| # taz.de -- Alleinerziehenden-Anwältin über Sorgerecht: "Gleiche Rechte, glei… | |
| > Edith Schwab, Vorsitzende des Verbandes der Alleinerziehenden (VAMV), | |
| > sieht das neue Sorgerechtsurteil zugunsten der Väter kritisch, weil diese | |
| > mehr in die Verantwortung müssten. | |
| Bild: "Man kann Liebe nicht einklagen, aber man kann schon dafür sorgen, dass … | |
| taz: Frau Schwab, das Bundesverfassungsgericht hat die bisherige Regelung, | |
| nach der unverheiratete Väter nur mit Zustimmung der Mutter ein gemeinsames | |
| Sorgerecht für die Kinder erhalten, für verfassungswidrig erklärt. Wenn | |
| künftig beide Elternteile dieselben Rechte haben, ist das doch gerecht, | |
| warum sind trotzdem viele Frauen dagegen? | |
| Edith Schwab: Das Gesetz bedeutet ja nicht, dass Männer mehr Verantwortung | |
| übernehmen sollen sondern lediglich, dass Väter, denen die Mutter das | |
| Sorgerecht – oft aus guten Gründen – nicht freiwillig überlassen möchte, | |
| sich nun in eine Rechtssituation einklagen können. Unter den | |
| nicht-verheirateten Eltern, um die es hier geht, haben bereits über 50 | |
| Prozent der Väter das gemeinsame Sorgerecht mit der Mutter. Zu den anderen | |
| 50 Prozent gehören aber unter anderem die Väter, die nur für eine Nacht | |
| lang Kontakt zur Mutter hatten, und Vergewaltiger. Auch die können sich nun | |
| einklagen. | |
| Entlastet die neue Regelung nicht auch die Frauen, indem den Männern mehr | |
| Verantwortung eingeräumt wird? | |
| Warum sollte ich als Mutter entlastet sein, wenn ich etwa für mein Kind | |
| einen Pass beantrage und den anderen zehn mal bitten muss, damit er die | |
| entsprechende Unterschrift leistet? Wenn ich alleine verantwortlich bin, | |
| geht das oft schneller. | |
| Was wäre eine bessere Lösung? | |
| Wenn man die bisherige Regelung nun definitiv abschaffen will, dann müssen | |
| aus unserer Sicht ganz klare Kriterien im Gesetz niedergeschrieben werden. | |
| Die Väter müssten etwa nachweisen können, dass sie eine enge Bindung zum | |
| Kind haben, bereits Verantwortung getragen haben und auch bereit sind, das | |
| weiterhin zu tun. Das ist aus unserer Sicht das mindeste, was Väter | |
| gewährleisten sollten, notfalls kann man so etwas über ein | |
| Sachverständigen-Gutachten prüfen. | |
| 90 Prozent der Alleinerziehenden sind Mütter, wollen die Männer denn | |
| überhaupt so häufig das Sorgerecht? | |
| Da muss man differenzieren, zu diesen 90 Prozent gehören ja auch die | |
| geschiedenen Eltern, die alle das gemeinsame Sorgerecht haben. Die betrifft | |
| das Urteil ja gar nicht. Andererseits spricht die Zahl ja für sich: warum | |
| sind denn so viele Alleinerziehende Mütter? Weil die Väter keine | |
| Verantwortung übernehmen wollen. Weil Kinder in Deutschland immer noch | |
| Müttersache sind. | |
| Glauben Sie nicht, dass Väter eher bereit sind Verantwortung zu übernehmen, | |
| wenn man ihnen – wie jetzt geschehen – mehr Rechte einräumt? | |
| Nein. Diese Luftblase ist vor über zehn Jahren zerstoben. Wir haben seit | |
| 1998 das neue Kindschaftsrecht, das die gemeinsame Sorge auch nach der | |
| Scheidung mit sich brachte. Trotzdem verabschiedet sich statistisch gesehen | |
| jeder zweite Vater nach spätestens zwei Jahren, ein Drittel der Väter zahlt | |
| keinen Unterhalt. Sie sehen: mit der Übernahme von Verantwortung hapert es | |
| auf der ganzen Linie. | |
| Trotzdem: Warum sollten Mütter mehr Rechte an ihrem Kind haben als die | |
| Väter? | |
| Die Väter können natürlich die gleichen Rechte haben, dann müssen sie aber | |
| auch die gleichen Pflichten übernehmen. Sorgerecht und Sorgepflicht müsste | |
| eigentlich ein Synonym sein, aber das ist es nach unserem Gesetz nicht. Die | |
| Betreuung und Sorge für das Kind liegt nach wie vor bei den Müttern, die | |
| Väter gehen am Wochenenden mit den Kindern in den Zoo, weil sie gesetzlich | |
| nicht zu mehr verpflichtet sind. So etwas ist kontraproduktiv und hat mit | |
| Gleichberechtigung überhaupt nichts zu tun. Dazu kommt: die höchste | |
| Gewalt-Rate liegt innerhalb der Familien! Wo steht in dieser Frage | |
| eigentlich das Wohl des Kindes? Es heißt immer, der oberste Massstab sei | |
| das Kindeswohl, aber im deutschen Gesetz, das in dieser Frage praktisch ein | |
| Elternrecht ist, kommen die Kinder nur am Rande vor. Es sind die Eltern, | |
| die miteinander kommunizieren müssen. | |
| Wenn die es aber nicht schaffen, miteinander zu reden, warum sollten sie | |
| dann ein gemeinsames Sorgerecht haben? Was müsste sich Ihrer Ansicht nach | |
| verändern? | |
| Man müsste das Sorgerecht und die Sorgepflicht gesetzlich zusammenbringen, | |
| wer Rechte will, muss auch Pflichten übernehmen. Das wäre auch im Hinblick | |
| auf Unterhaltsrechte wichtig. So ein Gerichtsverfahren, wie es die Väter | |
| jetzt anstreben können, ist nicht leicht zu händeln, das setzt Mutter und | |
| Kind oft unter einen Wahnsinns-Stress. | |
| Zur Sorge oder Liebe kann ich ja niemanden gesetzlich verpflichten. | |
| Natürlich kann man Liebe nicht einklagen, aber man kann schon dafür sorgen, | |
| dass man sich die Lasten der Erziehung, die Verantwortung besser teilt. Im | |
| Moment wird aber einfach eine Rechtsposition gestärkt, das ist mir zu | |
| wenig. | |
| 6 Aug 2010 | |
| ## AUTOREN | |
| Ariane Lemme | |
| ## TAGS | |
| Väterrecht | |
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