# taz.de -- Vor dem G20-Gipfel: Damit es wieder rund läuft | |
> Die Bundesregierung reagiert auf Kritik, dass sie zu wenig investiert. | |
> Und kritisiert ihrerseits die USA wegen der Dollarschwemme. | |
Bild: Die Protestler haben sich in Stellung gebracht, obwohl sich die Mächtige… | |
SEOUL taz | Unmittelbar vor dem Gipfel der Regierungschefs der zwanzig | |
wichtigsten Wirtschaftsnationen (G 20), der am Donnerstag in der | |
südkoreanischen Hauptstadt Seoul beginnt, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel | |
die USA wegen ihrer Geldpolitik gewarnt. Hintergrund ist der Beschluss der | |
US-Notenbank, weitere 600 Milliarden US-Dollar auf den Markt zu pumpen. | |
Gleichzeitig lobte Merkel China als einen "guten Begleiter unserer | |
Haushaltspolitik". | |
Im Gegenzug kritisieren die USA Länder wie China, Japan und Deutschland. | |
Vor einigen Tagen hatte US-Finanzminister Timothy Geithner verlangt, | |
Leistungsbilanzüberschüsse auf maximal 4 Prozent der Wirtschaftsleistung | |
des jeweiligen Landes zu begrenzen - ein Affront gegen China und | |
Deutschland. Geithners Vorwurf: In diesen Staaten sei die Binnennachfrage | |
zu gering, durch die hohe Exportquote schädigen diese Länder ihre Nachbarn, | |
indem sie ihnen zu große Anteile am Weltmarkt wegnehmen. | |
Angela Merkel erteilte dieser Forderung eine Absage: "Quantitative Ziele | |
wird Deutschland nicht mittragen." Die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes | |
müsse sich auch in seinen Exportraten ausdrücken. 2009 betrug der deutsche | |
Exportüberschuss gut 5 Prozent. | |
US-Finanzminister Geithner, aber auch Frankreichs Finanzministerin | |
Christine Lagarde werfen Deutschland zudem vor, dass es einen zu großen | |
Teil der Einnahmen in die Förderung des Exports stecke. Deutsche | |
Unternehmen zahlten beispielsweise zu geringe Löhne, womit sie den Preis | |
für Exportprodukte zu niedrig hielten. Und es werde zu wenig investiert, | |
was gleichfalls die Kosten drücke. Das Ergebnis sei unfaire Konkurrenz. | |
Was das heißt, erklärt der Ökonom Gustav Horn vom Institut für | |
Makroökonomie: "Die Ausrüstungsinvestitionen der Unternehmen waren zwischen | |
2000 und 2006 schwach." In dieser Zeit haben die deutschen Firmen jährlich | |
bis zu 10 Prozent weniger für neue Anlagen und Maschinen ausgegeben. Der | |
Exportüberschuss stieg trotzdem, 2002 lag er bei 2 Prozent des | |
Bruttoinlandsprodukts, 2006 schon bei 6 Prozent. Deutsche Firmen | |
exportierten immer mehr Waren. | |
Wie konnte es dazu kommen, wenn weniger investiert wurde als vorher? | |
Geringe Investitionen sparen vorübergehend Geld, sie können sich daher in | |
niedrigen Preisen niederschlagen. Ökonom Gustav Horn ergänzt, dass sich die | |
Unternehmen ebenso "Vorteile verschafften, indem sie die Lohnkosten niedrig | |
hielten". Es waren die Jahre der hohen Arbeitslosigkeit und der | |
Hartz-Reformen, die Durchschnittslöhne stiegen nicht mehr, sondern sie | |
sanken. | |
Für Deutschlands Handelspartner hatte diese Entwicklung teilweise | |
problematische Folgen. Sie kauften deutsche Produkte auch deshalb, weil | |
deren Preise kaum noch stiegen. In der Folge floss mehr Kapital nach | |
Deutschland, wo seitdem ein Kapitalüberschuss herrscht, während es etwa in | |
Griechenland oder den USA einen Kapitalmangel gibt. Um diesen | |
auszugleichen, müssen sich diese Länder verschulden. Ungleichgewichte im | |
Handel können so zu Krisen auf den Finanzmärkten beitragen. | |
Bundesregierung und die Wirtschaftsverbände weisen zurück, dass an diesem | |
Problem vor allem die gesunkenen deutschen Löhne schuld seien. Neu ist | |
jedoch, dass sie in der Frage der Investitionen einlenken. "Wir zehren von | |
der Substanz", räumt Hans-Peter Keitel, der Präsident des Bundesverbandes | |
der Deutschen Industrie, ein. So hätten die Energiekonzerne den Ausbau der | |
Stromnetze vernachlässigt, heißt es beim BDI. Ebenso hätten sich die | |
Telekommunikationsfirmen viel Zeit gelassen beim Ausbau der Datenleitungen. | |
"Bei den Ausrüstungen ist seit 2000 ein Rückgang zu verzeichnen", schreibt | |
auch das Bundesfinanzministerium in einem Argumentationspapier zum | |
G-20-Gipfel. "Dies resultierte in einer real geringeren Investitionsquote. | |
Damit hatte die Verringerung der Investitionen einen entscheidenden Anteil | |
an den deutschen Leistungsbilanzüberschüssen." Zahlen belegen, dass die | |
Nettoinvestitionsquote in Deutschland von 10,0 Prozent des | |
Bruttoinlandsprodukts im Jahr 1991 auf 1,9 Prozent 2009 gesunken ist. | |
Parallel stieg der Leistungsbilanzüberschuss, die positive Differenz aus | |
hohen Exporten und geringeren Importen, auf bis zu 8 Prozent des BIP. | |
Einen großen Anteil daran hatte die Baubranche. Unter anderem bei | |
"Bauvorhaben der Wirtschaft haben wir einen signifikanten Rückgang | |
verzeichnet", sagt Martin Gornig vom Deutschen Institut für | |
Wirtschaftsforschung. Wegen zu geringer Steuereinnahmen und nachfolgender | |
Sparmaßnahmen reduzierte auch der Staat seine Bauinvestitionen massiv. | |
Insgesamt ging die Bautätigkeit seit 2000 in manchem Jahr um 20 Prozent | |
zurück. | |
Nun allerdings werde sich das ändern, schreiben die Beamten des | |
Finanzministeriums in ihrem Papier, bemüht, den Druck der USA und | |
Frankreichs beim Gipfel zu mildern. So stiegen nicht nur die Löhne erstmals | |
seit Jahren wieder kräftig, auch die Investitionen nähmen zu, etwa durch | |
den Plan der Bundesregierung, die Ausgaben für Bildung und Forschung bis | |
2015 auf 10 Prozent der Wirtschaftsleistung anzuheben. | |
10 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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