# taz.de -- Kongresswahlen in den USA: Rechte kämpfen, Linke schlafen | |
> Zahlreiche Figuren vom rechten Rand wollen bei den Kongresswahlen am 2. | |
> November Sitze gewinnen. Nur sie gehen voller Energie in die letzten | |
> Wahlkampfwochen. | |
Bild: Die Tea-Party-Bewegung will die Rechtskonservativen an die Macht bringen. | |
WASHINGTON taz | Ein klares Feindbild und die Hoffnung, Anfang November die | |
Mehrheit im Repräsentantenhaus zu erobern, geben den US-amerikanischen | |
Rechten Rückenwind. Während die demokratische Basis drei Wochen vor den | |
Halbzeitwahlen weiterhin abwartet und keinerlei Enthusiasmus zeigt, sind | |
die AnhängerInnen der republikanischen Partei und insbesondere der rechten | |
Tea-Party-Bewegung hoch motiviert. | |
Ihre KandidatInnen für die beiden Kammern des Kongresses versprechen | |
bereits, dass sie die Gesundheitsreform rückgängig machen und alle weiteren | |
geplanten sozialen und Steuerreformen von Barack Obama verhindern wollen. | |
Der US-Präsident ist das einigende Feindbild der rechten Basis. Kaum war | |
Obama im Januar 2009 ins Weiße Haus gezogen, begann der Obstruktionismus | |
der Opposition. Von der überparteilichen Zusammenarbeit, die Obama mehrfach | |
anbot, wollten sie nichts wissen. Zwar sorgten sie in den Debatten für - | |
teilweise radikale - Modifizierungen der Gesetzentwürfe, doch am Ende | |
stimmten sie dennoch systematisch dagegen. | |
Parallel zu der Blockade in der Legislative erstarkte auf der Straße die | |
populistische Tea-Party-Bewegung. Sie kämpft nicht nur gegen Obamas | |
Politik, sondern bestreitet auch seine Legitimität als Präsident. Unter | |
anderem indem sie behauptet, er sei kein gebürtiger US-Amerikaner und er | |
sei Muslim. Beide Lügen sind zugleich Anspielungen auf die Hautfarbe des | |
Präsidenten. | |
Für die Halbzeitwahlen am 2. November, bei denen sämtliche Sitze im | |
Repräsentantenhaus, ein gutes Drittel der Senatoren, Gouverneursposten in | |
37 Bundesstaaten und zwei Territorien und mehrere Rathäuser neu besetzt | |
werden, hat die Tea Party vielerorts ihre KandatInnen durchgesetzt, oft zum | |
Nachteil langgedienter AmtsinhaberInnen aus der Republikanischen Partei. | |
Vom hohen Norden bis zum tiefen Süden der USA kandidieren jetzt Figuren vom | |
rechten Rand. Sie trommeln gegen "Washington", gegen einen "zu starken | |
Staat" und gegen Steuern. | |
In Nevada will Kandidatin Sharron Angle, die für den Senat kandidiert, die | |
Sozialversicherung privatisieren. In Alaska will Joe Miller, der in den | |
Senat will, den seit 1938 auf Bundesebene vorgeschriebenen Mindestlohn | |
abschaffen. In Utah will Mike Lee, der für den Senat kandidiert, alle | |
Abtreibungen unter Strafe stellen. | |
Im Bundesstaat New York will Carl Paladino, der Gouverneur werden will, | |
Schwangerschaftsabbrüche selbst dann verbieten, wenn die Frau vergewaltigt | |
worden ist. | |
In Kentucky will Rand Paul das Alter von RentnerInnen, die Anspruch auf die | |
Krankenversicherung Medicare haben, heraufsetzen. Und in dem an der | |
Ostküste gelegenen kleinen Bundesstaat Delaware erklärt Christine ODonnell, | |
die in den Senat einziehen will, dass Onanieren eine Form von "Fremdgehen" | |
und daher verwerflich sei. | |
Der Provinzialismus der PolitikerInnen aus der Tea-Party-Bewegung und ihre | |
Angriffe auf soziale Errungenschaften versprechen Wahlsiege. Oft gegen | |
starke demokratische Gegenspieler. So glauben MeinungsforscherInnen, dass | |
in Nevada die ultrarechte Sharron Angle den Chef der DemokratInnen im | |
Senat, Harry Reid, besiegen könnte. Andernorts hingegen könnten die | |
KandidatInnen aus der Tea Party am Widerstand des alten Establishments aus | |
ihrer eigenen Partei scheitern. | |
In Alaska beispielsweise hält die bisherige republikanische Senatorin Lisa | |
Murkowski trotz des Primary-Siegs von Miller an ihrer Kandidatur fest. | |
Damit spaltet sie die rechte Wählerschaft und könnte letztlich zu einem | |
Wahlsieg der demokratischen Partei beitragen. | |
Die Harvard University und die Kaiser Foundation haben das Interesse der | |
beiden politischen Seiten an den Halbzeitwahlen gemessen. Ihr Ergebnis: 43 | |
Prozent der DemokratInnen interessieren sich für die Wahlen, 57 Prozent der | |
RepublikanerInnen und 83 Prozent der AnhängerInnen der Tea Party. | |
Aufseiten der Partei des Präsidenten besteht dennoch Hoffnung. Einerseits | |
setzen demokratische WahlkampfstrategInnen darauf, dass der Extremismus | |
mancher KandidatInnen im letzten Moment vor allem JungwählerInnen und die | |
afroamerikanischen WählerInnen aufrütteln könnte - zugunsten der | |
Demokraten. | |
Und David Plouffe, der 2008 die erfolgreiche Kampagne von Barack Obama | |
gemanagt hat und heute das Democratic National Committee berät, tröstet | |
seine Leute mit der Aussicht darauf, dass die Republikaner es schwer haben | |
werden, sich bis zu den Präsidentschaftswahlen 2012 auf eine Kandidatur zu | |
einigen. "Der Aufstand der Tea Party hat erst begonnen", meint er. Und sagt | |
der Republikanischen Partei noch tiefere Spaltungen und Machtkämpfe voraus. | |
11 Oct 2010 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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