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# taz.de -- US-Journalistin Dana Priest über Wikileaks: "Regierung behandelt u…
> Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf zu wissen, was ihre Regierung
> tut, meint Pulitzerpreisträgerin Dana Priest. Und die Medien sollten
> nicht schlecht über Wikileaks berichten.
Bild: "Die Regierung hat die Kontrolle verloren über etwas, worüber sie nie d…
taz: Frau Priest, sind die Wikileaks-Veröffentlichungen von diplomatischen
Depeschen moralisch verwerflich?
Dana Priest: Nein, die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf zu wissen, was
ihre Regierung tut. Diese Dokumente zeigen das. Sie zeigen, wie Nationen
miteinander umgehen, und sie geben ein ungefiltertes Bild, das sie von
ihren Feinden und Verbündeten haben. Das sind wichtige Informationen.
Die Informationen, die jetzt öffentlich wurden, scheinen auf den ersten
Blick nicht so brisant zu sein. Glauben Sie, dass sie die Aufregung wert
sind?
Es sind 250.000 Dokumente - jetzt müssen Journalisten viel Zeit dafür
verwenden, sich das genau anzuschauen. Es geht darum herauszufiltern, was
neu ist, und den Kontext dazu zu liefern. Die New York Times hat das
gemacht. Ich stimme nicht damit überein, dass wir diese Unterlagen einfach
als unwichtig abtun können, diese Informationen werden Journalisten noch
Jahre beschäftigen.
Die Regierungen werfen Wikileaks Verantwortungslosigkeit vor.
Ja, aber das ist das, was man von einer Regierung erwartet. Die Reaktion
war ein Stück weit unüberlegt. Aber der Verteidigungsminister Robert Gates
hat gesagt, diese Unterlagen stellen kein Problem für die nationale
Sicherheit dar. Die Regierung hat die Kontrolle verloren über etwas,
worüber sie nie die Kontrolle hätte verlieren dürfen. Sie behandelt uns wie
kleine Kinder. Diese Vorstellung, dass wir nicht wissen dürfen, wie die
Regierung handelt, ist falsch. Sie hat zwei Ebenen, auf denen sie agieren
muss: in der Diplomatie und gegenüber der Öffentlichkeit.
Und was ist die Aufgabe der Journalisten?
Journalisten haben eine Verantwortung, das ist richtig. Man muss wissen,
wann man etwas veröffentlichen darf, ohne jemanden in Gefahr zu bringen.
Aber ich bin überzeugt, dass beides geht: brisante Informationen
veröffentlichen und verantwortlich handeln. Wikileaks muss noch einiges
lernen, und ich glaube, das tun sie - ich weiß, dass es Verhandlungen zum
Beispiel mit dem Spiegel über einige Informationen und ihre
Veröffentlichung gab. Journalisten müssen die Regierung in ihre Arbeit mit
einbeziehen und gegebenenfalls fragen, ob die Informationen, die sie haben,
zu gefährlich für eine Veröffentlichung sind.
Sie haben in Ihrer Karriere ja schon viele brisante Informationen enthüllt,
etwa über die Arbeit der CIA. Haben Sie auch schon Dinge zurückgehalten?
Ja. Das war immer eine schwere Entscheidung. Unser Business ist es ja, die
Wahrheit öffentlich zu machen, nicht, sie zurückzuhalten. Es gab immer
Leute, die wütend oder enttäuscht waren über das, was ich geschrieben habe.
Glauben Sie, dass die Anschuldigungen gegen Wikileaks-Chef Julian Assange
nur eine Kampagne sind, um ihn mundtot zu machen?
Ja, die Regierung ist sehr besorgt, und sie wird einiges tun, um ihn zu
stoppen. Die Regierung versucht, die Medien dazu zu bringen, negativ über
die Enthüllungen zu berichten, sie wollen eine Kampagne. Da steckt eine
Menge drin. Aber die Medien sollten nicht schlecht über Wikileaks
berichten, sie selbst haben die Informationen ja nicht bekommen.
Warum nicht?
Das können nur die Quellen beantworten. Ich weiß nichts über sie.
Vielleicht ist da fehlendes Vertrauen in die Medien, vielleicht die Angst,
über die Medien schneller erkannt zu werden. Wikileaks ist so etwas wie ein
Vermittler zwischen Quelle und Medien.
Verändert Wikileaks die Arbeit von Journalisten?
Das glaube ich nicht. Journalisten sollten Wikileaks wie jede andere Quelle
auch behandeln. Das Einzige, was sich jetzt ändert, ist das Wissen über
Regierungen und ihr Handeln. Solche Momente sind sehr selten, hoffentlich
können wir alle davon lernen.
30 Nov 2010
## AUTOREN
Frauke Böger
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