# taz.de -- Frankreich subventioniert Musik-Downloads: Hiebe und Liebe | |
> Frankreich versucht es im Kampf gegen Dateitauscher mit Zuckerbrot und | |
> Peitsche: Die kürzlich eingeführte "Three Strikes"-Regelung wird durch | |
> verbilligte Downloads ergänzt. | |
Bild: Und raus bist du - drei Verwarnungen bedarf es in Frankreich, um gesperrt… | |
Französische Netznutzer kommt seit nicht ganz einem Jahr das Gruseln, wenn | |
sie eine E-Mail mit dem Absender "Hadopi" erhalten. "Vorsicht, Ihr | |
Internet-Zugang wurde dazu verwendet, möglicherweise strafbare Handlungen | |
zu begehen", steht dann in der Botschaft. | |
Hadopi, die "Haute Autorite pour la diffusion des oeuvres et la protection | |
des droits sur l'Internet", ist die Piraterieverfolgungsbehörde, die | |
Präsident Nicolas Sarkozy trotz großer Proteste seitens der Opposition 2009 | |
durchdrücken konnte. Seither können Nutzer von Dateitauschbörsen, die von | |
der Medienindustrie erwischt wurden, nach dreimaliger Verwarnung ("Three | |
Strikes") ihren Internet-Zugang verlieren - zwischen zwei und 12 Monaten | |
lang. | |
Hinzu drohen hohe Schadenersatzforderungen. Ob die Maßnahme, die die | |
Unterhaltungskonzerne gerne auch auf europäischer Ebene einführen wollen, | |
wirkt, weiß noch niemand: Es ist ein großes Experiment. | |
Kritiker meinen, es könne nicht sein, dass Menschen mittels Hadopi ihre | |
Existenz genommen wird, hängt der persönliche Job doch immer häufiger vom | |
Netzzugang ab. Auch sind die Software-Systeme, mit der nach Dateitauschern | |
gefahndet wird, Experten zufolge keineswegs immer wasserdicht - es könnte | |
also auch Unbeteiligte treffen. Doch all das ficht Sarkozys | |
konzernfreundliche Politik nicht an. | |
Nun versucht es die französische Regierung neben der Peitsche "Three | |
Strikes" probehalber aber auch mal mit Zuckerbrot. Eine Subvention für | |
Inhalte-Downloads wurde eingeführt, die jedes Jahr 25 Millionen Euro kosten | |
soll. | |
Jeder Bürger darf demnächst eine Guthabenkarte im Wert von 50 Euro | |
erwerben, mit der er dann bei Download-Diensten Musik oder Videos kaufen | |
kann. 25 davon kommen vom Staat. Die Inhalteplattformen verpflichten sich | |
im Gegenzug zu niedrigeren Preisen und längeren Abos. Maximal 5 Millionen | |
darf ein einzelner Anbieter aus dem Fördertopf erhalten. | |
Die französische Regierung hat sich die Download-Subvention extra von der | |
EU-Kommission genehmigen lassen. Die sieht in dem Projekt keine | |
Marktverzerrung - die Vorteile seien größer als die Nachteile, sagte | |
Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia. "Wir begrüßen Initiativen, die Musik | |
online zu billigeren Preisen und legal verfügbar macht." | |
Ob der Vorstoß die Wut über die "Three Strikes"-Regelung besänftigt, ist | |
eher unwahrscheinlich. Die ungeliebte Hadopi-Behörde sieht sich indes nicht | |
nur massiver Kritik von Netzbürgerrechtlern ausgesetzt, die das harte | |
Durchgreifen für völlig überzogen halten, sondern kämpft auch gegen | |
Blockaden aus der Internet-Industrie. | |
Free, einer der größten Provider des Landes, sieht nicht ein, seine | |
zahlenden Kunden mit den "Three Strikes"-Schreiben zu belästigen. Das | |
traditionsreiche Unternehmen, das seit 1999 ganz Frankreich vernetzt, hat | |
sich das Hadopi-Gesetz deshalb sehr genau angesehen - und mögliche Lücken | |
gefunden. | |
So steht nicht explizit darin, dass Provider die Warnschreiben an ihre | |
Kunden auch weiterleiten müssen - obwohl die Hadopi-Behörde diesen bequemen | |
Weg standardmäßig wählt, weil er sicherstellt, dass die per Mail | |
verschickten Ermahnungen auch ankommen. | |
Free forderte die Behörde auf, zunächst einen Vertrag mit der Firma zu | |
schließen, bevor es zur Weiterleitung über die eigenen Server kommt. Da die | |
Hadopi-Leitung dies nicht wollte, verschickt Free nun auch nicht. Doch | |
einen anderen Weg, Delinquenten zu erreichen, hat man bei der | |
Hadopi-Behörde noch nicht eingerichtet. Da die Internet-Sperren nach der | |
dritten Warnung nur dann greifen, wenn der Nutzer die entsprechenden | |
Schreiben auch erhalten halt, bleiben Free-Kunden von Hadopi und seinen | |
Maßnahmen verschont. | |
Der Konkurrenz des Providers, die pflichtschuldig bei der Piratenhatz | |
mitmachen, schmeckt das natürlich überhaupt nicht. Vom Wettbewerber Orange | |
hieß es, Free versuche wohl "ein Image bestimmter Laxheit" zu kultivieren. | |
Auch auf dem Schreibtisch von Kulturminister Frederic Mitterand, der die | |
Hadopi-Behörde beaufsichtigt, ist der Vorfall schon gelandet. Der Neffe des | |
Altpräsidenten will nun unbeugsame Provider notfalls per Dekret zur | |
Zusammenarbeit bewegen und plant das Austeilen empfindliche Strafen. | |
13 Oct 2010 | |
## AUTOREN | |
Ben Schwan | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Überwachung | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
"Three Strikes" gegen Filesharing: "Abschalten ist unverhältnismäßig" | |
Medienkonzerne fordern, Nutzern illegaler Tauschbörsen den Internetzugang | |
kappen zu lassen. Oliver Süme vom Providerverband eco e.V. hält das für | |
eine schlechte Idee. | |
Französische Behörde Hadopi: Datenleck durch private Schnüffler | |
IP-Adresse und andere Daten über mutmaßliche Raubkopierer lagen in | |
Frankreich unverschlüsselt auf dem Server einer privaten Firma. Die | |
Behörden ermitteln. | |
Download-Mahnungen in Frankreich: Und die zweite Salve folgt sogleich | |
Erstmals nennt Frankreichs Internet-Behörde Hadopi Zahlen zur Verfolgung | |
von Filesharern: 70.000 Mahnungen gingen schon raus. Bald sollen es 10.000 | |
E-Mails pro Tag werden. | |
Tauschbörse Limewire abgeschaltet: Keine Daten, keine Viren mehr | |
Vier Jahre lang tobte ein Rechtsstreit zwischen dem Filesharing-Pionier | |
Limewire und der US-Musikindustrie. Eine Richterin verordnete der | |
Tauschbörse nun das endgültige Aus. | |
Urheberrechte im Netz: "Musik verschenken" | |
Dave Haynes betreibt die Webseite soundcloud.com. Zum Auftakt der Berliner | |
Konferenz "all2gethernow" erklärt er, warum es durchaus Sinn macht, Musik | |
zu verschenken. | |
Designer stellt Pläne kostenlos ins Netz: Stühle zum Runterladen | |
Der israelischer Designer Ronen Kadushin stellt die Pläne für seine Möbel | |
frei zugänglich ins Internet. Je mehr Personen seine Modelle kopieren, um | |
so bekannter wird er. |