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# taz.de -- Streit um Sicherungsverwahrung: Ausweiten oder Abschaffen
> Die Union will Straftäter durch Sicherheitsverwahrung länger im Gefängnis
> halten - entgegen europäischem Recht. Dagegen will die Justizministerin
> die nachträgliche Sicherungsverwahrung abschaffen.
Bild: Nach der Strafe kommt die Strafe: die Koalition streitet um die Sicherhei…
FREIBURG taz | Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP)
will die nachträgliche Sicherungsverwahrung abschaffen, doch
CDU/CSU-Rechtspolitiker wollen sie unbedingt beibehalten und sogar
ausweiten. Dabei verteidigen die Unions-Politiker ein Instrument, das
offensichtlich gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt.
Bei der Sicherungsverwahrung muss ein Täter auch nach Verbüßung seiner
Strafe im Gefängnis bleiben, bis er nicht mehr als gefährlich gilt. Die
Bundesregierung plant nun eine grundlegende Reform. So will
Leutheusser-Schnarrenberger die Sicherungsverwahrung auf Sexual- und
Gewalttäter beschränken, außerdem soll die Verwahrung nicht mehr
nachträglich, also erst kurz vor Haftende, angeordnet werden können.
Stattdessen soll die Verwahrung viel häufiger bereits im Strafurteil
"vorbehalten" werden und dabei künftig auch für Ersttäter möglich sein.
Der Dissenz zwischen FDP und Union konzentriert sich auf die Abschaffung
der nachträglichen Sicherungsverwahrung. In der Praxis sind allerdings nur
rund 20 von über 500 Verwahrten aufgrund einer nachträglichen Anordnung im
Gefängnis. In den allermeisten Fällen haben Strafgerichte eine
nachträgliche Sicherungsverwahrung abgelehnt. Denn die Anforderungen waren
sehr streng: Die fortdauernde Gefährlichkeit durfte sich erst im Haftalltag
gezeigt haben, eine nachträgliche Korrektur des Strafurteils war nicht
möglich.
Selbst der Stuttgarter Justizminister Ulrich Goll (FDP), der als Erfinder
der nachträglich angeordneten Verwahrung gilt, räumt ein, dass das
Instrument "praktisch nutzlos" blieb. Er unterstützt jetzt den Vorschlag
Leutheusser-Schnarrenbergers.
Doch die Union will die nachträgliche Sicherungsverwahrung retten und sogar
ausbauen. Künftig soll eine neue Form der "Sicherheitsunterbringung" für
alle Täter gelten, die "zum Ende der Haftzeit noch gefährlich" sind -
unabhängig davon, wann die Gefährlichkeit sichtbar wurde und ohne dass die
Unterbringung im Strafurteil festgesetzt oder zumindest vorbehalten werden
muss. Dies sieht ein Eckpunkte-Papier der CDU/CSU-Rechtspolitiker vom Juni
vor.
Die Unions-Politiker übersehen dabei aber, dass die Europäische
Menschenrechtskonvention eine solche - vom Strafurteil losgelöste -
Präventivhaft verbietet. Möglich ist nur der Gewahrsam zur Vermeidung
konkret geplanter Taten oder die Haft nach einer strafrechtlichen
Verurteilung. Das hat der Straßburger Gerichtshof für Menschenrechte im
vergangenen Dezember in anderem Zusammenhang bereits klargestellt. Im
Herbst wird der Gerichtshof über konkrete Fälle der nachträglichen
Sicherungsverwahrung entscheiden, eine Verurteilung Deutschlands ist
absehbar.
Bei Leutheusser-Schnarrenberger stößt der Unions-Vorstoß auch deshalb auf
Unverständnis, weil das Kabinett ihre Pläne vor zwei Wochen bereits
abgenickt hat - inklusive Wegfall der nachträglich angeordneten
Sicherungsverwahrung.
8 Jul 2010
## AUTOREN
Christian Rath
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