# taz.de -- Sicherungsverwahrung: Regierung für schöneres Strafen | |
> Der Staat kann gefährliche Straftäter auch nach Verbüßen der Strafe in | |
> Gewahrsam nehmen. Voraussetzung dafür soll eine "psychische Störung" des | |
> Verwahrten sein. | |
Bild: Einige Koalition: Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und… | |
Die Bundesregierung will verhindern, dass noch mehr angeblich gefährliche | |
Straftäter aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden. Sie will deshalb | |
im Eilverfahren ein Gesetz auf den Weg bringen, das die Unterbringung | |
"psychisch gestörter Gewalttäter" in neuen geschlossenen Einrichtungen | |
ermöglicht. Am Donnerstag kündigten dies Justizministerin Sabine | |
Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Innenminister Thomas de Maizière | |
(CDU) auf einer Pressekonferenz an. | |
Das Gesetz zielt auf mindestens 80 Personen, sogenannte Altfälle, die von | |
einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) aus | |
dem letzten Dezember profitieren können. Damals hat der Straßburger | |
Gerichtshof beanstandet, dass der Bundestag 1998 die Sicherungsverwahrung | |
rückwirkend per Gesetz verlängert hat. Bis dahin war sie auf zehn Jahre | |
befristet, fortan sollte sie unbefristet gelten. Darin sah der EGMR die | |
unzulässige Rückwirkung eines Strafgesetzes, weil er die | |
Sicherungsverwahrung (anders als in Deutschland bis dahin üblich) als | |
Strafe einstufte. | |
Dieses Urteil wurde im Mai rechtskräftig. Seitdem ist klar, dass alle | |
Verwahrten, die aufgrund einer vor 1998 begangenen Tat im Gefängnis sind, | |
mit ihrer Freilassung rechnen können, sobald sie ihre Strafhaft und | |
anschließend zehn Jahre Sicherungsverwahrung abgesessen haben. Bisher | |
wurden von den deutschen Gerichten rund 15 Personen entlassen. Zahlreiche | |
andere Gerichte verweigern bisher aber noch die Entlassung, weil das | |
EGMR-Urteil angeblich nur einen Einzelfall beträfe. | |
Solche Entlassungen will die Bundesregierung für die Zukunft nach | |
Möglichkeit vermeiden. Ob auch die bereits entlassenen 15 Männer wieder | |
eingesperrt werden können, wird noch geprüft, sagte | |
Leutheusser-Schnarrenberger. | |
Voraussetzung für eine an die Sicherungsverwahrung anschließende neue | |
Zwangsunterbringung soll eine "psychische Störung" des Verwahrten sein. | |
Dies zielt auf die Europäische Menschenrechtskonvention ab, die die | |
Freiheitsentziehung bei "psychisch Kranken" auch ohne Strafurteil erlaubt. | |
Die zur Entlassung anstehenden Personen gelten bisher allerdings nicht als | |
psychisch krank. Deshalb ist fraglich, ob es für das geplante Gesetz | |
überhaupt viele Anwendungsfälle gibt. De Maizière sagte dennoch: "Wir lösen | |
jetzt das Problem, das die Bevölkerung in den letzten Wochen zu Recht | |
beunruhigt hat." | |
Die Betroffenen sollen in geschlossenen Einrichtungen untergebracht werden, | |
die keine Gefängnisse sind und vor allem der Therapie dienen. Über die | |
Einweisung sollen Zivilkammern an den Landgerichten entscheiden, die heute | |
schon die Zwangsunterbringung von psychisch Kranken anordnen können. Sie | |
sollen sich auf Sachverständigengutachten stützen. Die Unterbringung soll | |
regelmäßig überprüft werden. Wenn keine Unterbringung möglich ist, soll der | |
Entlassene, wie geplant, mit einer elektronischen Fußfessel überwacht | |
werden. Hinzu kommt die bereits praktizierte Rund-um-die-Uhr-Kontrolle | |
durch Polizeibeamte. | |
"Wir arbeiten mit Hochdruck an einem Gesetzentwurf", sagte die | |
Justizministerin. Er soll schon am nächsten Mittwoch im Bundeskabinett | |
behandelt werden. Dann soll er im Bundestag so schnell wie möglich | |
beschlossen werden. Ganz so schnell wird es allerdings nicht gehen, denn | |
die Minister haben sich auch darauf geeinigt, die Eillösung mit der ohnehin | |
geplanten Reform der Sicherungsverwahrung in einem Gesetzespaket zu | |
verbinden. | |
26 Aug 2010 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Überwachung | |
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