Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Leserbrief-Skandal in Sachsen-Anhalt: SPD-Bürgermeister lobt NPD
> SPD-Bürgermeister Hans Püschel aus Krauschwitz in Sachsen-Anhalt fand den
> NPD-Parteitag richtig klasse. Dumm nur, dass er in einer anderen Partei
> ist.
Bild: Wer hier nette Gesellen erkennt, könnte Bürgermeister in Krauschwitz se…
Da fährt der ehrenamtliche Bürgermeister aus dem kleinen Krauschwitz im
Sachsen-Anhaltischen Burgenlandkreis am 6. November mal eben in das kaum
zehn Kilometer entfernte Hohenmölsen und schaut sich dort den NPD-Parteitag
an. Er fühlt sich im Saal auf Anhieb wohl. "Viele junge Leute, Frauen,
sogar Kinder, … keine Springerstiefel, keine Schlägertypen." Es sei
"beinahe wie auf einem SPD-Parteitag" zugegangen.
Der Herr Maschinenbauingenieur Hans Püschel, so heißt der Bürgermeister,
ist alles andere als ein Bilderbuch-Extremist, sondern Sozialdemokrat und
seit 20 Jahren Bürgermeister in Krauschwitz. Seine Eindrücke und seine
Begeisterung behält Herr Püschel nicht für sich, sondern verfasst einen
Leserbrief an die in Halle erscheinende Mitteldeutsche Zeitung. Die druckt
ihn zwar nicht ab, zu Beginn dieser Woche wird der Inhalt dennoch bekannt.
Fünf Monate vor der nächsten Landtagswahl steckt die derzeit in
Sachsen-Anhalt mitregierende SPD nun in einigen Verlegenheiten. Püschel hat
nämlich bei den Rednern von NPD und DVU "kaum einen Satz gefunden, den ich
nicht selbst hätte unterschreiben können". Er freut sich, dass jemand
direkt und ungeschönt ausspricht, wie "schwer krank in seiner
Bevölkerungsentwicklung" Deutschland sei.
Es folgt ein breites Lamento über unsere familienunfreundliche Gesellschaft
und ein Lob des DDR-Ehekredits, der "abgekindert" werden durfte. Statt
Demokratie habe man nur noch Bürokratie im Land. Den Parteien der Mitte
trauten immer weniger Menschen Lösungen zu. Deshalb müssten es diejenigen
versuchen, "die eine vielleicht etwas andere Demokratie bzw.
Volksherrschaft installieren wollen". Solche Lösungen könnten auf Dauer
"auch keine bunten Stoffketten verhindern", spielt Püschel auf die
Demonstration gegen den NPD-Parteitag an, an deren Spitze Ministerpräsident
Wolfgang Böhmer (CDU) stand. Man müsse mit den Verteufelten ins Gespräch
kommen, die "gar nicht so schlechte Ideen" hätten.
Über seine Motive sagte der Bürgermeister dem Berliner "Tagesspiegel", ihn
habe die "zentrale Stimmungsmache gegen die NPD gestört". Gegenüber der
"Magdeburger Volksstimme" hatte er bereits sein nationales Denken bekannt.
Er würde es begrüßen, wenn die NPD in den Landtag einzöge.
Genau das befürchtet Innenstaatssekretär Rüdiger Erben, der zugleich
SPD-Kreisvorsitzender im Burgenlandkreis ist, wenn die NPD Püschels
Aussagen im Wahlkampf verwende. Nach Umfragen liegt die nationalistische
Partei derzeit knapp unter der Fünf-Prozent-Hürde. Er sei "entsetzt", sagte
Erben der "Volksstimme". "Hans Püschel hat offensichtlich die bürgerliche
Fassade der NPD nicht durchschaut, sonst wäre er auf eine solche
Verharmlosung nicht gekommen." Der Kreisvorsitzende rief zu "sachlicher
Auseinandersetzung" auf und warnte vor zu schneller öffentlicher
Verurteilung. Man wolle Püschel erst anhören, ihm ins Gewissen reden und
sich dann eine Meinung bilden.
Die SPD-Landesvorsitzende Katrin Budde nannte den Leserbrief zwar "höchst
kritikwürdig" und distanzierte sich von ihm. Sie lehnte aber ein sofortiges
Parteiausschlussverfahren ab. Für den Fall ist zunächst der Kreisverband
zuständig. Die Grünen in Sachsen-Anhalt begrüßten sowohl die schnelle
Distanzierung als auch die Gesprächsbereitschaft der SPD. "Keinesfalls darf
man den Fall aussitzen, nachdem er aus den Schlagzeilen ist", verlangte der
Landesvorsitzende Christoph Erdmenger.
16 Nov 2010
## AUTOREN
Michael Bartsch
## TAGS
NPD
## ARTIKEL ZUM THEMA
SPD will Neonazi-Bürgermeister absetzen: Kein Amt für NSU-Verehrer
Der Krauschwitzer Ortsbürgermeister findet den Bundestag
verfassungsfeindlich und hält die NSU-Mörder für Widerstandskämpfer. Nun
soll er sein Amt verlieren.
Landtagswahl in Sachsen-Anhalt: Rechte bekehren Sozi
Aus ersten Schwärmereien wird nun Ernst: Kommunalpolitiker Hans Püschel
gibt sein SPD-Parteibuch zurück und tritt für die NPD als Kandidat bei der
Wahl in Sachsen-Anhalt an.
NPD-Parteitag in Hohenmölsen: Drinnen Fusion, draußen Protest
Die NPD hat den Zusammenschluss mit der DVU abgenickt. Die bringt nun kaum
Mitglieder, aber nötiges Geld mit. Auf der Straße demonstrierten derweil
Hunderte gegen die Rechten.
Fusion von NPD und DVU: Rechte bündeln ihre Kräfte
Weil ihre Mitgliederzahlen sinken, will die rechtsextreme Partei NPD sich
mit der DVU zusammen tun. Sie hofft damit bessere Ergebnisse bei den
kommenden Landtagswahlen zu erzielen.
Holocaust-Leugnung im Netz: Ermittlungen gegen NPD-Funktionär
Als "Saxus" soll Tino Felgner auf dem Naziportal "Thiazi.net" den Holocaust
geleugnet haben. Die Staatsanwaltschaft beruft sich bei ihren Ermittlungen
auf Infos aus einem Antifa-Hack.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.