Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Wegen unflexibler Stromnetze: Biogas als Klimakiller
> Strom aus Großkraftwerken blockiert die Netze, mit zum Teil drastischen
> Nebeneffekten: So werden durch diesen Effekt Biogas-Kraftwerke zu
> Klimakillern.
Bild: Ein Klima-Killer? Biogasanlage in Sachsen-Anhalt.
Strom aus erneuerbaren Energien wird zunehmend durch fehlende Netze und
durch den Strom aus unflexiblen Großkraftwerken ausgebremst. Bei der
Windkraft kennt man es längst, dass Rotoren heruntergeregelt werden müssen,
weil das Netz den Strom nicht mehr aufnehmen konnte.
Jetzt beklagt sich zunehmend auch die Biogasbranche über ähnliche Fälle.
Und sie hat mit den Zwangsabschaltungen ein besonderes Problem. Denn der
biologische Prozess der Biogaserzeugung in den Fermentern lässt sich nicht
einfach stoppen. Die Bakterien erzeugen weiterhin Methan, auch wenn kein
Strom eingespeist werden kann.
Das Gas wird dann im besten Fall abgefackelt, also offen verbrannt. Weil
aber nicht alle Biogasanlagen über eine Notfackel verfügen, entweicht das
Methan mitunter auch in die Atmosphäre, wo es als starkes Treibhausgas
wirkt.
"Oft haben die Genehmigungsbehörden den Betreibern, die die Beschaffung
einer mobilen Gasfackel innerhalb einer kurzen Zeitspanne nachweisen
können, die Installation einer festen Fackel erlassen", weiß Peter Jepsen,
Anlagenbetreiber aus Schleswig-Holstein. Er selbst kenne Anlagen, aus denen
bei netzbedingtem Stillstand das Methan in die Atmosphäre entweicht - aus
Sicht des Klimaschutzes ein Horrorszenario (siehe Kasten).
Auch der Fachverband Biogas beschäftigt sich längst mit dem Thema
Zwangsabschaltung. "Es ist kein Einzelfall, dass Netzbetreiber
Biogasanlagen vorübergehend stilllegen", sagt Andrea Horbelt, Sprecherin
des Branchenverbands. Vor allem in Schleswig-Holstein kommt es regelmäßig
vor, Zahlen dazu gibt es allerdings noch nicht.
Rechtlich ist das Abschalten zwar durchaus korrekt, denn nach dem
Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) sind die Netzbetreiber dazu bei
Kraftwerken mit einer Leistung von mehr als 100 Kilowatt befugt. Doch dass
diese Regelung auch für Biogaskraftwerke gilt, sehen Experten kritisch: "Es
ist ein Fehler, dass das EEG nicht zwischen den Arten der Stromerzeugung
unterscheidet", sagt Martin Maslaton, Rechtsanwalt und EEG-Experte in
Leipzig. Biogas müsse aus dem Netzmanagement herausgenommen werden, eben
weil man die Gaserzeugung nicht kurzfristig stoppen kann.
Biogas-Erzeuger Jepsen kritisiert zugleich noch etwas anderes: Die
entgangenen Stromerlöse, die der Anlagenbetreiber vom verantwortlichen
Netzbetreiber einfordern kann, sind beim Biogas schwer zu ermitteln. Bei
der Windkraft sei das einfacher möglich. Daher habe er für die
Abschaltungen seiner Biogasanlage von der verantwortlichen Eon Netz AG noch
keine Zahlungen erhalten, obwohl die ersten Abschaltungen schon Jahre
zurückliegen - es fehle noch an der erforderlichen Abrechnungsdatei des
Netzbetreibers.
Indem die Abschaltungen zunehmen, wird außerdem immer deutlicher, wie träge
Großkraftwerke den Engpass in den Stromnetzen verschärfen. Zwar behauptet
die Atomwirtschaft immer wieder, ihre Kraftwerke seien in der Lage,
flexibel auf die Schwankungen der erneuerbaren Energien zu reagieren, in
der Praxis jedoch drosseln die Betreiber die Produktion der Kraftwerke
selbst dann nicht wesentlich, wenn Strom im Überfluss vorhanden ist und die
Preise am Spotmarkt ins Negative fallen.
So hat das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität Köln bei
Auswertung von Praxisdaten festgestellt, dass selbst zu Zeiten starken
Winds und dadurch bedingten negativen Strompreisen an der Börse die
deutschen Atommeiler "zu keinem Zeitpunkt der Betrachtungsperiode unter 70
Prozent der verfügbaren Kapazität" betrieben wurden. Offensichtlich ist es
also billiger, den Atomstrom zeitweise zu verschenken oder gar noch Geld
oben draufzulegen, als die Kraftwerke herunterzufahren. Womit der Atomstrom
dann - bildlich gesprochen - die Stromnetze verstopft.
25 Oct 2010
## AUTOREN
Bernward Janzing
## TAGS
Biogas
## ARTIKEL ZUM THEMA
Top-Agrarforscher fordern Klimaschutz: Weniger Vieh, weniger Biogasmais
Für den Klimaschutz muss sich die Ernährung ändern, sagen führende
Agrarwissenschaftler. Zum Beispiel: weniger Fleisch.
Riesige Zuchtanlage geplant: Fabrik für eine Million Hühner
An der deutschen Grenze soll die bislang größte Zuchtanlage inklusive
Schlachthof und Biogasanlage gebaut werden. Die Investoren nennen das
Projekt tierfreundlich.
Abfall in der Lebensmittelindustrie: Von der Tonne auf den Teller
Bei der Herstellung von Lebensmitteln fallen gigantische Mengen an Abfall
an. Was damit anstellen? - fragen sich zunehmend Forscher und Industrie.
Alternativer Nobelpreis: "Wahrer Wandel beginnt von unten"
Die Träger des Alternativen Nobelpreises stehen fest. Geehrt wird unter
anderem der nigerianische Umweltschützer Nnimmo Bassey und die nepalesische
Organisation SAPPROS.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.