# taz.de -- Strassburger Urteil zu Irland: Kein Recht auf Abtreibung | |
> Schwangerschaftsabbrüche sind in Irland illegal. Drei Frauen klagten. | |
> Doch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte rügt nur die fehlende | |
> Umsetzung des Abtreibungsrechts. | |
Bild: In den USA von Konservativen bekämpft, in Irland ganz verboten: Der Abbr… | |
FREIBURG taz | Irische Frauen müssen weiter zum Schwangerschaftsabbruch | |
nach England fahren. Sie haben kein Recht auf Abtreibung. Das entschied | |
jetzt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Bei | |
Lebensgefahr für die Frau müsse aber eine Abtreibung in Irland möglich | |
sein, weil dies in der irischen Verfassung garantiert ist. | |
Geklagt hatten zwei Irinnen und eine Litauerin, die in Irland lebt. Alle | |
drei hatten im Jahr 2005 in England eine Abtreibung durchführen lassen, so | |
wie tausende andere irische Frauen. Frau A. war arbeitslos und | |
Alkoholikerin. Ihre vier Kinder lebten in einer Pflegefamilie, sollten aber | |
zu ihr zurückkehren. Als Frau A. erneut schwanger wurde, sah sie die | |
Familienzusammenführung gefährdet. | |
Bei der ledigen Frau B. versagte die "Pille danach", so dass sie ungewollt | |
schwanger wurde. Sie sah sich nicht in der Lage, ein Kind allein | |
großzuziehen. Am dramatischsten war der Fall von Frau C., die zum Zeitpunkt | |
der Schwangerschaft an Krebs litt. Einerseits hatte sie Angst, dass die | |
Chemotherapie den Fötus schädigen könnte. Andererseits war das Risiko einer | |
Verschlimmerung der Krankheit schwer abzuschätzen. Alle drei Frauen wurden | |
von der Irish Family Planning Association unterstützt. | |
In Irland sind Abtreibungen seit 1861 mit lebenslanger Freiheitsstrafe | |
bedroht. Seit 1983 steht das Abtreibungsverbot auch in der irischen | |
Verfassung. Der irische Supreme Court entschied allerdings 1992, dass | |
Abtreibungen bei Lebensgefahr der Frau möglich sind. Bis heute gibt es aber | |
kein Gesetz, das dieses Urteil umsetzt. | |
Die Klägerinnen hielten das Abtreibungsverbot generell für einen | |
unverhältnismäßigen Eingriff in ihr Recht auf Privatleben. Abtreibungen in | |
England seien "unnötig kompliziert, teuer und traumatisch". Die Klägerinnen | |
beriefen sich darauf, dass in 40 Staaten Europas eine Abtreibung aus | |
gesundheitlichen Gründen möglich sei, davon sei in 30 Staaten der | |
Schwangerschaftsabbruch sogar tendenziell liberalisiert. Das strenge Verbot | |
in Irland widerspreche einem weitgehenden europäischen Konsens und sei | |
deshalb unverhältnismäßig. | |
Doch der Straßburger Gerichtshof entschied mit elf zu sechs Stimmen, dass | |
es keinen ausreichenden europäischen Konsens in dieser Frage gebe. Die | |
Staaten hätten also im Abtreibungsrecht weiterhin einen | |
Gestaltungsspielraum. Irland könne daher zur Wahrung der "öffentlichen | |
Sittlichkeit" weiterhin Abtreibungen verbieten, die aus sozialen und | |
gesundheitlichen Gründen vorgenommen werden. | |
Da Frauen legal in England abtreiben können und in Irland medizinische | |
Nachsorge gewährleistet sei, sieht der Gerichtshof sogar eine "faire | |
Balance" zwischen den Interessen des Staates und den Interessen der | |
betroffenen Frauen. Die Klagen von Frau A. und Frau B. wurden daher | |
abgelehnt. | |
Erfolg hatte jedoch die krebskranke Frau C., denn sie könne sich auf die | |
irische Verfassung berufen, die Abtreibungen bei Lebensgefahr erlaubt. | |
Mangels einer gesetzlichen Umsetzung seien irische Ärzte jedoch zu | |
verunsichert, um Abtreibungen durchzuführen, weshalb Frau C. nach England | |
fahren musste. Sie bekommt dafür 15.000 Euro Schadensersatz. | |
17 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
UN kritisiert El Salvador: Weg mit dem Abtreibungsverbot! | |
El Salvadors Frauenpolitik in der Kritik: Die Regierung soll Frauen und | |
Ärzte nicht mehr wegen Schwangerschaftsabbruchs juristisch verfolgen, | |
fordert der UN-Menschenrechtsrat. | |
Kongresswahlen in den USA: Rechte kämpfen, Linke schlafen | |
Zahlreiche Figuren vom rechten Rand wollen bei den Kongresswahlen am 2. | |
November Sitze gewinnen. Nur sie gehen voller Energie in die letzten | |
Wahlkampfwochen. | |
Radikale Anti-Abtreibungs-Aktivisten: Leben um jeden Preis | |
Mit Plastikembryos auf Jugendmessen, mit weißen Kreuzen in Innenstädten: | |
Abtreibungsgegner sehen sich als Aufklärer - und werden selbst von | |
deutschen Ministern unterstützt . |