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# taz.de -- Debatte um WM-Schiedsrichter: Pfeifen an der Macht
> Nach den jüngsten Fehlern der WM-Schiedsrichter wird so vehement wie noch
> nie über neue technologische Hilfsmittel diskutiert. Doch die Fifa sperrt
> sich gegen Erneuerungen.
Bild: Keine Diskussion: Schiedsrichter Roberto Rosetti ruft die mexikanischen u…
JOHANNESBURG taz | Argentinien und Deutschland stehen im Viertelfinale
dieser Fußballweltmeisterschaft - und beinahe niemand spricht am Tag nach
deren Erfolgen über England oder Mexiko beziehungsweise über die
fußballerischen Leistungen der Spieler. Alles dreht sich um die
haarsträubenden Entscheidungen der Schiedsrichter in beiden Spielen.
Die Mexikaner mussten das 1:0 durch Carlos Teves akzeptierten, obwohl
dieser meterweit im Abseits stand. Den Engländern wurde ein Tor, das den
2:2-Ausgleich bedeutet hätte, nicht anerkannt, obwohl der Ball deutlich und
für beinahe jedermann im Stadion erkennbar hinter der Linie aufkam. Zeuge
dieser gespenstischen Fehlleistung des Schiedsrichtergespanns aus Uruguay
war Fifa-Präsident Sepp Blatter. Der saß in Bloemfontein in der
Präsidentenloge. Und nicht wenige hoffen, dass dieser nun endlich den
Anstoß gibt zu Neuregelungen, die er stets abgelehnt hat. Die einen fordern
die Möglichkeit, während des Spiels Entscheidungen durch
Videoaufzeichnungen zu überprüfen, andere fordern eine Technologie, bei der
ein Chip im Ball melden soll, wann dieser die Linie überschritten hat.
Die Diskussion wird hitzig geführt, seit Thierry Henry das entscheidende
Tor im Relegationsspiel um die WM-Qualifikation gegen Irland mit der Hand
ermöglichte. "Die Fifa-Regeln sind eindeutig. Die Tatsachenentscheidung des
Schiedsrichters ist endgültig", ließ die Fifa seinerzeit erklären. Kurz vor
WM-Beginn in Johannesburg meinte Sepp Blatter: "Die Fans lieben es, über
das Spielgeschehen zu diskutieren. Das macht den menschlichen Charakters
unseres Sports aus." Die englischen und mexikanischen Fans werden darüber
nur lachen können.
Wie groß der Ärger unter den Spielern und Trainern ist, das wurde schnell
klar nach den Spielen. Fabio Capello, der Trainer der Engländer,
bezeichnete die Referees als "Gang". Für ihn war die Fehlentscheidung von
Schiedsrichter Jorge Larrionda spielentscheidend. Auch Mexikos Trainer
Javier Aguirre gab dem Schiedsrichter die Schuld an der 1:3-Niederlage:
"Nachdem der Schiedsrichter das Abseitstor gegeben hat, haben wir die
Konzentration verloren."
Es waren nicht die ersten krassen Fehlentscheidungen dieser WM. Luis
Fabianos doppeltes Handspiel vor seinem Treffer zum 2:0 gegen die
Elfenbeinküste wurde nicht abgepfiffen. Den USA wurde der Siegtreffer gegen
Slowenien nicht anerkannt, obwohl eindeutig keine Abseitsstellung vorlag.
Es war US-Trainer Bob Bradley, der als Erster noch während des Turniers
lautstark nach dem Videobeweis bei strittigen Szenen gerufen hat.
"Ich habe nie verstanden, warum der Videobeweis nicht eingeführt worden
ist", sagte Fabio Capello noch mit Schaum vor dem Mund nach dem
Ausscheiden. Nicht weniger erregt war Frank Lampard, der Schütze des nicht
gegebenen Tors. "Ich bin für die Torlinientechnologie", sagte er erbost
über die Fehlentscheidung. "Es gab Entscheidungen, die keine guten
Entscheidungen waren", meinte derweil Fifa-Generalsekretär Jerome Valcke
und kündigte für die WM 2014 in Brasilien Änderungen an.
Jeden Einsatz von Technologie indes hat er ausgeschlossen. Im Weltverband
denkt man nun darüber nach, das einzuführen, was die Europäische
Fußball-Union Uefa bereits in der Europa-League getestet hat: ein
Torrichterwesen. Die hinter den Toren postierten Unparteiischen haben die
Aufgabe, Strafraum und Strafraumnähe zu beobachten. Mit dem Referee sind
sie per Funk verbunden. Um zu verdeutlichen, dass die Torrichter keine
Entscheidungsbefugnis besitzen, tragen sie keine Fahne. Die Torrichter sind
Schiedsrichterberater.
In diesem Turnier müssen die Schiedsrichtergespanne noch ohne Berater
auskommen. Dafür trainieren sie an der Odendaal Highschool in Pretoria
fleißig. Morgen dürfen auch Medienvertreter zusehen, wie sich die Schiris
auf die WM-Spiele vorbereiten. Als besonderes Schmankerl hat die Fifa
versprochen, zu zeigen, wie das Erkennen von Abseitssituationen trainiert
wird.
1 Jan 1970
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
Fußball
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