gesetzliche Entfristung der bis dahin | |
maximal 10-jährigen Sicherungsverwahrung beanstandet. | |
Geplant ist nun, solche Personen im Rahmen der Führungsaufsicht mit einer | |
elektronischen Fußfessel zu überwachen. Ob dies ausreicht, bezweifeln aber | |
viele Länder. "Wirklich gefährliche Personen müssen deshalb trotz | |
elektronischer Fußfessel rund um die Uhr von der Polizei überwacht werden", | |
sagte etwa ein Sprecher des Stuttgarter Justizministers Ulrich Goll (FDP) | |
zur taz. Goll hatte die Idee der elektronischen Überwachung im Mai | |
aufgebracht. | |
25 Jun 2010 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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