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# taz.de -- Druck auf Wikileaks nimmt zu: Hackerethik gegen Staatsbürokratie
> Amazon, Paypal und Mastercard haben die Zusammenarbeit mit Wikileaks
> beendet. Im Gegenzug spiegeln Netzaktivisten die Inhalte des Portals. Was
> bedeutet das alles?
Bild: Online eher hilflos: Steckbrief Assanges auf der Webseite von Interpol.
Die [1][Entscheidungsschlacht zwischen Hackerethik und Staatsbürokratien]
ist in vollem Gange: Erst griffen unbekannte Hacker die Online-Plattform
Wikileaks an, dann kündigten PayPal, Amazon und nun auch Mastercard ihre
Zusammenarbeit mit dem Portal auf, am Montag stellte Großbritannien
Medienberichten zufolge einen Haftbefehl gegen Wikileaks-Chef Julian
Assange aus. Doch der letzte Kampf um die Meinungsfreiheit ist noch nicht
ausgebrochen.
Auch wenn es schwer fällt, analysieren wir die Lage nüchtern. Zwar treffen
die letzten Schritte die Plattform hart, existenzbedrohend sind sie jedoch
vorerst nicht. Amazon war immer nur ein Ausweichquartier für die
Enthüllungen von Wikileaks. PayPal hatte Wikileaks bereits vor knapp einem
Jahr gekündigt. Und die USA haben – trotz permanenter Vorwürfe – weder
Anklage erhoben noch konnte die US-Regierung begründen, gegen welches
Gesetz Assange verstoßen haben soll.
Bedenklich sind die Entwicklungen auf alle Fälle. PayPal, Amazon und
zuletzt auch MasterCard haben Ihre Dienstleistungen gegenüber Wikileaks
eingestellt, weil die Plattform gegen Gesetze verstoße. PayPal weitete die
Haftung für diese Inhalte sogar auf die deutsche Wau-Holland-Stiftung aus,
die vom deutschen Staat als gemeinnützig anerkannt ist und Spenden für
Wikileaks annahm.
PayPal bestätigt auf Anfrage von taz.de zwar den Sachverhalt, möchte sich
aber nicht weiter äußern: "Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir
darüber hinaus reichende Fragen zum Account nicht mit Ihnen, sondern nur
mit dem Kontobesitzer erörtern dürfen." Warum Medienhäuser unbehelligt
bleiben, die das angeblich illegale Material ebenfalls veröffentlichen –
kein Kommentar.
Lange Rede, kurzer Sinn: Die US-Regierung hat mit politischem Druck ein
enges Netz um Wikileaks gespannt und versucht den ungeliebten Aktivisten,
plattzumachen. Doch ganz so einfach ist es nicht. Auch Wikileaks hat es
offenbar auf Konfrontation angelegt.
Der unmittelbare Eindruck einer konzertierten Attacke gegen Wikileaks
entsteht daher, dass die Haupt-Domain wikileaks.org [2][derzeit nicht
erreichbar] ist. Der amerikanische Provider EveryDNS soll die Domain
blockiert haben, berichten Wikileaks-Fans. Auf Twitter gibt es Tausende von
Hassbotschaften gegen das Unternehmen.
Doch EveryDNS bestreitet das. "Wikileaks.org ist das Ziel von massiven
Attacken geworden, die die Stabilität unserer Infrastruktur gefährdeten –
und damit auch die Stabilität von 500.000 anderen Websites", heißt es auf
der Homepage des Providers. Nur deshalb habe man den Account stillgelegt.
Bleibt die Frage: Warum hat Wikileaks für seine wertvolle Domain überhaupt
einem Kostenlosprovider mit Sitz in den USA übertragen? Und: warum wechselt
Wikileaks den Dienstleister nicht – wie viele Male zuvor?
Die Geschichte erinnert an ein [3][Pseudo-Drama], das sich im Frühjahr 2009
abspielte. Damals war der Domainname wikileaks.de blockiert. Wikileaks
wähnte sich als Opfer des deutschen Bundesnachrichtendienstes, der die
Domain wegen dort publizierten Geheimakten kassiert haben sollte. "China -
und nun Deutschland - sind die einzigen Länder dieser Welt, die versuchen
eine ganze Wikileaks-Domain zu zensieren", hieß es in einer
Pressemitteilung.
Die Wahrheit sah anders aus: ein Wikileaks-Enthusiast hatte aus Übermut
versucht, die Domain des Bundesnachrichtendienstes zu übernehmen. Als ihm
der Provider daraufhin die Verträge kündigte, verlor er auch die Domain
wikileaks.de – und verpeilte den Umzug zu einem anderen Provider. Doch
Wikileaks gefiel sich weiter in der Opferrolle und schaffte es so, neue
Unterstützer zu gewinnen.
Wenn Wikileaks ruft, eilen Tausende zu Hilfe. Als die Plattform am Sonntag
dazu aufrief, neue Speicherplätze für die Geheimdokumente bereitzustellen,
meldeten sich innerhalb eines Tages über 500 Freiwillige, um die
Geheimakten auf ihren eigenen Servern zu veröffentlichen – kostenlos und in
Eigenregie. Die Zukunft von Wikileaks ist also zunächst gesichert.
Das heißt keinesfalls, dass man die Hände in den Schoß legen kann. Hilfe
wird auch weitrhin dringend gebraucht. Zum Beispiel gegen die USA. Dass die
Regierung der Supermacht Berge von Geheimakten in einem System unterbringt,
auf das Millionen Diplomaten, Amtsträger, Soldaten zugreifen können, ist
eine Bankrotterklärung vor dem Informationszeitalter. Wer Herrschaftswissen
beansprucht, muss den Umgang mit Wissen beherrschen.
Aber nicht nur in der Ausführung hapert es. Der Konfliktfall Wikileaks
offenbart immer neue Defizite. So warnt ein Vertreter des Außenministeriums
die Studenten der renommierten Columbia University davor, sie könnten ihre
Karrierechancen riskieren, wenn sie Wikileaks-Inhalte ansehen oder – Gott
bewahre – auf Facebook darüber diskutieren. Meinungsfreiheit im "Land of
the Free" scheint nur noch ein Traum aus der Vergangenheit zu sein.
Auch in den Medien sieht es übel aus. Zwar werden die Wikileaks-Dokumente
ausführlich gewürdigt, doch immer wieder wird Julian Assange als Verräter
gebrandmarkt – ein Vergehen, dass dem gebürtigen Australier mangels
US-Staatsbürgerschaft gar nicht begehen kann. Schlimmer noch: Kolumnisten
rufen zu Attacken gegen Wikileaks und seinen Chef auf.
In der Washington Times durfte der Konservative Aktivist Jeffrey T. Kuhner
einen unverhohlenen Mordaufruf publizieren – die Redaktion verzichtete auf
jede Distanzierung. Stattdessen stellte die Zeitung dem Kommentar ein
Fahndungsplakat zur Seite: "Julian Assange – Wanted Dead". Wenn
Mordanschläge der einzige Reflex auf internationale Herausfordrungen sind,
kann sich die Supermacht USA endgültig von der Bühne internationaler
Politik verabschieden.
7 Dec 2010
## LINKS
[1] http://gunnarsohn.wordpress.com/2010/12/04/hacker-ethik-versus-staatsburokr…
[2] /1/debatte/kommentar/artikel/1/21325114596/
[3] http://www.netzpolitik.org/2009/wikileaksde-gesperrt/
## AUTOREN
Torsten Kleinz
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