# taz.de -- Ermittlungen nach S21-Demonstration: Amnesty International kritisie… | |
> Amnesty International kritisiert die mangelnde Aufarbeitung des | |
> gewalttätigen Einsatzes gegen Stuttgart-21-Gegner. Die Organisation | |
> recherchiert auch selbst. | |
Bild: Wasserwerfer-Einsatz in Stuttgart: Amnesty International kritisiert fehle… | |
Für Monika Lüke ist es eine ganz einfache Rechnung. Mehr als 100 Verletzte | |
hat es bei dem gewalttätigen Polizeieinsatz gegen Stuttgart-21-Gegner Ende | |
September gegeben. Amnesty International, deren Generalsekretärin in | |
Deutschland Lüke ist, weiß aber nur von einem einzigen Ermittlungsverfahren | |
gegen einen Polizisten nach dem Einsatz. | |
"Es kann eigentlich nicht sein, dass nur in einem Fall ermittelt wird", | |
sagte Lüke der taz auf der Amnesty-Fachkonferenz "Polizei und | |
Menschenrechte" am Montag in Berlin. "Wir sehen mit Sorge, dass hier | |
wahrscheinlich nicht unabhängig und allumfassend ermittelt wird." | |
Lüke kündigte an, dass ihre Organisation die Vorwürfe gegen die Polizei | |
selbst weiter recherchieren werde. Bereits jetzt hat Amnesty nach eigenen | |
Angaben 63 Seiten an Augenzeugenberichten zu den Vorfällen in Stuttgart | |
zusammengetragen. | |
Die Polizei war am 30. September in Stuttgart mit Wasserwerfern, | |
Schlagstöcken und Pfefferspray gegen Demonstranten vorgegangen, die gegen | |
das Bahnprojekt Stuttgart 21 demonstrierten. An dem "schwarzen Donnerstag", | |
wie der Tag im Südwesten inzwischen heißt, wurden nach Behördenangaben 130 | |
Demonstranten und 6 Polizisten verletzt. | |
Nach Angaben der Projektgegner gab es noch deutlich mehr Verletzte. Die | |
Bilder des 66-jährigen Rentners Dietrich Wagner, der durch den Strahl eines | |
Wasserwerfers schwer an den Augen verletzt wurde, gingen bundesweit durch | |
die Medien. | |
Das baden-württembergische Innenministerium wollte die Vorwürfe von Amnesty | |
International am Montag auf taz-Nachfrage nicht kommentieren und verwies | |
auf einen Untersuchungsausschuss, den die SPD und die Grünen im Landtag an | |
diesem Mittwoch einsetzen wollen. Am Wochenende hatte Landesinnenminister | |
Heribert Rech (CDU) gesagt: "Ich stehe uneingeschränkt zur Polizei und es | |
wäre gut, wenn dies alle tun würden." | |
Insgesamt hat Amnesty International nach Lükes Angaben seit Juli mehr als | |
100 ernstzunehmende Beschwerden über Polizeigewalt in Deutschland bekommen. | |
Seitdem läuft die Amnesty-Kampagne "Mehr Transparenz bei der Polizei", in | |
der unter anderem eine individuelle Kennzeichnungspflicht für Polizisten | |
und unabhängige Untersuchungen bei Fällen von Polizeigewalt gefordert | |
werden. "Allein online unterstützen mehr als 23.000 Menschen unsere | |
Forderung nach mehr Transparenz und Verantwortung bei der Polizei", sagte | |
Lüke. | |
Unterstützung erhielt Amnesty auf der Konferenz am Montag auch von dem | |
Bochumer Kriminologen Thomas Feltes. "Konkrete Ereignisse und Fehlverhalten | |
in der Polizei werden noch immer zu oft verschwiegen oder vertuscht", sagte | |
Feltes. | |
Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, lehnte | |
hingegen die Einführung einer Kennzeichnungspflicht für Polizisten erneut | |
ab. Um Verstöße durch einzelne Beamte aufzuklären, benötige man auch keine | |
weiteren "Ermittlungseinrichtungen", sagte Wendt. | |
25 Oct 2010 | |
## AUTOREN | |
Wolf Schmidt | |
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