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# taz.de -- G20-Gipfel in Seoul: Jeder gegen jeden
> Kurz vor Beginn des Gipfels ist im Streit um Wechselkurse und
> Handelsbilanzen keine Einigung in Sicht. Es streiten: Deutschland und die
> Schwellenländer mit den USA.
Bild: Machen die USA ihre Scheine absichtlich billig?
Je näher der G-20-Gipfel in Seoul rückt, desto geringer wird die
Wahrscheinlichkeit auf eine Einigung im Streit um weltweite
Handelsungleichgewichte und verzerrte Wechselkurse. Die Zeiten, in den die
20 großen Industrie- und Schwellenländer gemeinsame Anstrengungen
unternahmen, um die globale Finanzkrise und ihre Auswirkungen anzugehen,
scheinen längst vergangen. An die Stelle der koordinierten
Konjunkturprogramme und der - zumindest beabsichtigten - Regulierung der
Finanzmärkte ist ein Kampf aller gegen alle getreten. Jede Regierung
versucht ihre nationalen Interessen ohne Rücksicht auf die anderen
durchzusetzen.
Der am Donnerstagabend beginnende G-20-Gipfel ist der Fünfte dieser Art
binnen zwei Jahren. Teilnehmer sind neben Gastgeber Südkorea Japan, China,
Indien, Indonesien, Australien, Saudi-Arabien, Südafrika, Brasilien,
Argentinien, Mexiko, die USA, Kanada, die Türkei, Großbritannien,
Frankreich, Deutschland, Italien, Russland und die EU. Die Unterhändler der
G-20-Länder hätten bei Vorbereitungsgesprächen keinen "Mittelweg" in den
strittigen Fragen finden können, teilte gestern ein Sprecher des
südkoreanischen Vorbereitungskomitees mit.
Am umstrittensten ist die Währungspolitik. Erst gab es heftige Kritik aus
den USA an die Adresse Chinas: Indem sie den Wechselkurs ihres Yuan und
damit auch die Preise ihrer Exportgüter künstlich niedrig hielten, würden
sich die Chinesen unfaire Wettbewerbsvorteile verschaffen. Dann gerieten
die USA selbst in die Kritik, nicht zuletzt auch durch die Bundesregierung:
Indem die US-Notenbank Fed vorige Woche die Notenpresse anwarf und 600
Milliarden US-Dollar in die Wirtschaft pumpte, würden die USA nun selbst
die Abwertung ihrer eigenen Währung betreiben.
Mehr noch: Sie begünstigten dadurch das Entstehen von Inflation und neuen
Spekulationsblasen. Am Mittwoch gab China den USA einen Schuss vor den Bug:
Eine chinesische Ratingagentur senkte die Bewertung von US-Staatsanleihen
und zog damit die Kreditwürdigkeit der USA in Frage.
Für Schwellenländer, die derzeit alle mehr oder minder wirtschaftlich
erfolgreich dastehen, ist die Liquiditätsschwemme aus den USA ein ernstes
Problem. Das zusätzliche Geld fließt nun zu ihnen, weil Anleger dort höhere
Renditen erhoffen. Dadurch droht nicht nur Blasenbildung. Durch die hohe
Nachfrage nach den Währungen der betroffenen Länder steigt deren Wert, und
die Wettbewerbsfähigkeit ihrer eigenen Exportwirtschaft sinkt.
Daher ergreifen inzwischen auch die Schwellenländer Maßnahmen, um eine
Aufwertung ihrer Währungen zu verhindern. So verhängte Brasilien, dessen
Finanzminister Guido Mantega als Erster vom "Währungskrieg" gesprochen
hatte, jüngst eine 15-prozentige Steuer auf den Kauf brasilianischer
Staatsanleihen, um sie für ausländische Anleger unattraktiver zu machen.
Ein Kompromiss im Währungsstreit ist nicht in Sicht. Die USA hatten als
einzige einen Vorschlag vorgebracht. US-Finanzminister Timothy Geithner
wollte die die globalen Ungleichgewichte - übermäßige Defizite in den USA,
gigantische Überschüsse auf Seiten Deutschlands und Chinas - angehen. Die
Wechselkursstreitereien begriff er nur als deren Symptom. Den Kernpunkt des
Geithner-Plans stellen klar definierte Grenzen gleichermaßen für Defizite
und Überschüsse dar. Für die Bundesrepublik hieße das, sie müsste die
inländische Nachfrage etwa durch höhere Löhne stärken, statt nur auf
Exporte zu vertrauen. Brüsk lehnten die Deutschen den Plan ab.
Geithner hat den Vorschlag zurückgezogen. Im Gegenzug hat die Regierung in
Peking versöhnlichere Töne angeschlagen. Wenn die USA ihre Wirtschaft
mithilfe der Notenpresse ankurbeln, spiele das immerhin "eine wichtige
Rolle für die Erholung der globalen Konjunktur", sagte der stellvertretende
Finanzminister Wang Jun.
Die Verabschiedung eines Aktionsplans zum Abbau globaler Ungleichgewichte
steht zwar immer noch auf der Gipfelagenda, aber wie dieser aussehen soll,
ist unklarer denn je. Allenfalls auf eine Reduzierung der Haushaltsdefizite
werden sich die G-20-Staaten wohl einigen. Damit haben sie schließlich
ohnehin schon längst begonnen.
11 Nov 2010
## AUTOREN
Nicola Liebert
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